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Bereits verlegte Stolpersteine



Lissi Winterfeld (geborene Stern) * 1896

Uhlenhorster Weg 39 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)

1944 Theresienstadt

Weitere Stolpersteine in Uhlenhorster Weg 39:
Dr. Leopold Winterfeld, Werner Winterfeld

Leopold Winterfeld, geb. 22.5.1887, aus Frankreich deportiert nach Auschwitz, am 11.11.1942 in Lublin umgekommen
Lissi Helena Winterfeld, geb. Stern, geb. 28.2.1896, verstarb am 28.12.1959 in Paris
Werner Martin Winterfeld, geb. 30.1.1918, aus Frankreich deportiert nach Auschwitz, am 11.11.1942 in Lublin umgekommen

Uhlenhorster Weg 39

Leopold Winterfeld kam als Sohn von Julius und Marianne, geb. Nissel, in Hamburg zur Welt. Er war das älteste von drei Kindern. Sein Bruder Bruno wurde am 4. August 1890 geboren, seine Schwester Louise am 23. März 1893. Leopold besuchte die Gelehrtenschule des Johan­neums zu Hamburg. Nach dem Abitur begann er ein Jurastudium, welches dazu führte, dass er sich am 8. Mai 1914 als Rechtsanwalt niederlassen konnte. Doch vorerst konnte er den Beruf nicht lange ausüben, da der Erste Weltkrieg gerade begonnen hatte. Wie viele andere auch wurde Leopold Winterfeld Soldat. Seit 1915 kämpfte er beim 81. Feldartillerieregiment.

Lissi Winterfeld war die Tochter des Kaufmanns Bernhard Stern und seiner Frau Martha, geb. Elias. Am 28. Februar 1896 kam sie, als die ältere von zwei Schwestern, in Hamburg zur Welt. Ihre jüngere Schwester Hertha folgte kurze Zeit später. Während ihrer Jugend besuchte Lissi Winterfeld die "Höhere Töchterschule" und verbrachte anschließend ein Jahr auf einem Pen­sionat in Brüssel.

Während des Ersten Weltkrieges verlobten sich Leopold Winterfeld und seine Freundin Lissi Stern. Die Hoch­zeit fand am 17. August 1916 statt, zu diesem Zeitpunkt war Lissi bereits mit ihrem ersten Kind Ilse schwanger. Tochter Ilse kam am 21. Februar 1917 in Thorn zur Welt und ein Jahr später, am 30. Januar 1918, wurde ihr Sohn Werner Martin in Danzig geboren. Nach dem Ende des Ersten Welt­krie­ges kehrte die jüdische Familie Win­ter­feld nach Hamburg zurück und Leo­pold nahm seine Tätigkeit als Rechtsanwalt wieder auf. Eine weitere Toch­ter, Ruth, wurde geboren, die jedoch schon am 1. Januar 1921, kurz nach ihrer Geburt, verstarb.

Leopold Winterfelds erste Kanzlei lag am Rathausmarkt 3 oder 5, später wechselte er ins Bal­lin­­­haus. Die Familie lebte zu dieser Zeit in der Hochallee 102, später wohnte sie im Uhlen­horster Weg 39, wo heute die Stolpersteine für Lissi, Leopold und Werner Winterfeld liegen, und zo­gen anschließend in die Straße Am Markt 39 um, die heute Barmbeker Markt heißt.

1931 änderte sich das Leben der Familie Winterfeld radikal. Leopold Winterfeld wurde we­gen Unterschlagung und Untreue angeklagt. Zudem musste er 1932 in Untersuchungshaft, da angeblich Fluchtgefahr bestand. Das Urteil wurde am 19. Juli 1933 gefällt. Leopold Win­terfeld wurde für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hierbei entschied das Gericht angeblich noch zu seinen Gunsten, weil es den Grund für die veruntreuten Gelder strafmildernd bewertete. Das Gericht sah es nämlich als erwiesen an, dass Leopold Winterfeld das Geld ausschließlich genutzt hatte, um den kostspieligen Lebenswandel seiner Frau zu finanzieren und es nicht für sich ausgegeben hatte. Be­vor Leopold Winterfeld seine Haftstrafe antreten musste, flüchtete er im August nach Fran­k­reich. Zuvor ließ er sich noch aus der Liste der Rechtsanwälte streichen und kam damit einem Ausschluss zuvor.

Lissi Winterfeld blieb noch kurze Zeit in Hamburg, um ihre Kinder bei ihren Eltern unterzubringen. Danach folgte sie ihrem Mann in die Emigration. Ihre offizielle Wohnadresse behielt sie jedoch unter der Anschrift ihres Vaters, Bernhard Stern, bei.

Die Kinder Werner und Ilse bemühten sich in Hamburg ihrem normalen Alltag nachzugehen. Doch besonders Werner war dies fast unmöglich. Eigentlich träumte er davon, Abitur zu ma­chen und zu studieren, um Ingenieur werden zu können. Doch bereits 1932 musste er die Schule wechseln, da er sowohl von Schülern als auch von Lehrern beschimpft und angegriffen wurde. Deswegen blieb ihm nichts anderes übrig, als das Johanneum zu verlassen und auf das Wilhelm-Gymnasium zu wechseln. 1934 verließ er das Gymnasium ohne Abschluss, um eine Lehre anzufangen. Er hoffte darauf, dass sich die politischen Verhältnisse bessern würden und er seinen Abschluss und das Studium nachholen könne. Eine dreijährige Lehre bei Carsten Jacobsen, der eine Autowerkstatt besaß, konnte Werner beenden. Danach be­kam er ein An­gebot von Arnold Bernstein, welcher eine Schifffahrtsgesellschaft besaß, die Red Star Linien GmbH. Dort war Werner Winterfeld ab Ostern 1937 als Ingenieur-Assistent tätig. Arnold Bern­stein wurde jedoch aufgrund seiner jüdischen Herkunft noch im selben Jahr verhaftet und im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert, woraufhin auch Werner Win­ter­feld seine Anstellung zum 21. Dezember 1937 verlor. Daraufhin emigrierte er 1938 nach Italien.

Ilse Winterfeld blieb ebenfalls zunächst bei ihren Großeltern. Ende der dreißiger Jahre heiratete sie Benjamin Fränkel. Gemeinsam emigrierten sie 1940 nach England und suchten sich eine Wohnung in London, wo sie auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges blieben.

In Paris konnte Leopold Winterfeld sich allein kaum versorgen, da es schwierig war, an Arbeit zu kommen. Deshalb erhielt er regelmäßig Geld von seinem Schwiegervater Bernhard Stern. Bis 1939 lebte Leopold Winterfeld zusammen mit seiner Frau Lissi abwechselnd in Frankreich und Italien. Mal arbeitete er in Nizza, dann ging er nach Neapel, um dort als Gerber tätig zu sein. In Italien trafen die Eltern auch wieder mit Werner zusammen, der gerade aus Deutsch­land emigriert war.

1939 hielt sich Lissi Winterfeld für kurze Zeit im mittlerweile von deutschen Truppen be­setzten Prag auf und wurde dort von der Gestapo verhaftet. Vom 10. März bis zum 18. April blieb sie in Haft. Nach ihrer Freilassung floh sie nach Paris, wo bereits Mann und Sohn auf sie warteten.

Am 14. März 1940 wurden Leopold und Werner Winterfeld verhaftet und im Camp de la Visco­se interniert, wo sie in der 15. Fremdarbeiterkompanie Zwangsarbeit leisten mussten. Von dort aus wurden sie am 17. Dezember 1941 ins Konzentrationslager Camp les Milles in der Nähe von Marseille verlegt. Auch hier leisteten sie in einer Fremdarbeiterkompanie Zwangs­­arbeit. Ihre Inhaftierung dauerte bis zum 31. Oktober 1942; an diesem Tag wurden sie mit einem Transport ins Durchgangslager Drancy, welches nordöstlich von Paris lag, ge­bracht. Von dort aus gingen fast wöchentlich Transporte in Konzentrationslager in Ost­eu­ropa, meist nach Auschwitz. Leopolds Bruder, Bruno Winterfeld, war bereits auf diesem Weg am 28. August 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert worden. Leopold und Werner Winterfeld wurden gemeinsam mit einem Transport am 11. November ins Konzen­tra­tions­lager Auschwitz deportiert. Dort überlebten beide bis zum Frühjahr 1943. Am 4. März wurden sie nach Lublin de­por­tiert und dort ermordet.

Lissi Winterfeld blieb nach der Verhaftung von Mann und Sohn in Paris und versteckte sich unter dem Namen Rougier bei verschiedenen Bekannten. Mal lebte sie bei Marie-Augustine Bau­mann in der Rue Marbeuf, dann zog sie zu Adéle Silmain in die Rue MacMahon und lebte zuletzt bei Marthe Weinsztock in der Rue du Collisée. Mit Übersetzungen und Gele­gen­heits­arbeit versuchte Lissi Winterfeld zu überleben. Am 18. April 1944 wurde sie jedoch entdeckt und von der Gestapo verhaftet.

Daraufhin begann ein Leidensweg, der sie durch mehrere Kon­zentrationslager führte. Zuerst wurde sie im Konzentrationslager Fresnes in Frank­reich fest­ge­halten. Am 30. Mai 1944 wurde sie in ein Gefängnis nach Berlin überführt und von dort aus weiter nach Auschwitz deportiert. Nach der Auflösung des Konzentrationslagers Ausch­witz ge­langte Lissi Winterfeld nach Bergen-Belsen und kurz danach ins Außenlager Salzwedel, wo sie in einer Munitionsfabrik Zwangsarbeit leistete. Dort wurde sie am 11. April 1945 von den Alliier­ten befreit.

Schon einen Monat später gelangte sie mit einem Transport französischer KZ-Insassen nach Paris und erfuhr dort vom Tod ihres Mannes und ihres Sohnes. Sie bemühte sich, in Paris Ar­beit zu finden und kam kurzzeitig beim Film unter. Jedoch reichte dies auf Dauer nicht für ihren Lebensunterhalt, sodass sie beschloss, nach Hamburg zurückzukehren. Am 20. Dezem­ber 1949 traf sie in ihrer Heimatstadt ein und wohnte zunächst in der Se­dan­­straße 23, im Jüdischen Pflege­heim, bis sie eine Wohnung in der Sen­tastraße 44b bekam. Lissi Win­terfeld, ihre Tochter Ilse sowie ihre Schwester Hertha Stern und Leopolds Schwester Louise überlebten den Holocaust. Leo­polds Bruder Bruno kam in Auschwitz um. Lissis Vater Bernhard Stern wurde nach Theresienstadt deportiert und starb dort. Ihre Mutter verstarb schon vorher in Hamburg an Darmkrebs.

Da Lissi Winterfeld bis 1944 in Hamburg unter der Adresse ihres Vaters gemeldet war, stand auch ihr Name auf der Deportationsliste nach Theresienstadt. Daher lässt sich auf ihrem Stolper­­stein auch die Angabe nachlesen, sie sei 1944 in There­sien­stadt verstorben. Dies entspricht jedoch nicht der Realität. Nach ihrer Befreiung aus dem Kon­zen­trationslager litt Lissi Winterfeld unter ständigen Kopf­schmerzen, ei­nem Herzfehler und einem Nerven­leiden. 1957 erlitt sie während einer Reise nach Paris einen Schlaganfall und war linksseitig gelähmt. Am 28. Dezember 1959 verstarb sie in Paris.

© Carmen Smiatacz

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 04.08.90 Winterfeld, Bruno; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 22.05.87 Winterfeld, Leopold; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 28.02.96 Winterfeld, geb. Stern, Lissy; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 30.01.18 Winterfeld, Werner.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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