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Bereits verlegte Stolpersteine



Paul Adler * 1915

Isekai 5 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

Auschwitz

Weitere Stolpersteine in Isekai 5:
Felix Arnheim, Hedwig Slutzki

Paul (Pollo) Adler, geb. 15.2.1915 in Hamburg, am 29.6.1943 von Berlin nach Theresienstadt deportiert, am 29.9.1944 nach Auschwitz weiterdeportiert

Isekai 5

Paul Adler wurde als viertes von fünf Kindern des Ehepaares Friedrich und Bertha Adler, geb. Haymann, geboren. Der Vater Friedrich war Innenarchitekt, Künstler und lehrte von 1927 bis zu seiner Zwangspensionierung im April 1933 als Professor an der Kunstgewerbeschule Hamburg.

1918 war seine Mutter an der Spanischen Grippe gestorben, die zwischen 1918 und 1920 in Europa wütete und mehrere Millionen Opfer forderte. Friedrich Adler blieb mit fünf Kindern zurück. Um weiter arbeiten zu können, gab er die beiden Kleinsten, Rinah und Pollo, wie Paul genannt wurde, zeitweilig in ein Kinderheim. 1920 heiratete er eine seiner Studen­tinnen, die Textildesignerin Frieda Erika Fabisch, genannt "FEF". Sie führte nun den Haushalt, sorgte für die fünf Kinder und blieb außerdem weiterhin kreativ tätig. So richtete sie zusammen mit Friedrich Adler die weit über Hamburgs Grenzen hinaus berühmten Künstlerfeste im Curiohaus aus und gründete zusammen mit Mann und Vater die "ATEHA GmbH" Adler Textildruckgesellschaft Hamburg.

1924 und 1937 bekam das Paar zwei eigene Kinder: Eva Amaranth und Jack Michael Kurt.

Paul, ein sensibler und nervöser Junge, besuchte die Grundschule Breitenfelderstraße und wollte nach Abschluss der Volksschule freischaffender Künstler werden. Sein Vater bestand aber darauf, dass er zunächst eine Ausbildung in angewandter Kunst absolvierte. So fing Paul An­fang der 1930er Jahre eine Keramikausbildung an der Kunstgewerbeschule in Hamburg an, wechselte dann nach Bunzlau und schloss die Ausbildung in der Berliner Porcellan Manufaktur ab. 1933/34 hatte er eine Einzelausstellung mit Keramiken im Reemtsma-Haus in Hamburg und in den folgenden zwei Jahren war er an Gemeinschaftsausstellungen beteiligt.

Seiner Stiefmutter "FEF" gelang es 1936, für ihn eine Stelle als Keramiker in Tel Aviv zu besorgen, er wollte jedoch nicht nach Palästina auswandern. Auch 1938 konnte er seine Schwester Rinah nicht verstehen, die in einen Kibbuz ging.
Paul zog im Mai 1937 nach Berlin-Schmargendorf und wohnte bei der Schwester einer Freundin seiner Mutter. Pollo erfüllte sich dann einen lang gehegten Wunsch und begann eine Ausbildung zum Musiker. Er hatte schon in seiner Jugend Klavierunterricht bei dem Organisten Konrad Wenk erhalten und war nach Aussage seiner Schwester Inge der begabteste Musiker der Familie, sehr zur Freude seiner Eltern, denn Musik spielte eine große Rolle im Haus der Familie Adler. Sein Vater hatte immer gehofft, die Kinder würden als Quintett oder Quartett Hausmusik machen.
Paul lernte Oboe und ab 1939 auch Englisch-Horn am Berliner Konservatorium. Schon ab Juli 1937 spielte er im Orchester des Jüdischen Kulturbundes Berlin. Hier lernte er auch seine spätere Frau Eva Senta Stern kennen. Sie war die Tochter seiner Wirtsleute, Pianistin und spielte ebenfalls im Orchester des Kulturbundes. Die beiden heirateten 1940 und bekamen von Friedrich Adler, der auswandern wollte, die Wohn- und Esszimmereinrichtung, Wäsche, Geschirr und anderen Hausrat aus der großen Familienwohnung im Orchideenstieg. Unklar bleibt, wovon das junge Paar seinen Lebensunterhalt bestritt. Der Jüdische Kulturbund Berlin konnte seinen Orchestermusikern nur sehr wenig Gehalt zahlen. 1937/38 betrug das Durchschnittsgehalt der 40 Musiker lediglich 195 RM.

Zu spät und ohne ausreichende finanzielle Mittel bemühte sich Paul Adler vergeblich um eine Ausreise in die USA. Am 29. Juni 1943 wurde er zusammen mit seiner Ehefrau Eva Senta nach Theresienstadt deportiert. Auch dort spielte er Oboe im Orchester.

Martha Glass, eine Hamburger Freundin der Familie Adler, hörte ihn. Sie schrieb am 15. Juli 1944 in ihr Tagebuch: "Gestern stand ich beim Platzkonzert in der Nähe des Orchesters. Plötzlich fällt mir das Gesicht des Oboisten auf. Es war Pollo Adler. Ich ließ ihn durch einen anderen Musiker, der bei uns im Hause wohnt, grüßen. Prompt am anderen Abend besuchte er mich mit seiner jungen bildhübschen und reizenden Frau. Anhänglich wie alle Adlers, und wir plauderten von Hamburg."
Am 29. September 1944 wurde er von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und er­mordet.

Eva Senta Adler überlebte als "Geltungsjüdin" in Theresienstadt. Vergeblich suchte sie ihren Ehemann nach Kriegsende in verschiedenen Lagern.

Sein Vater Friedrich Adler hatte sich seit 1935 um ein Visum in die USA bemüht. Als er es 1939 bekam, konnten die bereits in die USA ausgewanderten Kinder Max Wolfgang, Ingeborg und Hermann die geforderte, den Lebensunterhalt sichernde Summe von 1000 Dollar nicht aufbringen. Friedrich Adler wurde am 11. Juli 1942 ebenfalls nach Auschwitz deportiert und ermordet.

"FEF" wanderte mit den Töchtern Amaranth und Ingeborg 1934 nach Zypern aus. Dort unterhielt sie in der ersten Zeit gemeinsam mit Ingeborg, die später nach New York ging, eine Pension. 1936 hatte Friedrich Adler seine Ehefrau noch auf Zypern besucht, sah aber ohne Sprachkenntnisse für sich keine Chance, dort seinen Lebensunterhalt zu verdienen und kehrte nach Hamburg zurück.

© Maria Koser

Quellen: 1; 5; 8; StaH 351-11 AfW, 020898 Frieda Adler; StaH AfW 351-11 AfW, 3929 Friedrich Adler; AVK: Akte MB Erinnerungen von Rinah und Inge Adler, Eva Abramowitsch; Bruhns, Künstlerlexikon, Bd. 2, 2001, S. 25ff.; Müller-Wesemann, Theater, 1996; Müller-Wesemann, (Hrsg.) Martha Glass, 1996, S. 107, 108; Von der Lühe, Die Musik, 1998, S.81; Deutsche Nationalbibliothek, Deutsches Exilarchiv 1933–1945, Frankfurt am Main, Suchanzeige in: Aufbau, Jg. 11, Nr. 35, S. 26.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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