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Bereits verlegte Stolpersteine



Marcus und Henriette Nathan
Marcus und Henriette Nathan
© Privat

Henriette Nathan (geborene Levy) * 1877

Grindelberg 66 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Auschwitz
HIER WOHNTE
HENRIETTE NATHAN
GEB. LEVY
JG. 1877
DEPORTIERT 1942
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Grindelberg 66:
Marcus Nathan

Marcus Nathan, geb. am 19.2.1877 in Hamburg, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz, ermordet
Henriette Nathan, geb. Levy, geb. am 10.10.1877 in Hamburg, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz, ermordet

Grindelberg 66 (anstelle der aufgelösten Klosterallee 29)

Zur Herkunft der Familie Nathan schrieb Waldemar Nathan in den 1970er-Jahren: "Die Familie stammt aus Rendsburg, an der Elster in Holstein gelegen, und ist dort seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar. Die meisten der Vorfahren waren Handwerker und Kleinbauern. Viele Familienmitglieder siedelten sich in Dänemark an, andere zogen in die norddeutschen Hansestädte."

Marcus Nathan wurde 1877 als fünftes Kind des aus Rendsburg gebürtigen Schneidermeisters Gerson Nathan (1839–1913) und dessen Hamburger Ehefrau Recha Nathan, geborene Joseph (1840–1903), in Hamburg geboren. Die Eltern hatten 1864 in Hamburg geheiratet; Gerson Nathan erwarb 1862 das Rendsburger und 1887 das Hamburger Bürgerrecht. Vor Marcus Nathan waren bereits die vier Geschwister Joseph (geboren 17. August 1867), Helene (geboren 1. Dezember 1870, s. "Stolpersteine in Hamburg-Hohenfelde" und www.stolpersteine-hamburg.de), Neumann (geboren 11. November 1871) und Julius (geboren 25. September 1873) in Hamburg zur Welt gekommen. Das Geschäft des Vaters und die Wohnung der Familie lagen in der Hamburger Neustadt am Großneumarkt 45 (1867), im Alten Steinweg 34 (1867–1877) und in der Wexstraße 28 (1878–1882). In der Wexstraße, deren neue Bebauung erst 1876 fertiggestellt wurde, befanden sich Wohnung und Geschäft im Parterre des Hauses von Rechtsanwalt F. H. Wex. In den Folgejahren wohnte Gerson Nathan als Hauptmieter mit seiner Familie am Zeughausmarkt 26 (1893–1896) und Hütten 48 (1896–1902). Nach dem Tod von Recha Nathan zog er zeitweilig (Dezember 1903–Juni 1905) in die Heinrich-Barth-Straße 3 zu seiner Tochter Helene Nathan, die 1895 Henry Herz (geboren 1870 in Hamburg) geheiratet hatte. Später wohnte er bei den Eltern seiner Schwiegertochter, Marcus und Recha Levy, in der Wexstraße 24 (1906–1907), Feldstraße 49 (1907–1911) und am Pilatuspool 15 (1911–1913).

Henriette Nathan, geborene Levy, wurde 1877 als Tochter des Steindruckers Marcus Levy (geboren 4. Juli 1841 in Hamburg) und dessen Ehefrau Engelina, geborene Heymann (geboren 11. Mai 1843 in Norden) geboren. Sie war die älteste von fünf Geschwistern, nach ihr kamen Ewa (geboren 1. März 1879), Ivan (geboren 11. November 1880), Clara (geboren. 19. März 1882) und Selma (geboren 20. Februar 1884) in Hamburg zur Welt. Der Vater hatte 1899 das Hamburger Bürgerrecht erworben, er starb 1909. Von ihrer Mutter erbte Henriette Nathan ein Brillantkollier, das sie sich um 1930 dem Zeitgeschmack entsprechend von einem Goldschmied umarbeiten ließ.

Der Bruder Julius Nathan (1873–1933) lebte nach seiner Heirat 1899 mit Ida Herzberg (1873–1946) als Kaufmann in Stettin, wo er einen Hutladen besaß und auch sein Sohn Waldemar (geboren 1900) und die Tochter Elise "Lisie" (geboren 1905) zur Welt kamen; später lebte die Familie in Bremen. Julius Nathan diente als Soldat im Ersten Weltkrieg und auch sein Sohn meldete sich 1917 nach dem Notabitur freiwillig zur kaiserlichen Armee. Ab 1919 lebte Julius Nathan wieder in Hamburg. Er trat 1923 in die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburgs ein; in der Familie wurden die hohen Feiertage begangen. Julius Nathan wohnte zuletzt Mundsburgerdamm 28. Er starb am 5. Oktober 1933 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf beigesetzt. Seine Ehefrau emigrierte 1935 nach Palästina zu ihrem Sohn.

Neumann Nathan (1871–1932), der zweitälteste der vier Brüder, heiratete 1897 Helene Gumpel, die Eheleute bekamen die Tochter Lilly (geboren 1900). Neumann war als Kaufmann tätig, erwarb 1901 das Hamburger Bürgerrecht und gründete 1903 das Uhren- und Goldwarengeschäft (vor 1914 geändert in Herrengarderoben) Robert Neben & Co. Nach seiner Scheidung heiratete er 1918 ein zweites Mal, aus dieser Ehe stammten die Kinder Beate Recha (geboren 1920) und Hans Gerd (geboren 1922). Neumann Nathan zog um 1929 nach Hannover, wo er 1932 starb. Hans Gerd Nathan emigrierte nach Schweden.

1905 heirateten Marcus Nathan und Henriette Levy in Hamburg; vier Jahre später erwarb Marcus Nathan das Hamburger Bürgerrecht und damit auch das Wahlrecht in der Hansestadt. Bereits vor 1913 war er Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und des religiös konservativen Kultusverbandes "Synagogenverband". In der Wohnung gab es unter anderem einen Chanukkaleuchter und drei Koffer mit Pessachgeschirr. 1915 kam der Sohn Gerhard Ernst Nathan zur Welt. Die Familie wohnte in der Hamburger Neustadt in der Mühlenstraße 38 (1906–1918) und im Neuen Steinweg 98 (1919–1926). Nach zwanzig Jahren in der Neustadt zog sie in eine Neubauwohnung der Grundstücksgesellschaft Elbe mbH im Stadtteil Eimsbüttel, in die Bundesstraße 80, I. Stock (1927–1935) – direkt neben dem 1923 eröffneten neuen Schulbau der Emilie-Wüstenfeld-Schule für Mädchen. Der Umzug bewirkte sicher eine Steigerung des Wohnkomforts und verwies auf den gestiegenen Wohlstand der Familie. Das Speisezimmer war möbliert mit großem Eichentisch, Kredenz mit Glasaufsatz, Glasvitrine, Standuhr mit Westminster-Gong und Teewagen, an der Wand hing ein Ölbild und auf dem Boden lagen zwei Perserteppiche. Im Herrenzimmer standen ein großer Eichenschreibtisch mit Tischuhr, Ledersessel und Ledersofa, Zeitungsständer, silberner Zigarrenkiste mit silbergerandetem Kristallaschenbecher und Schachspiel, außerdem ein eichener Bücherschrank mit rund 300 Büchern und eingebauter Bar in der Mitte, an der Wand hing eine Radierung von Max Liebermann. In der Büchersammlung befand sich unter anderem eine aus dem 17. Jahrhundert stammende Haggada, ein reich bebildertes Buch, aus dem am Pessach-Abend mit der Familie gelesen und gesungen wird. Den Korridor zierten Radierungen Hamburger Milieus sowie eine Eichentruhe mit Aufsatz und Zinngeschirr.

Nach drei Jahren NS-Herrschaft zog die Familie in den Stadtteil Harvestehude in die Klosterallee 29 (1936–1939), die Gründe für den Umzug sind unbekannt. Nach der Aufhebung des Mieterschutzes für Juden im Deutschen Reich am 30. April 1939 folgten häufig wechselnde Untermietverhältnisse, so ab Februar 1940 in der Husumer Straße 10/Hoheluft-Ost bei dem seit 1938 arbeitslosen Kaufmann Louis Braunschweiger (geboren 13. Juli 1877 in Altona) und dessen Ehefrau Jenny, geborene Dörnberg (geboren 30. Dezember 1876 in Vacha). Nach vier Monaten zogen die Nathans in die Isestraße 65 zu Willy J. Josias (geboren 1886 in Friedrichstadt) und dessen Ehefrau Rosa Josias, geborene Josias (geboren 1888 ebenfalls in Friedrichstadt). Ein halbes Jahr später lebten sie als Untermieter bei dem Handelsvertreter Leo Nachum (geboren 7. Juli 1875 in Hamburg) und seiner Ehefrau Eva Beim Andreasbrunnen 3 in Eppendorf, danach wohnten sie im Stadtteil Rotherbaum in der Schlüterstraße 63II bei Kaufmann Martin Seligmann. Zuletzt musste das Ehepaar Nathan in ein Zimmer des "Judenhauses" Rutschbahn 25a, Haus 2, (Rotherbaum) ziehen, das der "Minkel Salomon David Kalker-Stiftung für Freiwohnungen" gehörte. Dieser Gebäudekomplex umfasste vier Häuser mit je sechs Wohnungen à drei Zimmern; insgesamt 32 Hauptmieterinnen und -mieter lebten dort. Marcus und Henriette Nathan "wohnten (…) an der Rutschbahn ziemlich beengt und (…) auch noch mit verschiedenen Familien in einer Wohnung", erklärte ihre ehemalige Steuerberaterin Dora Seidel 1964 gegenüber dem Amt für Wiedergutmachung in Hamburg. Auch ihr früherer Vermieter Martin Seligmann (geboren 1872 in Segeberg) wurde in der Rutschbahn 25 einquartiert.

Marcus Nathan besaß ein eigenes Abzahlungsgeschäft "Marcus Nathan Möbel- u. Warenkredithaus" in der Mühlenstraße 38 (die Straße existiert heute in verkürzter Form als Gerstäckerstraße, ganz in der Nähe der Michaeliskirche). 1918 übernahm er von seinem Bruder Neumann Nathan die Herrengarderoben-Firma Robert Neben & Co. in der Kaiser-Wilhelm-Straße 115 (Hochparterre) in Neustadt-Nord. Nachdem Neumann Nathan seinen Uhren- und Goldgroßhandel N. Nathan & Co. 1926 an seinen Neffen Manfred Herz (geboren 25. November 1897 in Hamburg, s. "Stolpersteine in Hamburg-Eilbek" und www.stolpersteine-hamburg.de) übergeben hatte, beteiligte er sich 1927 an der mittlerweile in eine KG umgewandelten Firma Robert Neben & Co. mit 10.000 Reichsmark (RM) als Kommanditist. In dem Abzahlungsgeschäft für Herrentextilien und Schuhe, in dem sieben bis acht Angestellte arbeiteten, war auch Henriette Nathan als Prokuristin in Vollzeit tätig – ein Hausmädchen half ihr im Haushalt. Mit dem Geschäft erzielte Marcus ein monatliches Einkommen von rund 1500 RM und ermöglichte damit Frau und Sohn einen gehobenen Lebensstandard. Von seinen Geschwistern erhielt Marcus Nathan zu seinem 50. Geburtstag eine goldene Springkapseluhr Marke Schaffhausen. Die bereits erwähnte Bücherrevisorin/Steuerberaterin Dora Seidel dazu gegenüber dem Amt für Wiedergutmachung: "Ich selbst habe fast immer nur mit ihr verhandelt, weniger mit dem Ehemann, der seinerzeit auch schon im vorgerückten Alter stand. Ich hatte den Eindruck, dass die Ehefrau die Seele des Geschäftes gewesen ist."

Doch die antijüdischen Gesetze der NS-Machthaber entzogen Marcus und Henriette Nathan schrittweise ihre wirtschaftliche Grundlage. Dem staatlich initiierten Boykott jüdischer Geschäfte vom April 1933 folgten weitere Behinderungen und Schikanen, die "Reichskristallnacht" (9./10. November 1938) und schließlich die "Verordnung zur Ausschaltung von Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" vom 12. November 1938, die die Firmenauflösung zum 1. Januar 1939 bewirkte. Um zumindest eine korrekte Abwicklung des Geschäfts sicherzustellen, traf Marcus Nathan mit seiner Steuerberaterin Dora Seidel am 22. November 1938 eine notarielle Vereinbarung, wonach sie die Firma mit dem Ziel der Auflösung übernehmen sollte. Begründet wurde die vorzeitige Liquidierung mit der Krankheit des Firmeninhabers. Auslöser für diese Vereinbarung dürften wohl die Ausschreitungen des Pogroms am 9. und 10. November 1938 gewesen sein. Dokumentiert wurden in dem Vertrag auch die Werte der Firma wie 22.000 RM Warenvorräte und 37.000 RM Außenstände sowie Schulden über 32.000 RM. Mit dieser Vereinbarung versuchte Marcus Nathan, die Kapitalwerte seines Unternehmens abzusichern.

Dass es dem skrupellos agierenden NS-Regime nicht allein um die Firmenschließung ging, sondern auch um die Entziehung der in der Firma gebundenen Finanzmittel, musste Marcus Nathan fünf Wochen später feststellen. Trotz bestehender notarieller Vereinbarung beauftragte die NSDAP am 28. Dezember 1938 Kurt Schwartz als "Treuhänder", der die Abwicklung der Firma und die Zahlungen an den Inhaber durchführen sollte. Kurt Schwartz verkaufte am 3. Januar 1939 das Warenlager und das Inventar für 14.500 RM an Max Webers, seit 1920 Inhaber des gleichnamigen Teilabzahlungsgeschäfts, seit 1928 mit Geschäftsräumen in der Kaiser-Wilhelm-Straße 47 (1. Stock) und ab 1939 in den ehemaligen Geschäftsräumen von Neben & Co. ansässig. Dadurch war Max Webers (gestorben 1946) mehr Profiteur als "Ariseur", zumal die Firma Neben & Co. offiziell am 28. April 1941 im Handelsregister gelöscht wurde. Eine Klage führte in den 1960er-Jahren dazu, dass Max Webers Witwe einen Ausgleich von 8000 DM (so viel wie zuvor 40.000 RM) für die zu niedrig angesetzte Kaufsumme zahlen musste.

Bereits zum Zeitpunkt der notariellen Vereinbarung hatte Marcus Nathan bei dem zuständigen Finanzamt 18000 RM als Kapitalfluchtsteuer hinterlegen müssen. Nach der erzwungenen Geschäftsaufgabe zum 1. Januar 1939 lebten Henriette und er vom Ersparten. Der NS-Staat bereicherte sich auch an Silbersachen und Schmuckgegenständen der Familie Nathan, welche diese 1939 an staatliche Ankaufsstellen zu sehr niedrigen Preisen abgeben mussten (Schaden 14.500 RM, entsprechend 2900 DM). Auch seine Wohnungseinrichtung musste das Ehepaar nach dem bereits geschilderten Umzug in kleinere Wohnungen und zuletzt in das eine Zimmer im "Judenhaus" Rutschbahn 25a notgedrungen Stück für Stück verkaufen (Schaden 26.000 RM = 5200 DM). Außerdem wurde das Bankkonto auf Anordnung des Oberfinanzpräsidenten gesperrt und mittels einer "Judenvermögensabgabe" (Schaden 20.000 RM) und anderer antijüdischer Strafzahlungen systematisch geplündert. Mit der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 wurden schließlich am 10. Juli 1942 auch die letzten Kapitalwerte vom Girokonto und Wertpapierdepot eingezogen.

Ab dem 19. September 1941 waren Marcus und Henriette Nathan zum Tragen eines gelben "Judensterns" gezwungen; Ende Oktober 1941 begannen die systematischen Deportationen aus dem Deutschen Reich.

Die Eheleute Nathan, beide inzwischen 65 Jahre alt, hätten eigentlich ins "Altersgetto" Theresienstadt deportiert werden müssen, erhielten aber den Deportationsbefehl für den 11. Juli 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im besetzten Polen. Es ist anzunehmen, dass sie kurz nach der Ankunft mit Gas ermordet wurden. Es existieren keine Dokumente mehr zu diesem Transport, von dem keine Überlebenden bekannt sind. 1951 erklärte das Amtsgericht Hamburg Marcus und Henriette Nathan für tot "auf das Ende des Jahres 1945".

Der Sohn Gerhard Nathan hatte nach der jüdischen Realschule in Hamburg (1921–1931) eine kaufmännische Ausbildung bei der alteingesessenen Textilgroßhandlung Meyer Adolph Nathan (Inhaber Ernest S. Fränckel und Hans Wiener) am Alten Wall 72/74 absolviert (April 1931–Mai 1933), um später das väterliche Geschäft übernehmen zu können. Danach arbeitete er als Volontär beim Damenkonfektionshaus Wolf & Schlachter in Berlin (Mai 1933–November 1933) und der Weberei Fritz Cohen Tuchfabrik AG in Mönchengladbach (Dezember 1933–April 1934).

Aufgrund der mittlerweile etablierten NS-Diktatur und der zunehmenden antijüdischen Diskriminierungen riet der Vater zu einem Ingenieursstudium als Grundlage für eine spätere Auswanderung. Nach einem vorbereitenden Praktikum bei der Maschinenbaufirma Eumoco AG in Leverkusen (Juli 1934–Juni 1936) konnte Gerhard Nathan trotz erheblicher Schwierigkeiten am 16. Oktober 1936 an den Vereinigten Technischen Staatslehranstalten für Maschinen- u. Bergmaschinenwesen (Ingenieurschule) in Köln sein Studium beginnen. Er wohnte in Köln bei jüdischen Familien zur Untermiete in der Utrechtstraße 6 und später in der Maastrichterstraße 42. Unmittelbar vor seinem Abschlussexamen wurde er am 10. November 1938, einen Tag nach dem Novemberpogrom, von der Schule verwiesen. In der Kartei der Hochschule stand zur Begründung: "mußte als Nichtarier das Studium aufgeben".

Während Gerhard Nathan sich weiterhin um die Zulassung zur Prüfung bemühte und die Fürsprache einiger Lehrer erhielt (unter anderem von Dr. Eck), trieb er konsequent seine Emigration nach Palästina voran. Dorthin war bereits im September 1933 sein Cousin Waldemar Nathan (geboren 1900 in Stettin) über Triest emigriert. Waldemar Nathan war in Kiel promoviert worden und zuletzt als Arzt an der Universitätsklinik Frankfurt am Main tätig gewesen. Nach ein bis zwei Jahren Arbeit in einem Kibbuz hatte er eine Arztpraxis in Rechovoth eröffnet. In Rechovoth lebten auch Freunde von ihm wie Kurt Mendel (Sohn des Hamburger Wirtschaftssenators Max Mendel), Ludwig Oppenheimer (Sohn des Soziologen Franz Oppenheimer), Hans (Chanan) Oppenheimer (Cousin von Ludwig Oppenheimer) und Kurt Hiller. Im Februar 1939 reiste Gerhard Nathan mit einem Großteil des restlichen elterlichen Geldes und zwei Liftvans nach Palästina aus, wo er in einem Kibbuz arbeitete (März 1939–Dezember 1942) und anschließend freiberuflich als beratender Ingenieur in Rechovoth und Tel Aviv tätig war (1943–1954). Im Januar 1945 heiratete er in Palästina Anna Zollmann (geboren 3. August 1914 in Kiel). Sie war nach einer vorbereitenden einjährigen Landwirtschaftsausbildung in Jugoslawien im September 1936 nach Palästina emigriert und arbeitete in einem Kibbuz. Die Eheleute bekamen eine Tochter. 1954 starb Gerhard (Gershon) Nathan trotz mehrfacher Operationen im Alter von 39 Jahren an Nierenversagen.

Im Oktober 2006 wurden für Marcus und Henriette Nathan Stolpersteine am Grindelberg 66 verlegt. Da die Straße Klosterallee 29 durch den Bau der Grindelhochhäuser (1946–1956) aufgehoben worden war, wurde für die Stolpersteinverlegung die dort neu entstandene Straßenangabe und Nummerierung gewählt.

Für Marcus Nathans Schwester Helene Herz, geborene Nathan (geboren 1. Dezember 1870 in Hamburg) wurde in der Straße Kuhmühle 6 (Hohenfelde) ein Stolperstein verlegt. In Eilbek an der Wandsbeker Chaussee 62 erinnert ein Stolperstein an Manfred Herz.

Für Marcus Nathans Nichte Lilly Nathan (geboren 11. Juli 1900 in Hamburg), die am 1. Mai 1943 im Getto Theresienstadt starb, wurde in der Hochallee 128 ein Stolperstein verlegt.

Für das Ehepaar Louis und Jenny Braunschweiger, bei denen Marcus und Henriette Nathan vier Monate wohnten und die am 8. November 1941 ins Getto Minsk deportiert wurden, liegen Stolpersteine in der Husumer Straße 10. Mit diesem Transport wurde auch Henriette Nathans Schwester Selma Levy nach Minsk verschleppt; ihr Todesdatum ist unbekannt.

Stand: Juli 2017
© Björn Eggert

Quellen: StaH 213-13 Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Hamburg 8098, 8099 (Hypothek), 8100 (Wertpapiere), 8101 (Wohnungseinrichtung), 8102 (Edelmetall), 8140; StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht 1866-1875), A Nr. 35 (4230/1867, Geburt Joseph Nathan); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht 1866–1875), A Nr. 119 (6687/1871, Geburt Neumann Nathan); StaH 332-5 (Standesämter), 2562 u. 1493/1876 (Heiratsregister 1876, Marcus Levy u. Engelina Heymann); StaH 332-5 (Standesämter), 521 u. 1862/1903 (Sterberegister 1903, Recha Nathan geb. Joseph); StaH 332-5 (Standesämter), 3043 u. 755/ 1905 (Heiratsregister 1905, Marcus Nathan u. Henriette Levy); StaH 332-5 (Standesämter), 687 u. 19/1913 (Sterberegister 1913, Gerson Nathan); StaH 332-5 (Standesämter), 1009 u. 368/1933 (Sterberegister 1933, Julius Nathan); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Bd. 14 (Bürgerregister I-P 1899-1905), Neumann Nathan (25.1.1901, Nr. S 717); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Bd. 17 (Bürgerregister I–P 1906-1910), Marcus Nathan (7.4.1909, Nr. J II 403); StaH 332-8 (Alte Einwohnermeldekartei 1892–1925), K 6656 (Gerson Nathan), K 6508 (Marcus Levy); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 3292 (Marcus Nathan); StaH 351-11 (AfW), 40602 (Gerhard Nathan); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Marcus Nathan, Neumann Nathan; Landesamt für Bürger- u. Ordnungsfragen (Labo Berlin), Entschädigungsakte 313705 (Anna Nathan, geb. Zollmann); Yad Vashem, Gedenkblatt (Marcus Nathan mit Foto, Henriette Nathan mit Foto); Handelskammer Hamburg, Handelsregisterinformationen (Robert Neben & Co., HR A 8112; Meyer Adolph Nathan, HR A 6854); Ohlfest/Lilienthal (Hrsg.): Hamburger Börsenfirmen, 1926, S. 738 (Meyer Adolph Nathan), S. 738 (N. Nathan & Co., Inhaber Manfred Herz), S. 740 (Robert Neben & Co.); Ohlfest/Lilienthal (Hrsg.): Hamburger Börsenfirmen, 1935, S. 605 (Robert Neben & Co.); Adressbuch Hamburg 1867–1870, 1877, 1878, 1880, 1882, 1895, 1899, 1900, 1903, 1906, 1907, 1915, 1918–1920, 1922, 1925–1927, 1929, 1932, 1935–1937; Telefonbuch Hamburg 1914 (Marcus Nathan, Robert Neben & Co.); Adressbuch Berlin 1932 (Wolf & Schlachter); Cordes: Stolpersteine, S. 142f.; Hipp: Freie und Hansestadt, S. 199 (Wexstraße); Koser/Brunotte (Hrsg.): Stolpersteine Hamburg-Eppendorf, S. 119–121 (Braunschweiger); Mosel: Wegweiser Rotherbaum, Heft 3, Hamburg 1989, S. 73–76 (Rutschbahn 25a); Steinhäuser: Stolpersteine Hamburg-Hohenfelde, S.136–140 (Helene Herz geb. Nathan); genealogische Recherchen von Jürgen Sielemann zu Gerson Nathan und dessen Kindern (Privatbesitz); Aufzeichnungen von Waldemar Nathan zu Julius u. Ida Nathan, 1970er-Jahre (Privatbesitz); Gespräch mit Michael K. Nathan (Hamburg), Mai 2016.

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