Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Henny Hoffmann (geborene Goldscheider) * 1889

Brahmsallee 6 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Minsk
ermordet

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 6:
Julius Behrend, Minka Behrend, Bertha Gansel, Martha Hess, Siegfried Hess, Max Hoffmann, Oswald Pander, James Hermann Schwabe

Max Hoffmann, geb. am 6.10.1885 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, ermordet
Henny (Hemi) Hoffmann, geb. Goldscheider, geb. am 3.8.1889, deportiert am 8.11.1941 in das Getto Minsk, ermordet

Brahmsallee 6

Louis Hoffmann, geb. 1850 in Hamburg, und seine Frau Johanna, geb. Magnus, hatten drei Söhne: Gustav, Max und Hans. Die Familie wohnte in der Gneisenaustraße 43. Louis arbeitete als Handelsvertreter, er starb 1927 im Alter von 77 Jahren.

Die Brüder Max und Hans wurden Händler und Vertreter wie ihr Vater. Der Älteste, Gustav, studierte Medizin und wurde Arzt in Hamm.

Max Hoffmann, der Mittlere der drei Brüder, heiratete Henny Hemi Goldscheider, geb. 3.8. 1889 in Hamburg. Sie wohnten in einer großzügig geschnittenen Wohnung in der Brahmsallee 6 im 1. Stock. Die Ehe blieb kinderlos. Mit der Durchsetzung der Verbote selbstständiger Handelsvertretung für Juden verlor Max seine Existenzgrundlage. Eine Notlösung war, Untermieter in die Achtzimmerwohnung aufzunehmen, zudem arbeitete Henny Hoffmann als "Morgenfrau", also Putzfrau.

Max Hoffmann wurde im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom für einige Tage im KZ Sachsenhausen inhaftiert und kam am 17. Dezember 1938 wieder frei. Henny war während der folgenden Jahre zudem hilfreiche Anlaufstelle für ihren Bruder Hugo Goldscheider aus Altona, der infolge von Arbeitslosigkeit und Krankheit völlig verarmt war. Er verbrachte laut Fürsorgebericht seine Tage bei seiner Schwester, als er sich finanziell nur noch eine Schlafstelle leisten konnte, die er morgens verlassen musste.

Max und Henny Hoffmann wurden von Hamburg aus am 8. November 1941 in das Getto Minsk deportiert, wo sie zu Tode kamen.

Hennys Bruder Hugo Goldscheider wurde kurz darauf am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Er starb in Riga-Jungfernhof, wohin die Hamburger Deportierten gebracht worden waren.

Max’ Bruder Gustav Hoffmann (www.stolpersteine-hamburg.de) und seine Frau konnten ihre beiden Kinder nach Palästina auswandern lassen, blieben selbst aber in Hamburg. Nachdem sie sich schließlich doch noch zur Auswanderung entschlossen hatten, kamen sie am 19. September 1940 in den deutschen Bombenangriffen auf London ums Leben. Die beiden Kinder Kurt und Hilda überlebten (vgl. den Band "Stolpersteine in Hamburg-Hohenfelde").

Der jüngste der drei Brüder, Hans Hoffmann, geb. am 22.9.1892, und seine Frau Frieda Johanna, geb. Charig, geb. am 28.11.1899 in Schneidemühl, lebten ebenfalls in Hamburg. Hans arbeitete als selbstständiger Handelsvertreter. Hans und Frieda hatten zwei Söhne: Gerhard, geb. am 9.2.1923, und Walter, geb. am 25.4.1930. Hans Hoffmann vertrat die Kohlefirma "Vidal". Die Familie lebte in einer gutbürgerlich eingerichteten 4-Zimmer-Wohnung in der Rappstraße 13, II Stock. Ab 1935 handelte er mit Textilwaren und versuchte, Büchermappen zu verleihen. Auch ein Zimmer wurde untervermietet. Er verfügte kaum noch über Einkünfte und war auf Wohlfahrtsunterstützung und Hilfe von der Jüdischen Gemeinde angewiesen. Hans Hoffmann schrieb nach einem Hausbesuch durch eine Bedienstete der Wohlfahrtsbehörde (28. Februar 1935): "Ich bitte die Oberste Wohlfahrtsbehörde sich meiner Sache anzunehmen. Mir ist heute von der Wohlfahrtsstelle XIII 16 M Unterstützung die Woche zugebilligt mit Frau und & 2 Kindern. Mein Antrag läuft seit dem 5. Febr. und habe ich außerdem eine Zahlung von 5 und 10 M erhalten. Seit 1. d. Mts. bin ich Miete rückständig, ebenfalls bin ich durch Hinziehung des Unterstützungsantrages in Schulden geraten. Die Wohlf. St. XIII setzt mich der Gefahr aus, mit meiner Familie auf die Straße gesetzt zu werden, da ich von 16 M pro Woche keine Miete bezahlen kann, sondern den Betrag zum Lebensunterhalt benötige. Nach den Worten des Führers heißt es: ,Keiner soll hungern und frieren.‘ Aber mit der mir zugebilligten Unterstützung von M 16 die Woche versetzt mich die Wohlf. St. XIII in die Zwangslage zu hungern und zu frieren, wenn ich hiervon nur einen Teil zu meiner Miete zulegen müsste. Nach vielem Hin- und Herlaufen von mir und meiner Frau zu verschiedenen Stellen ist mir heute obiger Betrag (16 M) bewilligt worden mit der Bemerkung: Mein Fall wäre nicht klar.

Ich als Frontkämpfer und langjähriger Steuerzahler verstehe nicht, warum man mir heute, wo ich in Not geraten bin, ein solches Misstrauen entgegenbringt. Nach den vielen Schwierigkeiten, die mir gemacht werden, empfinde ich meinen Antrag auf Unterstützung schlimmer als Bettelei. Ich bitte höflichst die Oberwohlfahrtsbehörde sich meiner Sache anzunehmen. Ich danke Ihnen im Voraus und zeichne hochachtungsvoll Hans Hoffmann, Hamburg 13, Rappstr. 13." Erfolg hatte das Schreiben offensichtlich nicht. Später versuchte Hans Hoffmann mit "Straßenhandel" den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen.

Hans’ älterer Sohn Gerhard (Gerschon) Hoffmann, der die Talmud Tora Oberrealschule bis 1939 besucht hatte, musste eine Grafikerausbildung nach einem halben Jahr abbrechen: "Nach Ausbruch des Krieges 1939 musste ich bei der Wehrmacht als Maler in einem Militärmagazin für Gasabwehrgeräte arbeiten."

Am 8. November 1941 wurden Hans und Frieda-Johanna Hoffmann mit den Söhnen Gerhard und Walter nach Minsk deportiert, ebenso wie Max Hoffmann und seine Frau. Gerhard überlebte als einziger, so konnte er später bezeugen: "Viele starben an Hunger und Kälte. So mein Onkel Max, der Bruder meines Vaters und seine Frau. Ich war bei ihrem Tode. Sie waren vollständig entkräftet, verschmutzt und verlaust. Es war ein schreckliches Bild." Gerhard schrieb dies am 22. Oktober 1945 in einem Brief an einen Freund der Familie. Er schilderte die Jahre seit der Deportation bis zur Befreiung, beginnend mit der Familie im Getto Minsk: "Vielleicht kannst Du Dir vorstellen, was wir seelisch gelitten haben. Die Verhältnisse lagen ungefähr so: wenn jemand abgeholt wurde (warum wurde niemals mitgeteilt) so folgt automatisch ein paar Stunden später die gesamte Familie …" Er ging auch auf die Situation seines Vaters ein: "Pappa war als Maler bei der Heeresortskommandantur untergekommen. Ein erträgliches Kommando, hatte aber nicht die Gelegenheit abends etwas Essbares für Mutti und Walter mitzubringen. So war ich der Ernährer der Familie." Er hatte eine kurze Ausbildung in Reklame- und Plakatzeichnen und deshalb das Glück, einen Posten als Reklamezeichner im Hauptverpflegungsmagazin Ost zu bekommen. Der Vater kam nicht lebend zurück nach einer Aktion des SD, zu der er eingeteilt war und "mit seinem deutschen Pflichtbewusstsein wieder pünktlich um drei antrat", nachdem er sich von seiner Familie verabschiedet hatte. Er wurde nach der Aktion im Juli 1942 durch den SD ermordet.

Die Mutter und ihre Söhne blieben, so Gerhard, bis zum 10. September 1943 im Getto Minsk. Gerhard bezeugte: "Mutti und Walter verschafften sich dann auch ganz gute Arbeit (bei einer Bekleidungskammer der Organisation Todt) und konnten so auch zum notwendigsten Lebensunterhalt beitragen." Dann kam Gerhard in ein Auffanglager zum Abtransport, konnte aber vorher noch Mutter und Bruder nachkommen lassen und 14 Tage mit ihnen zusammen leben. "Dann hieß es wieder ‚alle ledigen Männer heraustreten‘. Man sagte, wir gingen auf Transport. Die Frauen und Kinder würden ein paar Tage später nachkommen. Wir glaubten. Ich habe sie nie wieder gesehen. Soweit ermittelt werden konnte, gingen sie alle nach Auschwitz und wurden dort vergast."

"Nun folgte eine Zeit, die noch weit schlimmer war als unser Gettoleben. Wir wurden von einem Lager ins andere gestoßen. Arbeitslager–KZ, KZ–Arbeitslager. Hunger, Krankheit, Seuchen, Schläge, Erschießungen, Vergasungen und andere Brutalitäten. Ich ging durch die Lager Lublin, Arbeitslager Budzin, am 11.9.1943 KZ Budzin, Arbeitslager Milec, K.Z. Milec, K.Z. Wjetletschka, K.Z. Flossenbürg und K.Z. Hersbrock. Auf Transport im Winter in offenen Viehwagons zu 100 Mann oder zu Fuss." D.h. er blieb bis Mai 1944 im KZ Budzin, nach seinen Angaben dann bis Anfang August 1944 in Militz und vom 5. August 1944 bis zum 16. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg. Dort arbeitete er als Zeichner u.a. für die Heinkel Flugzeugwerke und die Flugzeugwerke Messerschmitt. "Am 16.4.1945 wurde ich nach Dachau transportiert und auf dem Wege dorthin wurde ich am 23.4.1945 befreit."

Drei Enkel Louis Hoffmanns überlebten in Palästina: Gerhard, Sohn von Hans, und Kurt und Hilda, Kinder von Gustav. Gerhard Hoffmann beteiligte sich an der Gründung eines Kibbuz. Er heiratete 1961 eine deutsch-jüdische Amerikanerin und bekam eine Tochter, Yonit. Nachdem er plötzlich 1964 an einem Herzinfarkt verstarb, kehrte seine Frau mit der zweieinhalbjährigen Tochter zu ihrer Familie nach Detroit zurück. Yonit Hoffman begann als Studentin, nach Spuren ihres Vaters zu suchen. Nachdem sie in Israel und an den Orten, an denen ihr Vater gelebt und gelitten hatte, recherchierte, besuchte sie 2014 auch Hamburg.

An Max und Henny Hoffmann wird in der Brahmsallee 6 mit Stolpersteinen erinnert. Für Gustav Hoffmann und seine Frau wird in Hohenfelde ein Stolperstein verlegt. An Hans Hoffmann, seine Frau und Sohn Walter wird in der Rappstraße 13 erinnert, an Hugo Goldscheider (www.stolpersteine-hamburg.de und Stolpersteine in Hamburg-Altona, Neuauflage 2015).

Stand: September 2016
© Ulrike Martiny Schüddekopf

Quellen: 1: 2; 4; 5; StaH 351-14_1294 Arbeits- und Sozialfürsorge (Max Hoffmann); StaH 522-1992 e 2 (Deportationsverzeichnis der jüdischen Gemeinde von Hamburg nach Minsk, am 8.11.1941 (Max und Henny Hoffmann); Kultussteuerkarten 1921-1941 (Aussiedlungsvermerk v. 6.11.1941); StaH 332-8_B 2440 Hausmeldekartei Brahmsallee 6 (Max und Henny Hoffmann). Deportationsverzeichnis der jüdischen Gemeinde von Hamburg nach Minsk: (Frieda, geb. Charig, Hans, Walter und Gerhard Hoffmann am 8.11. 1941); StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992b, Kultussteuerkarte v. 1921–1941 (Aussiedlungsvermerk v. 8.11.1941); StaH 351-11_14393 (Hans Hoffmann); StaH 351-11_22831 (Frieda Johanna Hoffmann); StaH 351-11_45813 (Gerhard Hoffmann ); FZH/WdE, Dr. Yonit Hoffman, 2014: http://jcfs.org/blog/highlights-from-hamburg-a-delicate-balance; Monika Liebscher (1.12.2015); Jan Svimbersky (27.1.2016), Brief von Gerhard Hoffmann an Herbert Mosbach, v. 22.10.1945.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang