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Dr. John Rittmeister * 1898

Agnesstraße 30 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Berlin-Plötzensee
13.05.43 Berlin-Plötzensee

Dr. John Friedrich Carl Rittmeister, geb. am 21.8.1898 in Hamburg, hingerichtet am 13.5.1943 in Berlin-Plötzensee

John Rittmeister war der Sohn des Kaufmanns John Rittmeister und seiner Frau Anna Elisabeth, geb. Lappenberg. Er wuchs gemeinsam mit seinen Geschwistern, den 1900 geborenen Zwillingen Wolfgang und Edith, in einer wohlhabenden protestantischen Familie auf; die Rittmeisters bewohnten eine Villa in der Agnesstraße 30.

Von 1910 bis 1917 besuchte John Rittmeister das Johanneum. Nach dem Abitur 1917 meldete er sich freiwillig als Soldat und wurde im Ersten Weltkrieg in Frankreich und Italien eingesetzt. Nach dem Krieg studierte er in Marburg, Kiel, München und Hamburg Medizin. Durch seinen Ausbildungs- und Interessenschwerpunkt, die noch junge Psychoanalyse, erhielt er in Zürich seine erste Anstellung als Nervenarzt, später arbeitete er in Münsingen (Schweiz). In seiner Tätigkeit als Arzt und Psychiater hatte er stets einzelne Personen vor Augen und die Verbesserung konkreter Lebenssituationen zum Ziel.

Politisch stand er dem Sozialismus nahe. Die Sowjetunion faszinierte ihn, und 1932 nutzte er die Möglichkeit, dieses Land mehrere Wochen lang zu bereisen. Wie viele andere Intellektuelle seiner Zeit war er begeistert von den Umwälzungen, die dort in Gang gesetzt wurden. Während seiner Schweizer Zeit pflegte er Kontakte zu politischen und jüdischen Emigranten aus Deutschland und organisierte im Rahmen einer sozialistischen Arbeiter- und Studentengruppe Vortrags- und Diskussionsabende. Dies wurde von den Schweizer Behörden nicht gern gesehen und führte dazu, dass seine Aufenthaltsgenehmigung 1937 nicht mehr verlängert wurde. Er kehrte nach Deutschland zurück und arbeitete zunächst als Oberarzt an der Klinik Waldhaus in Berlin Nikolassee. Ab 1939 leitete er in Berlin eine Poliklinik für Psychotherapie – dabei handelte es sich um den einzigen Ort in ganz Deutschland, an dem noch nach den Grundsätzen der Psychoanalyse gearbeitet und geforscht werden durfte, wenn auch unter nationalsozialistischer Aufsicht.

1937 lernte John Rittmeister Eva Knieper kennen, die er 1939 heiratete. Eva Knieper bereitete sich an der Heilschen Abendschule auf ihr Abitur vor. Sie brachte John Rittmeister mit ihren Schulfreunden Fritz Thiel, Ursula Goetze, Friedrich Rehmer und Liane Berkowitz zusammen. Dieser Freundeskreis, zu dem auch der Romanist Werner Krauss gehörte, lehnte aus humanistischen und sozialen Motiven den Nationalsozialismus ab. Man traf sich zu privaten Diskussionsrunden und half Verfolgten und Zwangsarbeitern.

Ende 1941 lernten die Rittmeisters das Ehepaar Harro und Libertas Schulze-Boysen kennen. Harro Schulze-Boysen arbeitete im Reichsluftfahrtministerium und war von daher gut über die brutale Realität des NS-Regimes und die Ziele der Kriegsführung informiert. Er und seine Frau hatten begonnen mit anderen NS-Gegnern, wie z. B. Arved und Mildred Harnack, ein loses Netzwerk zu bilden. Die Gruppe verteilte heimlich Flugschriften und hatte auch Beziehungen zu sowjetischen Diplomaten aufgenommen, um vor dem geplanten deutschen Überfall auf die Sowjetunion zu warnen. Ein Funkkontakt nach Moskau funktionierte nur zeitweilig, trug aber zur späteren Enttarnung der Organisation bei. John Rittmeister wurde Mitautor der Flugschrift "Die Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk".

Die "Schulze-Boysen-Harnack-Gruppe" wurde im Sommer 1942 aufgedeckt und von der NS-Propaganda unter Überbetonung der Kontakte nach Russland als "Rote Kapelle" bezeichnet. Am 26. September 1942 wurde John Rittmeister mit seiner Frau festgenommen. Eva Rittmeister wurde zunächst wieder freigelassen und Anfang Januar 1943 erneut verhaftet. Das Todesurteil für John Rittmeister fiel am 12. Februar 1943 und wurde am 13. Mai 1943 vollstreckt.

Eva Rittmeister erhielt drei Jahre Haft und wurde im April 1945 von der sowjetischen Armee aus dem Gefängnis befreit.

John Rittmeister war der einzige Psychiater, der aktiven Widerstand gegen das NS-Regime geleistet hat. 1993 hat das damalige "Allgemeine Krankenhaus Ochsenzoll" einen Teil seiner psychiatrischen Klinik (Haus 17) nach ihm benannt und dort eine Gedenktafel angebracht.

Die Stadt Bernburg an der Saale hat 1961 eine Straße nach John Rittmeister benannt. Es handelt sich dabei um eine Zufahrtstraße zu der Nervenheilanstalt, in der in den Jahren 1940/41 9400 geistig behinderte Menschen im Rahmen des "Euthanasie"-Programms der NS-Regierung ermordet wurden.

© Ulrike Sparr

Quellen: StaHH 622-1/98; Personenstandsbuch Hamburg-Eimsbüttel; Schülerkarte des Johanneums; www.gdw-berlin.de/b17/b17-2-netz.php (einges. 21.08.07); www.gdw-berlin.de/b17/b17-ein1.php (einges. 21.08.07); www.bernburg.meyersch.de/index.php?open=geschichte&navi=gedenkstaette (einges. 26.10.07); AB 1940 (Bd.2); Karl-Heinz Biernat, Luise Kraushaar, Die Schulze-Boysen-Harnack-Organisation im antifaschistischen Kampf, Berlin 1972; Matthias Boentert, 60. Todestag von Dr. John Rittmeister, "Hier brennt doch die Welt", in: Deutsches Ärzteblatt 100, Ausg. 20, S. A-1339, B-1122, C1050; Walter Bräutigam, "Hier brennt doch die Welt – Aus dem Leben des Arztes John Rittmeister" in: 100 Jahre Allgemeines Krankenhaus Ochsenzoll, Hamburg 1993, S. 299–308; Totenliste Hamburger Widerstandskämpfer und Verfolgter 1933–1945 Hamburg 1968.

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