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Fritz Lindemann in Uniform auf dem Balkon seiner Wohnung, Mai 1942
Fritz Lindemann in Uniform auf dem Balkon seiner Wohnung, Mai 1942
© Privatbesitz

Fritz Lindemann * 1894

Maria-Louisen-Straße 57 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
FRITZ LINDEMANN
JG. 1894
VERHAFTET 1944
DURCH GESTAPO
SCHUSSVERLETZUNGEN
TOT 22.9.1944
BERLIN
POLIZEIKRANKENHAUS

Siehe auch:

Fritz Lindemann, geb. 11.4.1894 in Berlin, am 22.9.1944 in Berlin an Schussverletzungen gestorben

1894 in Berlin-Charlottenburg als Sohn des Artillerieoffiziers Friedrich Lindemann geboren, legte Fritz Lindemann 1912 das Abitur am Victoria-Gymnasium in Potsdam ab. Er nahm 1914 bis 1918 am Ersten Weltkrieg teil, ab 1916 als Oberleutnant im Generalstab. 1919 bekämpfte er die Düsseldorfer Räterepublik als Mitglied eines Freikorps. Er wurde in die Reichswehr übernommen und gehörte zeitweise der deutschen Friedensdelegation in Versailles an. 1923 bis 1926 absolvierte er die Generalstabsausbildung in Berlin. 1932 studierte er an der Berliner Universität Wirtschaftswissenschaften und lehrte 1933 bis 1936 Taktik und Kriegsgeschichte an der Kriegsakademie in Berlin.

1936 folgte die Versetzung nach Hamburg zum Generalkommando des X. Armeekorps (Sophienterrasse 14) und 1937 die Beförderung zum Oberst. Fritz Lindemann war seit 1937 im Hamburger Fernsprechbuch mit der Bezeichnung Oberstleutnant und der Wohnanschrift Maria-Louisen-Straße 57 eingetragen. Mit Ehefrau und drei Kindern bewohnte er eine 7-Zimmer-Wohnung im 3. Stock, zu der auch ein sogenanntes Mädchenzimmer für das Hausmädchen Erika gehörte.

Zum 1. August 1938 schied Fritz Lindemann aus dem aktiven Dienst aus. Er trat in die NSDAP ein und übernahm im Oktober 1938 eine journalistische Tätigkeit als militärpolitischer Kommentator bei den "Kieler Neuesten Nachrichten". Ab Mai 1939 arbeitete er beim "Hamburger Fremdenblatt". Im Zuge der Mobilmachung wurde er im August 1939 als Offizier reaktiviert. Er nahm am Überfall auf Polen (1939), am Westfeldzug gegen Frankreich (1940) und am Überfall auf die Sowjetunion (1941–1942) teil. Im Januar 1942 erhielt er die Ernennung zum Generalmajor. Im Oktober 1943 wurde ihm die Führung des Stabs der Artillerie beim Oberkommando des Heeres in Berlin übertragen, wo er erste Kontakte zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg knüpfte. Im Dezember 1943 wurde Fritz Lindemann zum General der Artillerie ernannt.

Er wirkte aktiv an den Vorbereitungen zum Attentat auf Adolf Hitler mit, die der engere Kreis der Widerständler vom 20. Juli 1944 traf. Lindemann übernahm die Rolle eines Emissärs, er stellte Verbindungen zu regimekritischen Offizieren her. Nach dem Umsturz sollte er Sprecher einer neuen Regierung werden und im Rundfunk einen ersten Aufruf an die deutsche Bevölkerung verlesen. Fritz Lindemann führte im Sommer 1944 in Dresden auch Gespräche mit sozialdemokratischen und kommunistischen Gegnern des NS-Regimes.

Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli hielt Fritz Lindemann sich anfänglich bei seinem Onkel in Dresden verborgen und flüchtete dann nach Berlin, wo ihn das Ehepaar Gloeden versteckte. Am 20. August wurde ein Steckbrief des "Deserteurs" Lindemann u. a. im "Völkischen Beobachter" veröffentlicht und eine Belohung von 500000 RM ausgesetzt: "Lindemann hat sich an den Vorbereitungen zum Attentat auf den Führer am 20. Juli beteiligt. ... Angaben jedweder Art, die zur Ergreifung des Täters dienlich sind, nimmt jede Polizeibehörde entgegen. Wer den Flüchtigen irgendwie unterstützt oder von seinem jetzigen Aufenthalt Kenntnis hat und sich nunmehr nicht unverzüglich bei der Polizei meldet, hat schwerste Strafen zu erwarten."

Der Sohn Georg Lindemann, Oberfähnrich zur See, wurde am 25. August 1944 von der Gestapo in der Wohnung Maria-Louisen-Straße festgenommen. Auch Fritz Lindemann wurde denunziert und am 3. September 1944 in Berlin von der Gestapo verhaftet. Er widersetzte sich dem und erlitt dabei einen Bauchschuss und einen Oberschenkeldurchschuss. Nach zwei Operationen und mehreren Verhören erlag er am 22. September 1944 seinen schweren Verletzungen.

Die Menschen, die Fritz Lindemann bei der Flucht geholfen oder ihn versteckt hatten, bezahlten dies mit dem Leben: Erich und Elisabeth-Charlotte Gloeden und deren Mutter Elisabeth Kuznitzky wurden im November 1944 zum Tode verurteilt. Die Urteile wurden sofort vollstreckt. Carl Marks und Hans Sierks, die Lindemann bei der Flucht von Dresden nach Berlin geholfen haben, erhielten ebenfalls die Todesstrafe und wurden noch Ende April von der SS in Berlin erschossen. Der 72-jährige Onkel Max Lindemann aus Dresden wurde auf Grund seines Alters freigesprochen, seine Ehefrau Elsa Lindemann nahm sich im September 1944 in der Haft das Leben. Der Cousin Hermann Lindemann wurde zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.

Fritz Lindemanns Familie traf die "Sippenhaft": Die Ehefrau, die sich mit ihrer zehnjährigen Tochter bei Verwandten bei Andernach am Rhein aufhielt, wurde dort verhaftet. Ihre Stationen waren die Konzentrationslager Ravensbrück, Stutthoff, Buchenwald und Dachau.

Die Tochter kam mit den Kindern von anderen Widerstandskämpfern in das Kinderheim Bad Sachsa/Harz. Die 19 und 20 Jahre alten Söhne, beide Soldaten, wurden vom Volkgerichtshof zu fünf bzw. sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Alle Familienmitglieder überlebten die Sippenhaft. Die Ehefrau von Fritz Lindemann wohnte nach dem Krieg mit ihren Kindern und drei Enkelkindern bis 1959 wieder in der Maria-Louisen-Straße 57.

1964 wurde im Neubaugebiet von Hamburg-Lohbrügge eine Straße nach Fritz Lindemann und 1987 die Lilo-Gloeden-Kehre in Hamburg-Bergedorf nach Elisabeth Gloeden benannt. Auch in Kiel ehrt der Elisabeth-Gloeden-Ring die Frau, die Fritz Lindemann vor der Gestapo versteckt hatte. In Berlin erinnert der Gloedenpfad an das Ehepaar Gloeden.

© Björn Eggert

Quellen: Ursel Hochmuth/Gertrud Meyer, Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand 1933–1945, Frankfurt/M. 1969, S. 445–447; www.dhm.de/lemo/html/biografien/LindemannFritz/index.html (eingesehen 7.3.2007); www.dhm.de/lemo/forum/kollektives_gedaechtnis/213/index.html (eingesehen 10.9.2007); Wolfgang Welkerling, Ein Wehrmachtsgeneral auf dem Weg zum Antifaschisten. Zur Biographie des Generals der Artillerie Fritz Lindemann (1894–1944), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (DDR), Heft 9/1989; Amtliches Fernsprechbuch Hamburg 1937–1943; Informationen der Enkelin A. M. H. (Hannover).

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