Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Alfred Kästel in Waren (Müritz), um 1941
© Staatsarchiv Hamburg

Alfred Kästel * 1879

Herrenweide 13 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


HIER WOHNTE
ALFRED KÄSTEL
JG. 1879
MEHRMALS VERHAFTET
KZ NEUENGAMME
ERMORDET 5.11.1944

Alfred Emil Kästel, geb. 18.5.1879, inhaftiert 1925, 1939 und 1942, gestorben am 5.11.1944 im KZ Neuengamme

Stolpersteine: Herrenweide 13 und in der Richthofenstraße 9 in Waren (Müritz)

Kurze Zeit nachdem Alfred Kästel eine Gefängnisstrafe wegen "fortgesetzter Unzucht mit Männern" nach § 175 RStGB verbüßt hatte, wurde er im November 1939 vom Arbeitsamt Hamburg als "Pflichtarbeiter" zur Mecklenburgischen Metallwarenfabrik m.b.H. Waren (Memefa) geschickt. Hier arbeitete er als Hilfswalzer bis zu seiner erneuten Festnahme am 16. April 1942.

Alfred Kästel, Jg. 1879, wuchs mit 12 Geschwistern in Flensburg auf. Nach der Volksschule ergriff er den Gärtnerberuf. Von 1908 bis zum Konkurs im Jahre 1925 war er Inhaber eines Papier- und Schreibwarengeschäfts in Flensburg. Später zog er nach Altona, wo er bis 1932 ein Blumengeschäft betrieb. Vor seinem Prozess im November 1939 hatte er sich schon zweimal wegen homosexueller Handlungen vor Gericht verantworten müssen: 1925 und 1938.

1942 wurde er wegen eines Sexualkontakts mit seinem Freund Robert Müller angeklagt, der vier Jahre zurücklag und bei seinem Prozess im Jahr 1939 unberücksichtigt geblieben war. Außerdem konnte ihm ein neues Vergehen nach § 175 RStGB nachgewiesen werden.
Aus der Anklageschrift der Oberstaatsanwaltschaft, 31. Juli 1942:

"… auf Grund der Vorstrafakten und der eigenen Angaben des Beschuldigten ist festzustellen, dass er ein unverbesserlicher Homosexueller ist, der aus eigener Kraft seinen Trieb nie wird bekämpfen können. Das Richtige wäre, er liesse sich freiwillig entmannen. Solange aber eine derartige Massnahme noch nicht durchgeführt ist, erscheint es angebracht, ihn zunächst in Sicherungsverwahrung zu nehmen, um die Oeffentlichkeit vor ihm zu schützen."

"Lieber Robert, mit Franz schreib ich mich fleißig habe schon fünf Briefe erhalten ich glaube wir lieben uns schriftlich und vielleicht später tätlich, er schrieb mir unter Anderm, daß er bei Dir gewesen sei, und hättest ihm gegenüber meinen innersten Wunsch ausgesprochen er schreibt mir ihn nicht und verschiebt es auf persönliches Zusammentreffen, kannst Du mir Mitteilung machen?" (aus dem Brief von Alfred Kästel an Robert Müller vom 22. Februar 1942. Die Unterstreichungen stammen von der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft Hamburg).

Am 2. Oktober 1942 verurteilte das Landgericht Hamburg Alfred Kästel wegen "widernatürlicher Unzucht in zwei Fällen" zu zwei Jahren Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Er hatte sich "gemäß § 175 StGB schuldig gemacht ..., und zwar als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher, dessen Sicherungsverwahrung geboten erscheint."

Die Strafe verbüßte er im Männergefängnis Fuhlsbüttel. Das Gnadengesuch seines Bruders Oskar Kästel vom 16. September 1943 blieb erfolglos. Nach der Entlassung am 16. Mai 1944 wurde Alfred Kästel der Kripo Hamburg "zur Verfügung gestellt". Vermutlich im Juli 1944 erfolgte seine Verbringung in das KZ Neuengamme, wo er unter der Häftlingsnummer 35993 geführt wurde. Am 5. November 1944 ist er unter der Klassifizierung "Homo" ins Totenbuch eingetragen worden. Sein Freund Robert Müller überlebte das NS-Regime.

© Bernhard Rosenkranz/Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 4457/42 und 6410/42; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 13 und 16; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, 2009, S. 86f., 223.

druckansicht  / Seitenanfang