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Stolpertonstein

Erzählerin: Christine Jensen
Amtlicher Sprecher: Detlev Tams

Heinrich Roth * 1907

Steindamm 91 (Hamburg-Mitte, St. Georg)

KZ Neuengamme
Cap Arcona versenkt, tot 03.05.1945

Heinrich "Heinz" Peter Roth, geb. 17.3.1907, inhaftiert 1936 und 1938, gestorben am 3.5.1945 beim Untergang der Cap Arcona

Steindamm 91/97 (früher Steindamm 93)

Der Fotograf Heinz Roth wurde 1907 in St. Ingbert geboren. 1927 war er nach Hamburg gekommen, wo er zunächst als Hilfsgarderobier in dem einschlägigen Lokal "Goldene 13" arbeitete. Dort lernte er den Kaufmann Carl Bruns (geb. 10.02.1885 Hollerdeich/Kehdingen, gest. nach 21.04.1945 Todesmarsch KZ Sachsenhausen, Stolperstein: Papenhuder Straße 32) kennen, mit dem er von 1929 bis Anfang 1935 ein Verhältnis hatte.

1934 hatte Heinz Roth einen Mann im "Zillertal" kennengelernt, mit dem er einmal Sex hatte. Dafür wurde er am 2. November 1934 vom Amtsgericht Hamburg zu drei Monaten Gefängnis nach § 175 RStGB verurteilt – und am 29. Mai 1935 begnadigt. Da er nach der Haftentlassung als "Hundertfünfundsiebziger" keine Arbeit fand, machte er sich als Fotograf selbstständig.

Am 9. Juni 1936 standen Carl Bruns und er wegen ihrer Beziehung vor dem Amtsgericht Hamburg. Sie ließen sich von denselben Anwälten, Karstens & Wehner, Hermannstraße 31, vertreten. Roth erhielt eine Gefängnisstrafe von acht Monaten und zwei Wochen wegen "fortgesetzter widernatürlicher Unzucht" nach § 175; Bruns wurde zu vier Monaten und zwei Wochen Gefängnis verurteilt.

Nach der Haftentlassung im Dezember 1936 zog Heinz Roth in seinen Heimatort St. Ingbert im Saarland; doch bereits im Januar 1937 kehrte er nach Hamburg zurück. Aus Angst vor einer erneuten Verhaftung besuchte er für einige Monate keine einschlägigen Lokale mehr. Während der Pfingstfeiertage 1937 verlobte er sich mit seiner lesbischen Bekannten Rosetta "Rosi" Sophie Kersten (geb. 31. Januar 1910 Liverpool) – vermutlich um später eine Kameradschaftsehe zu schließen. Ihre Verbindung hielt jedoch nur bis Weihnachten desselben Jahres.

Im August 1937 lernte Roth den Tischler Adolf Spehr im Lokal von Johanna Gräpel (auch Miele genannt) auf St. Pauli kennen. Die beiden hatten bis Oktober 1937 ein Verhältnis. Nach rund einem Jahr und drei Monaten in Freiheit nahm das 24. Kriminalkommissariat er­neut Ermittlungen gegen Heinz Roth auf. Vom 18. Februar bis zum 12. April 1938 war er in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt wegen des Vorwurfs der "widern. Unzucht" inhaftiert. Mangels Beweises wurde er entlassen. Jedoch wurde sein Name kurze Zeit später von seinem ehemaligen Partner Adolf Spehr im Verhör genannt, sodass die Polizei erneut gegen Roth ermittelte. Spehr gab zudem am 23. Mai 1938 an, Rosetta Kersten unterhalte gleichgeschlechtliche Beziehungen. Danach befragt, gab Heinz Roth zur Antwort: "Wenn Spehr angibt, dass ich ihm erzählt hätte, die Kersten sei schwul und habe eine Freundin, ich hätte mit ihr keinen Geschlechtsverkehr, so sage ich, dass dieses nicht richtig sein kann. Ich habe mit der Kersten normalen Geschlechtsverkehr ausgeübt. Richtig ist, dass die Kersten eine Freundin hatte, die im Krankenhaus lag und Emmi oder Miele Andersen hieß. Sie hatte Alkoholvergiftung und ist jetzt gelähmt. Außerdem hat sie eine Freundin Elli Maio. Diese Frauen kamen mir wohl sonderbar vor, früher haben sie in der Goldenen Dreizehn verkehrt. Ich kann nicht sagen, dass die Frauen unter sich geschlechtliche Handlungen vorgenommen haben."

Eine Woche nach den Verhören, am 31. Mai 1938, fertigte das 24. Kriminalkommissariat einen Bericht an, in dem festgestellt wurde, dass das 20. Kriminalkommissariat (früher Weibliche Kriminalpolizei), gegen die Friseurin Rosetta Kersten (geb. 31.1.1910 Liverpool, gest. 11.12.1963 Hamburg) wegen "lesbischer Bestätigung" ermittelte. Obwohl gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen Frauen nicht strafbar waren, setzte die Kriminalpolizei alles daran, verdächtige Frauen nach intimsten Details zu befragen und die Namen ihrer Partnerinnen in Erfahrung zu bringen.

Heinz Roth wurde vom 25. bis zum 31. Mai 1938 in polizeiliche "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel genommen. Am 28. Juli 1938 verurteilte ihn das Amtsgericht Hamburg zu zwei Jahren Gefängnis wegen fortgesetzten Vergehens nach § 175 RStGB. Aus dem Urteil: "Ob der Angeklagte sich durch die Verbüßung der jetzt gegen ihn zu verhängenden Strafe bessern wird, ist mehr als fraglich. Der Besserungsgedanke muß hier in den Hintergrund treten. Maßgebend für die Bemessung der Strafe ist hier die Sicherung der Allgemeinheit vor dem Angeklagten, der es nicht verstanden hat, seinen homosexuellen Trieb zu zügeln. ... Das einzige wirksame Mittel, den Angeklagten vor Wiederholung seiner Straftat zu bewahren, wird nur die Entmannung sein. Sollte der Angeklagte sich entmannen lassen und der Arzt nach Ablauf der erforderlich gehaltenen Beobachtungszeit für eine Entlassung des Angeklagten sein, dann wird auch das Gericht eine bedingte Begnadigung für den Rest der Strafzeit befürworten."

Heinz Roth verbüßte die Haft ab 16. September 1938 im Strafgefängnis Wolfenbüttel sowie in den Emslandlagern V Neusustrum und VI Oberlangen. Von dort wurde er der Hamburger Kriminalpolizei überstellt, die ihn im Polizeigefängnis Hütten in "kriminalpolizeiliche Vorbeugungshaft" nahm. Vom 3. bis 16. Mai 1940 war er im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert und wurde dann – das genaue Datum ist nicht bekannt – ins KZ Sachsenhausen verlegt.

Dort wurde er unter der Häftlingsnummer 26909 geführt. Für den 21. August 1940 ist seine Einweisung durch die Kriminalpolizei ins KZ Neuengamme dokumentiert (Häftlingsnummer 1722, "B.V. H.O.") Hier war er eingesetzt als "Friseur & Erkennungsdienst, politische Abteilung bei Naeve als Fotograf". Nach dem Bericht eines Augenzeugen kam Heinz Roth am 3. Mai 1945 beim Untergang der Cap Arcona ums Leben.

Die Eltern und Geschwister beantragten 1951 im Saarland erfolglos die Anerkennung ihres Angehörigen Heinz Roth als Opfer des Nationalsozialismus. 1969 lehnte der Hamburger SPD-Sozialsenator Ernst Weiß auch eine Entschädigung im Wege des Härteausgleichs ab ("aus der Akte ist weiter erkennbar, daß der Verstorbene seit 1934 mehrfach wegen Verstoßes gegen § 175 StGB verurteilt worden war und inhaftiert gewesen ist. Er befand sich – vermutlich auch deswegen – im Jahre 1940 in polizeilicher Vorbeugungshaft").

© Bernhard Rosenkranz(†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaHH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 8740/38; StaHH, 242-1II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13 und 16; StaHH, 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 c und 451 a E 1, 1 e; StaHH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, Ab­lie­ferung 2008/1, 170307 Roth; Hans Georg Stümke: Hamburg: Gestapo jagt "Volksschädlinge". Zur Verfolgung der Homosexuellen im 3. Reich, in: Hamburg von hinten, Berlin 1982, S. 60.

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