Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine




Stolpertonstein

Erzähler: Thomas Karallus
Sprecher: Hubertus Meyer-Burckhardt
Biografie: Johann-Hinrich Möller


Else und Lambert Leopold
Else und Lambert Leopold
© Michael Knight

Lambert Leopold * 1890

Isestraße 45 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
LAMBERT LEOPOLD
LANDRICHTER
JG. 1890
DEPORTIERT 1941
LODZ
1942 CHELMNO
ERMORDET

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Isestraße 45:
Else Leopold, Else Nathan

Else Leopold, geb. am 8.3.1891, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, weiter deportiert am 15.5.1942 nach Chelmno
Lambert Friedrich Leopold, geb. am 30.8.1890, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, weiter deportiert am 15.5.1942 nach Chelmno

Wenn noch einmal mich dieses Leben riefe
und höbe mich in den geweihten Kreis
der Schaffenden aus der Verbannung Tiefe
ins Licht herauf, das ich zuinnerst weiß,
dann soll mein Jubel wie ein Sturzbach schäumen
durch alle meine Stunden, Tag und Nacht.
Gelobet seiest Du, der im Dunkel wacht
und Wirklichkeiten webt aus Menschenträumen.


Dieses Gedicht schrieb im November 1933 der Hamburger Richter Lambert Leopold, nachdem ihm die nationalsozialistischen Machthaber wenige Wochen zuvor, am 30. September 1933, Berufsverbot erteilt hatten.

Lambert Leopold, am 30. August 1890 als Sohn des jüdischen Kaufmanns Leyser Leopold und dessen Ehefrau Meda, geb. Stern, in Hamburg geboren, wurde nach einem Studium der Rechtswissenschaften und dem Referendariat am 6. September 1920 zum Assessor und am 1. Februar 1921 zum Richter am Landgericht Hamburg ernannt. Er war verheiratet mit Else Perutz (geb. am 8.3.1891). Aus der Ehe gingen die in Hamburg geborenen Kinder Hanna Deborah (geb. 1919) und Ludwig (geb. 1926) hervor.

Die Kinder konnten 1939 Deutschland verlassen und emigrierten in die USA und nach Schweden. Auch Else und Lambert Leopold versuchten noch im selben Jahr, nach Palästina oder England zu flüchten, was Ihnen jedoch nicht mehr gelang. Zum 25. Oktober 1941 erhielten sie ihren Deportationsbefehl nach Lodz, von wo sie am 15. Mai 1942 nach Chelmno verschleppt und ermordet wurden.

Lambert Leopold dachte, wie viele assimilierte Juden jener Zeit, sehr national und patriotisch. Er hoffte daher bis zuletzt, dass die nationalsozialistischen Machthaber ihn im Amt belassen würden. So unternahm er Ende Mai 1933 den Versuch, in einer Anlage zu dem Fragebogen, auf dessen Grundlage über seinen Verbleib im Staatsdienst entschieden werden sollte, deutlich zu machen, dass er als Mitglied im "Bund Deutscher Bodenreformer" einer Organisation angehörte, deren "Ziele sich in ganz wesentlichen Dingen doch mit den Zielen der ‚Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei’ decken". Sogar nachdem er mit seiner Frau bereits nach Lodz deportiert war, setzte er auf die Korrektheit des deutschen Beamtentums und bat mit Schreiben vom 6. Dezember 1941 darum, ihm seine "Ruhegehaltsbeträge" künftig an die Hohensteiner Straße 43 (Wohnung 33) in "Litzmannstadt" zu überweisen.

Erst durch dieses Schreiben wurde die Justizverwaltung darauf aufmerksam, dass die Bezüge für November und Dezember, also nach seiner Deportation, weiterhin auf Lambert Leopolds Sperrkonto überwiesen worden waren. Daraufhin erfolgte die Anordnung, das Vermögen einzuziehen und die für November und Dezember gezahlten Bezüge zurückzufordern.

Wenige Tage vor seiner Deportation nach Chelmno unternahm Lambert Leopold einen letzten verzweifelten Versuch, seiner Ermordung zu entgehen, indem er in einem Brief um die Zurückstellung von der "Evakuierung" nach Chelmno bat:

Lambert Leopold (Landrichter i. R.)
Else Leopold
Hohensteiner Straße 43/33
Hamburger Transport
Litzmannstadt ??? 2. Mai 1942

An die [Abteilung (?)] für Eingesiedelte
Aufgrund des uns heute erteilten Ausreisebefehls Nr. III / 427/8 bitte ich ergebenst uns von der Evakuierung freizustellen, und zwar mit folgender Begründung:
Meine Ehefrau und ich sind seit dem 3. April 1942 bei der Abteilung für Straßen- und Gar­tenbau unter Nr. 99 und 100 zum Arbeitseinsatz registriert. Wir hatten uns dort gemeldet, sobald verlautete dass dort Arbeitskräfte gesucht würden.
Offene Frostwunden an beiden Händen und Füßen, an denen ich den Winter über gelitten hatte und schwere Herzschwäche zwangen mich aber den Monat April über noch in ärztlicher Behandlung zu bleiben (bei Herrn Dr. Natannsen und Herrn […] Rubinstein) und machen mich von der Pflege durch meine Frau abhängig. So konnten wir bisher nicht zum Arbeitseinsatz gebracht werden.
Wir warten nunmehr auf unseren Einsatz zum Arbeitsbeginn.
In der Hoffnung keine Fehlbitte zu tun, bitten wir somit um Freistellung von der Evakuierung.
Ergebenst Lambert und Else Leopold

Das Gesuch wurde abgelehnt. Else und Lambert Leopold wurden vermutlich gleich nach ihrer Ankunft in Chelmno am 15. Mai 1942 in einem Gaswagen ermordet.

Bei meinen Recherchen über Else und Lambert Leopold bin ich zudem auf ein interessantes Tondokument gestoßen. Seine persönliche Situation umschrieb Lambert Leopold sehr eindrucksvoll in einer Reihe von Gedichten, die er nach seinem Berufsverbot geschrieben hatte. Anfang 1934 hat Lambert Leopold einige dieser Gedichte für seine Schwester Frieda Wertheim, die mit ihrem Mann nach Südafrika emigriert war, auf eine Schallplatte gesprochen.

Aufgenommen wurde diese Platte in Hamburg in den Großen Bleichen, wo es damals eine Reihe kleinerer Tonstudios gab, die derartige Aufnahmen für private Zwecke produzierten. Irmgard Pilz, eine Freundin der Tochter von Frieda Wertheim, hat von dieser Schallplatte eine Tonbandkopie erstellt und mir freundlicherweise eine Kopie zur Verfügung gestellt.

Im Zusammenhang mit der Verlegung von "Stolpersteinen" für zehn Opfer aus der Hamburger Richterschaft vor dem Ziviljustizgebäude am Sievekingplatz berichtete der Norddeutsche Rundfunk Ende Juli und Anfang August 2006 in zwei Beiträgen über Lambert Leopold und machte Auszüge aus dieser Aufnahme einem größeren Publikum zugänglich.

Über die letzten Tage von Else und Lambert Leopold in Hamburg berichtete Elisabeth Flügge in Briefen an ihre Tochter Maria. Leopolds wohnten zu der Zeit bereits in der Hansastraße 65 bei Michaeli. Auch Elisabeth Flügge erwähnte Lambert Leopolds Gedichte und schrieb in einem Brief vom 24.10.1941:
"Mitten in der Nacht fiel bei Else ein noch voller Schrank um, – alles kaputt, – Else verlor fast die Nerven! Lambert war völlig ruhig, – aber er saß am Schreibtisch u. ordnete alte Briefe, – fand Bilder, las Gedichte, – er ist ja kein Richter, sondern ein Dichter!"

Anfang August 2006 kamen Arielah Press und Michael Knight, die Enkelkinder von Else und Lambert Leopold, aus den USA zu einem Besuch nach Hamburg, um an einer kleinen Feierstunde zur Einweihung der zehn "Stolpersteine" vor dem Ziviljustizgebäude teilzunehmen. Ein besonderes und tief bewegendes Erlebnis für die Geschwister war ein Besuch in der früheren Wohnung ihrer Großeltern in der Isestraße 45.

© Johann-Hinrich Möller

Quellen: 1; 4; StaH, Personalakte Justizverwaltung, A 1212; USHMM, RG 15.083, M 300/142-143; Fritz Neubauer, E-Mail November 2009; Elisabeth Flügge, Briefe an ihre Tochter Maria, Oktober 1941 (Archiv Ursula Randt) Irmgard Pilz, Tonaufnahme (1934) und Abschrift von Lambert Leopolds Gedichten.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang