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Eveline Waschinsky * 1898

Zesenstraße 11 (Hamburg-Nord, Winterhude)

1943 Theresienstadt
1943 Auschwitz ermordet

Weitere Stolpersteine in Zesenstraße 11:
Melanie Peters

Eveline Waschinsky, geb. 22.7.1898 in Wien, deportiert am 23.6.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 6.9.1943 nach Auschwitz, dort ermordet
Melanie Peters, geb. Waschinsky, geb. 28.4.1900 in Wien, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz und dort ermordet

Zesenstraße 11 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Eveline und Melanie Waschinsky waren zwei von acht Geschwistern aus einer Wiener jüdischen Familie. Der 1868 geborene Vater Sigmund Waschinsky übte den Beruf des Friseurs aus und stammte aus Galizien. Er heiratete die ein Jahr jüngere Hanni Hermine Landau, die in Wien geboren war. Viele Kinder des Ehepaares waren künstlerisch oder artistisch begabt: zum Beispiel die 1901 geborene Gerda, die, angeregt durch ihren Ehemann, den Kabarettisten und Literaten Rudolf Weys, Schauspielerin und Autorin wurde, oder die Artistin und Ballettmeisterin Stella Waschinsky, geboren 1894.

Auch Melanie und Eveline Waschinsky waren Artistinnen. Sie sind vermutlich in den 1920er Jahren nach Hamburg gekommen, der Grund könnte die Heirat Melanies mit dem evangelischen Autohändler Eggert Nikolaus Peters gewesen sein. Die Ehe blieb kinderlos. Das Ehepaar lebte am Schrötteringksweg 10 in Barmbek-Uhlenhorst, auch Eveline Waschinsky wohnte zeitweilig bei ihnen. Letzterer gehörte ein Geschäft für "Gelegenheitskäufe" am Schulterblatt 86. Ob dies identisch mit dem Juweliergeschäft ist, das nach Auskunft der Familie von beiden Schwestern betrieben wurde, bleibt unklar. Auch Eggert Peters wird im Adressbuch von 1933 als Juwelier bezeichnet.

1927 wurde Eveline Mutter einer Tochter, deren Vater Eggert Peters war. Das Kind wurde einer protestantischen Familie zur Adoption übergeben und wuchs in Hamburg-Rahlstedt auf. Auch wenn sich Eveline Waschinsky nicht in der Lage sah, ihre Tochter Ingrid selbst aufzuziehen, blieb sie doch im Hintergrund präsent: Gemeinsam mit dem Vater finanzierte sie den Besuch einer Privatschule und kaufte auch ein Haus, das Ingrid später erben sollte. Ab und zu besuchte sie ihre Tochter, die sie als "Tante Eveline" kannte. Jeder Besuch wurde vorher, meistens per Postkarte, angekündigt, und sie bat stets darum, mit Ingrid und der Adoptivmutter allein sein zu dürfen. Die Tochter erinnert sich an sie als eine kleine zierliche Person, die immer sehr freundlich zu ihr war. Auch Melanie Peters und ihr Mann nahmen gelegentlich an den Besuchen teil.

Die "Mischehe" von Melanie und Eggert Peters hielt dem vielfältigen Druck nach der nationalsozialistischen Machtübernahme nicht stand und wurde nach 1933 geschieden. Eggert Peters starb etwa 1940. Die beiden Schwestern zogen zunächst ins Grindelviertel: Melanie lebte zeitweilig in der Grindelallee 25, Eveline wohnte in der Hochallee 12.

In den 1930er Jahren kamen kurzzeitig auch noch weitere Geschwister der Waschinsky-Familie nach Hamburg, für sie war die Stadt Durchgangsstation für die Auswanderung. So war die Schwester Stella 1933 in der Stadt, sie ging allerdings nicht nach Übersee, sondern ließ sich in Zagreb nieder. Der Bruder Erwin, 1896 geboren, lebte von 1932 bis 1935 in Hamburg. Er war Reisender von Beruf und stand wahrscheinlich in geschäftlicher Verbindung mit seiner Schwester Eveline, an deren Geschäftsadresse Schulterblatt 86 er auch gemeldet war. Er wanderte 1935 mit seiner Frau Bertha nach Palästina aus.

Gegen Ende der 1930er Jahre waren beide Schwestern in der Zesenstraße 11 gemeldet, laut Adressbuch hatte jede eine Wohnung gemietet, die eine im 3, die andere im 4. Stock. Zu diesem Zeitpunkt kann ihnen das Juweliergeschäft nicht mehr gehört haben: Jüdische Geschäfts waren ausnahmslos "arisiert" worden, und in der Kartei der jüdischen Gemeinde werden sie 1940 als einkommens- bzw. mittellos bezeichnet.

In den 1940er Jahren mussten sie Zwangsarbeit leisten: Melanie Peters arbeitete 1941 in einer Konservenfabrik, Eveline Waschinsky in einer Fabrik für Schiffstaue. Etwa zu dieser Zeit mussten sie auch ihre Wohnungen aufgeben und in "Judenhäuser" ziehen: Melanie lebte zuletzt am Großneumarkt 56, Eveline in der Beneckestraße 2.

Am 11. Juli 1942 folgte Melanie Peters einem Deportationsbefehl und wurde vermutlich nach Auschwitz gebracht. Sie hat die Shoah nicht überlebt.

Eveline Waschinsky wurde am 25. Juni 1943 nach Theresienstadt und von dort am 6. September 1943 nach Auschwitz deportiert. Auch sie ist ermordet worden.

Erst 1944 erfuhr Evelines Tochter, wer ihre Mutter war und dass sie auch deren slowakische Staatsangehörigkeit besaß. Sie hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt bei entsprechenden Nachfragen immer ruhigen Gewissens als "rein arisch und deutsch" bezeichnet. Als sie zum Arbeitsdienst eingezogen werden sollte, wurde dies zum ersten Mal überprüft und der unbewusste "Schwindel" flog auf. Die Adoptivmutter stellte gegenüber den Behörden klar, dass das Kind nichts über seine Herkunft gewusst habe und ersparte ihr so weitere Unannehmlichkeiten. Als "Halbjüdin" wurde Ingrid beim Arbeitsdienst nicht geduldet. Stattdessen fand sie aber eine kaufmännische Lehrstelle bei einem Arbeitgeber, der den Freimaurern nahestand. Das Haus, das die Mutter ihr hinterlassen wollte, wurde von der Adoptivfamilie verkauft – der erlöste Geldbetrag ging durch die Währungsreform 1949 fast völlig verloren.

Einige der Waschinsky-Geschwister überlebten die Verfolgung, so z. B. Gerda Weys, die 1990 verstarb, Fritz Waschinsky (geb. 1903), der mit seiner Frau Edith rechtzeitig nach New York gelangte und der nach Palästina ausgewanderte Erwin Waschinsky.

Die 1905 geborene Schwester Margarethe Schirer, wurde zwar 1941 in das polnische Getto Modliborzyce verschleppt, überlebte aber diese Zeit.

Die Schwester Leonore Harania, deren weitere Lebensdaten nicht bekannt sind, wurde von Wien nach Minsk verschleppt und im nahegelegenen Vernichtungslager Maly Trostinec ermordet.

Die Eltern der Geschwister wurden am 14. Juli 1942 von Wien nach Theresienstadt deportiert. Bereits am 23. Juli starb dort Hanni Hermine Waschinsky. Ihr Mann Sigmund wurde 1945 aus Theresienstadt befreit und lebte später in der Schweiz.

© Ulrike Sparr

Quellen: 1; 4; 5; 8; Familienunterlagen und Gespräch mit der Tochter und der Enkelin von Eveline Waschinsky am 24.02.2008; StaHH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Bd. 5; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1932–1943; AB 1933, 1934 (Bd. 1 u. 2), 1938, 1941 (Bd. 2).

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