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Bereits verlegte Stolpersteine



Lissi, Käthe und Margarete Kaufmann, 1932
© Privatbesitz

Käthe Kaufmann * 1902

Bendixensweg 11 (Hamburg-Nord, Barmbek-Nord)

1942 Auschwitz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Bendixensweg 11:
Jacob Kaufmann, Franziska Kaufmann, Margarethe Meyer

Jacob Kaufmann, geb. 23.4.1870, deportiert nach Theresienstadt am 19.7.1942, dort am 8.2.1943 gestorben
Franziska Kaufmann, geb. Cohn, geb. 27.6.1872 in Hamburg, verstorben am 23.7.1942 in Hamburg
Gertrud Silberberg, geb. Kaufmann, geb. 21.5.1898, deportiert am 17.3.1943 nach Auschwitz
Käthe Selma Kaufmann, geb. 18.1.1902, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz
Margarete Meyer, geb. Kaufmann, geb. 15.10.1905, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz

Bendixensweg 11

Jacob Kaufmanns Eltern Moses Kaufmann und Gertrud, geb. Stock, lebten in Sürth bei Köln. Hier wurde er am 23. April 1870 geboren und wuchs als jüngster Sohn mit sechs Ge­schwis­tern auf. Die Eltern hatten gehofft, dass er Interesse für den Viehhandel entwickeln würde, doch Jacobs Interesse ging schon früh in andere Richtungen, er schloss sich einem Zirkus an und gelangte so nach Hamburg.

Franziska Kaufmann, geb. Cohn, kam am 27. Juni 1872 in Hamburg zur Welt und hatte acht Geschwister. Ihre Eltern waren Catharina, geb. Brose, und Abraham Joachim Cohn. Der Vater kam aus einer jüdischen Familie, während die Mutter evangelisch getauft und zum jü­dischen Glauben übergetreten war. Großvater Johann Brose, ein Bildhauer, war einst aus Tarnow/Galizien nach Norddeutschland gekommen.

Jacob und Franziska lernten sich in Hamburg kennen, die Trauung fand am 3. Juni 1897 im Standesamt Rotherbaum statt. Die beiden bekamen vier Töchter: Gertrud, Käthe, Lissi und Margarete, die alle zeitlebens sehr an der Mutter hingen. 1912 wohnte die Familie – laut Hamburger Adressbuch – in der Karolinenstraße 24, sodass die Schwestern einen kurzen Weg zur Israelitischen Töchterschule auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatten. Spä­ter besuchten sie ein Lyzeum. Die Bildung der Töchter war der Mutter ein wichtiges An­liegen, auch war es für sie selbstverständlich, dass alle schließlich einen Beruf erlernten, um sich selbst versorgen zu können.

Vater Jacob, dem Theater und Schauspiel weiter verbunden, war unter anderem als Bühnen­arbeiter und -techniker tätig. Im Ersten Weltkrieg wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und war stolz auf seine Auszeichnung, ein Eisernes Kreuz. Seine Einstellung oder Haltung, so schilderte es die einzig überlebende Tochter Lissi Jahrzehnte später, war patriotisch und ging in die sozialdemokratische Richtung.

Bis 1926 wohnte die Familie in der Gneisenaustraße im Stadtteil Hoheluft in einer 5½-Zim­mer-Wohnung und zog dann, wohl aus finanziellen Gründen, nach Barmbek Nord in eine 3-Zimmer-Neubauwohnung in der Straße Heidhörn/Ecke Steilshooper Straße. Die älteste Toch­ter Gertrud heiratete am 8. Juni 1926 in Hamburg Siegfried Silberberg, geboren am 14. Juni 1895 in Wandsbek. Das Ehepaar Gertrud und Siegfried Silberberg zog 1932 nach Berlin, wo Siegfried eine Tätigkeit als Buchhalter annahm.

Die beiden adoptierten einen Sohn, Peter, geb. Binner, geboren am 3. Juni 1936 in Berlin. Seine Mutter Käthe Binner trug später den Namen Klein. Familie Silberberg wohnte bis 1934 in der Storkower Straße 18, danach Brun­nenstraße 40; ab 1939 gibt das Berliner Adressbuch über sie keine Auskunft mehr. Nach einem Schreiben des Internationalen Suchdienstes in Bad Arolsen wohnten sie möglicherwei­se zuletzt in der Rosenstraße 14.

Die noch zu Hause lebenden Töchter Käthe, Lissi und Margarete schienen zunächst nicht sehr be­geistert von dem Umzug, sollten sie sich doch als inzwischen berufstätige junge Frau­en ein Zim­mer teilen. Liebevoll eingerichtet von der Mutter, fand es schließlich doch ihre Zustimmung, wobei das gute Verhältnis zu den Eltern die Ent­schei­dung erleichterte. Trotz eigener kleiner Einkünfte dürfte das Geld für eine größere Wohnung nicht gereicht haben.

Franziska Kaufmann, die als sehr kinderlieb galt, zog für einige Jahre auch ein Pflegekind auf, nach­dem ihre Töchter selbstständig und erwachsen geworden waren. Mutter des Kindes war eine Freundin ihrer Töchter.

Tochter Margarete ging zwischen 1931 und 1933 eine kurze Ehe ein, die geschieden wurde, nachdem sich die SA-Mitgliedschaft ihres Mannes herausgestellt hatte. Sie zog anschließend wieder zu den Eltern. Tochter Lissi heiratete 1930 ihren christlichen Mann Franz Acker und lebte ebenfalls überwiegend in Barmbek, in der Nähe der Eltern und Schwestern.

Die Familie unterhielt gute soziale, nachbarschaftliche Kontakte. So engagierte sich Jacob Kauf­mann unter anderem für die Gründung eines Schrebergartenvereins an der Otto-Speck­ter-Straße, woran sich viele Familien aus der Nachbarschaft beteiligten. Hier konnte nicht nur freie Zeit im Grünen verbracht werden, der Anbau von Nutzpflanzen war für die oft geringen Haus­halts­einkommen gleichzeitig ein Beitrag zum Lebens­un­ter­halt. Ab 1935 jedoch wurden Juden, auch Familie Kaufmann, aus ihren Schrebergärten vertrieben.

Jacob Kaufmanns damalige Arbeit beim Hamburger Stadttheater (heute Staatsoper) fand 1935 ebenfalls aus rassischen Gründen ein abruptes Ende. Als Leiter der Werkstätten hatte man ihn nach 15-jähriger Mit­arbeit entlassen. Daraufhin fand er eine Beschäf­ti­gung beim Jüdischen Kulturbund Ham­burg, wo er bis Ende 1937 im Theater am Besen­binderhof für die technische Bühneneinrichtung zu­ständig war. Doch der Verdienst war gering, der Kul­turbund war auf die Beiträge seiner Mitglieder an­gewiesen und hatte etliche andere vom Berufs­verbot betroffene jüdische Künstler und Mitarbeiter angestellt, um ihnen Arbeit und eine Existenz­grund­lage zu verschaffen. Die schwierige Wirtschaftslage zwang die Kauf­manns, sich an die Jüdische Wohl­fahrt zu wenden und vorübergehend Unterhalt zu be­an­tra­gen. Hinzu kam eine Anklage gegen Jacob wegen Be­truges, weil unregelmäßige Einkünfte aus Neben­tätigkeiten als Kassierer auf Veranstaltungen angeblich nicht ausreichend angegeben worden wa­ren. Die Strafe war ein dreimonatiger Gefäng­nis­auf­ent­halt, wo­bei unklar ist, ob er sie antreten musste.

Jacob und Franziska Kaufmann sowie beide noch bei ihnen lebenden Töchter Käthe und Mar­garete wech­selten in den folgenden Jahren im Stadtteil einige Male die Wohnungen, aus Geldmangel und we­gen zunehmender Feindseligkeiten in der Nach­bar­schaft. Sie wohnten, wie vorübergehend auch Lissis Familie, im Lambrechtsweg, bis sie aufgrund von De­nun­ziationen auch hier nicht bleiben konnten. Im Ben­dixensweg 11 fanden sie 1938 schließlich noch eine äußerst beengte Wohnung.

Am 30. November 1938 erhielten sie durch einen Boten des Gerichtsvollzieheramts eine Kün­di­gung der Wohnung zum 1. Januar 1939. Margarete Kaufmann, bis dahin die Haupt­ver­dienerin der Familie, hatte gerade ihre Anstellung verloren. Sofort nahm sie telefonisch Kon­takt zur Hausverwalterfirma Adalbert Hansen in der Mönckebergstraße auf und erfuhr vom Brief eines Anwohners des Hauses Bendixensweg 11. Hierin wurde mitgeteilt, dass die Haus­gemeinschaft sich gegen das Zusammenwohnen mit Juden aussprach, deren Verbleib aber billigen wollte, wenn den übrigen Mietern eine Mietermäßigung zugestanden würde.

Die Haus­verwaltung entschied sich für eine Kündigung. Im Telefongespräch räumte man Familie Kaufmann eine Frist bis Ende Februar ein, doch angesichts der angespannten finanziellen Lage bot Margarete Kaufmann einen Auszug zu einem früheren Termin an. Bereits zum 10.Ja­nuar 1939 sollte die Wohnung zur Verfügung stehen, es gab eine telefonische Verabredung, auf die Januarmiete die mit 16 RM vorausbezahlte Gasuhr und die beim Einzug wenige Monate zuvor gänzlich renovierte Wohnung anzurechnen. Die mündliche Zusage am Telefon wurde jedoch nicht eingehalten, sodass ein Gerichtsverfahren folgte.

Der Grundeigentümer Adal­bert Hansen, An der Alster 3, verklagte Jacob Kaufmann und dessen Ehefrau wegen nicht ge­zahlter Miete für den Monat Januar. Am 17. Mai 1939 erging das Urteil und Familie Kauf­mann wurde schuldig gesprochen. Strafe: 44 RM und 4 Prozent Zinsen, zahlbar an Adalbert Hansen. Ein damals hoher Betrag, der nur in kleinen Raten abgezahlt werden konnte.

Familie Kaufmann wohnte nun in einer jüdischen Stiftswohnung in der Bogenstraße 25, wo Jacob eine Tätigkeit als Hausverwalter übernehmen konnte. Nach Beschlagnahmung dieses Hau­­ses durch die Gestapo folgte als letzter unfreiwilliger Wohnsitz eine Unterkunft in einem "Ju­denhaus" in der ehemaligen Schlachterstraße 46/47, Neustadt (nahe der Michaeliskirche).

Mutter Franziska war bereits seit längerem krank und wurde von Tochter Käthe gepflegt. Mit Käthes eigener Gesundheit stand es auch nicht gut, sie kränkelte häufiger und war sehr kurzsichtig. Margarete trug durch ihre Berufstätigkeit weitgehend zum Familienunterhalt bei. Es ist anzunehmen, dass beide aus Rücksicht auf die kranke Mutter davon abgesehen hatten, Fluchtmöglichkeiten wahrzunehmen. Eine hätte zu Bekannten nach Palästina auswandern, die andere den Heiratsantrag eines amerikanischen Freundes annehmen können.

Wie groß die Bedrohung wirklich war, hat auch Familie Kaufmann sich offenbar bis kurz vor dem Ende nicht vorstellen können. Laut Tochter Lissi hatte die Mutter zu kursierenden Ge­rüch­ten gesagt, "so etwas gibt es nicht, das kann kein Mensch tun!". Als der Depor­ta­tions­befehl für die Töchter kam, wollte man immer noch an ein "Arbeitslager" glauben, Jacob kaufte Over­alls und eine gut gefüllte Werkzeugkiste, damit sie in der Lage wären, sich zur Not eine Hütte zu bauen. Die Deportation der Töchter Käthe und Margarete nach Ausch­witz fand am 11. Juli 1942 statt. Ihre Schwester Gertrud mit Ehemann Siegfried und dem gemeinsamen 5-jäh­rigen Sohn Peter Silberberg wurden am 12. März 1943 von Berlin aus durch die Ge­stapo mit dem 36. Osttransport nach Auschwitz "evakuiert". Alle fanden dort den Tod.

Wusste Jacob Kaufmann, was ihn erwartete? Er wurde am 17. Juli 1942 von seiner kranken Frau getrennt und eine Woche nach Abtransport der Töchter nach Theresienstadt deportiert, wo er im Gebäude Q 418 unterkam und nach Aussagen Überlebender dem Hungertyphus er­legen sein soll. In der vorhandenen Todesfallanzeige vom 8. Februar 1943 wurde offiziell an­­gegeben, es habe sich um eine Sepsis/Blutvergiftung gehandelt mit Todesursache Myo­dege­neratio Gordis/Herzmuskelentartung.

Seine Frau Franziska Kaufmann blieb in Hamburg zurück, nachdem sie zuvor nach einem Schlaganfall ins Israelitische Krankenhaus in der Schäferkampsallee eingewiesen worden war. Tochter Lissi durfte sie nicht zu sich nehmen und berichtete später vom qualvollen Tod ihrer Mutter, die immer nur laut nach ihren Kindern und dem Ehemann gerufen habe. Vielleicht ahnte sie, was ihren Angehörigen widerfahren würde? Sie starb am 23. Juli 1942, zwei Wochen nach der Deportation ihrer Töchter und eine Woche nach dem Abtransport ihres Ehemannes. In der Sterbeurkunde war als Todesursache ein weiterer Schlaganfall vermerkt.

Die einzige überlebende Tochter von Jacob und Franziska Kaufmann war Lissi, verheiratet mit Franz Acker, deren Schicksal in diesem Buch gesondert nachzulesen ist.

Ja­cob Kaufmann wird noch seinem verwitweten Bruder Samuel Kaufmann, geb. am 31. Juli 1868 in Sürth, begegnet sein, dessen Transport nach Theresienstadt am 1. September 1942 stattfand. Beide kamen dort um. Ihre jüngste Schwester Adelheid, verh. Wolff, geb. am 22. Juni 1871 in Sürth, und ihr Ehemann Alexander Wolff wurden in Minsk ermordet. Die Schick­sale zweier weiterer Brüder und zweier Schwestern so­wie der Geschwister von Fran­ziska Kaufmann sind noch unbekannt.

© Eva Acker/Erika Draeger

Quellen: 1; 3; 4; 5; 8; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 25.04.04 Acker, Lissi; StaH, 621-1/85, 71, Konsulentenakte; Interview mit Lissi Acker, Dez. 1990, Geschichtswerkstatt Barmbek; Private Familienunterlagen; Wamser/ Weinke: Eine verschwundene Welt, S. 236; IGDJ: Das Jüdische Hamburg, S.131, S.144; Meyer: Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden, S. 29, S. 51, S. 68ff, S. 206.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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