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Bereits verlegte Stolpersteine



Paul Meilicke * 1893

Pepermölenbek 2 (Altona, Altona-Altstadt)


Verhaftet 1940 und 1941
KZ Fuhlsbüttel
KZ Neuengamme
ermordet 06.01.1943

Paul Friedrich August Meilicke, geb. am 21.5.1893 in Grunow (heute Oberbarnim/ Brandenburg), gestorben am 6.1.1943 im KZ Neuengamme

Pepermölenbek 2 (Schlachterbuden 2)

Der spätere Freidenker Paul Meilicke wurde 1893 im brandenburgischen Dorf Grunow, heute Oberbarnim, 40 km östlich von Berlin geboren und zunächst evangelisch-lutherisch getauft. Er war der uneheliche Sohn der Arbeiterin Auguste Zipperling, geb. Meilicke. Seinen Vater kannte er nicht. Die Mutter lebte zum Zeitpunkt seiner Geburt von ihrem alkoholkranken Ehemann getrennt, mit dem sie neun eheliche Kinder hatte. Nach dem Besuch der Volksschule lernte Paul Meilicke ab 1907 das Maurerhandwerk und arbeitete danach als Geselle. 1911 kam er nach Hamburg und verdiente sich als Ofensetzer, Werft-, Hafen- und Bauarbeiter seinen Lebensunterhalt. Später zog er nach Altona.

1935 kam Paul Meilicke erstmals wegen seiner Homosexualität mit der Polizei in Konflikt. Wer ihn seinerzeit bei der Polizei angezeigt hatte, konnte einer ausgedünnten Strafakte nicht mehr entnommen werden. Fest steht, dass er am 15. Februar in einem Spielerlokal auf der Großen Freiheit, vermutlich dem auch von Homosexuellen frequentierten "Monte Carlo", den erwerbs- und wohnungslosen Musiker Robert Reinecke, Jg. 1915, aus Hannover kennenlernte. Diesem bot er eine Übernachtungsmöglichkeit auf seinem zur Untermiete bewohnten Zimmer in der Parterrewohnung eines Hinterhauses in der Großen Bergstraße 155 an und schlief mit diesem Mann zusammen in seinem Bett. Einen Tag später wurde er von der Altonaer Polizei im dortigen Gerichtsgefängnis inhaftiert. In seinem Prozess am 12. März 1935 vor dem Schöffengericht in Altona bestritt Paul Meilicke, homosexuellen Umgang zu haben und gab vor, in nächster Zeit heiraten zu wollen. Die jüngeren Leute in seinem Umfeld seien lediglich gute Bekannte, die wegen des Schauspielens mit ihm zusammenkämen. Da er aber durch einen weiteren, zuvor von der Polizei festgenommenen "jungen Menschen" ebenfalls belastet worden war, mit diesem sexuelle Handlungen vorgehabt zu haben, und weil der mitangeklagte Robert Reinecke die Vorwürfe zugab, glaubte ihm das Gericht nicht. Paul Meilicke wurde wegen "widernatürlicher Unzucht" nach § 175 zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, die er vom 21. März bis 19. Oktober 1935 im Strafgefängnis Neumünster verbüßte.

Nach der Entlassung währte seine Freiheit nur einen knappen Monat. Schon am 13. November kam er erneut in Untersuchungshaft, diesmal lautete der Vorwurf "Vorbereitung zum Hochverrat", weil er sich mehrmals kritisch über die Nationalsozialisten geäußert haben sollte. Zudem war er früher Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen. Das von der Staatsanwaltschaft beim Hanseatischen Oberlandesgericht geführte Verfahren führte in einer Verurteilung am 27. Juni 1936 nach §§ 47, 80 und 83 Absatz 1 + 3, Ziffer 1 wegen gemeinschaftlicher Vorbereitung zum Hochverrat zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe und einem ebenso langen Ehrverlust. Diese Strafe verbüßte er ab 1. Juli im Zuchthaus Fuhlsbüttel, ab 6. August dann im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen. Im Anschluss an die Haftstrafe nach dem 30. Oktober 1937 war eine Überstellung zur Gestapo vorgemerkt.

Vom 30. Mai bis 4. Juni 1940 wurde Paul Meilicke vom 24. Kriminalkommissariat in Hamburg, das für die Verfolgung Homosexueller zuständig war, im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Daran schloss sich eine Untersuchungshaft an wegen des Verdachts, gegen den § 175 verstoßen zu haben. Der Vorwurf, er habe sich an Jugendliche "herangemacht", um mit diesen "geschlechtliche Beziehungen" zu unterhalten, konnte nicht erhärtet werden. Doch bereits am 7. März 1941 erfolgte ein erneutes Verhör auf dem 24. Kriminalkommissariat, weil der Strichjunge Hans Andres (Jg. 1921) ein Polizeilichtbild Meilickes erkannte und angab, sein gleichaltriger Kumpel, der Schaustellergehilfe Rolf Petzold, sei mit diesem zusammen gewesen und habe Geld dafür bekommen. Petzold hatte diesen Kontakt zuvor verschwiegen, "um diesen Mann nicht mit hineinzureißen". Kennengelernt hatten sich die Beteiligten im "Monte Carlo", das Paul Meilicke schon 1935 zum Verhängnis geworden war, und im Lokal "Anker" auf der Reeperbahn. Auch diesmal wurde er zur Abschreckung zunächst ins KZ Fuhlsbüttel gebracht, wo er bis zur Überstellung ins Untersuchungsgefängnis am 14. März 1941 verblieb.

Während seines Verfahrens sagte sein Vermieterehepaar zwar gegenüber der Polizei aus, dass der Angeklagte nie Männer auf sein Zimmer mitgebracht habe, da er aber über einen separaten Eingang verfügte, nahm das Gericht an, solche Besuche seien lediglich unbemerkt geblieben. Meilicke gab nach mehreren Verhören zu, den Strichjungen "aus Dummheit" bzw. "Gutmütigkeit" in seine Wohnung mitgenommen und mit diesem in einem Bett geschlafen zu haben. Die sexuellen Handlungen seien von Rolf Petzold ausgegangen. Diesen Aussagen, die zudem von seinem Partner bestritten wurden, schenkte die Kripo keinen Glauben, zumal er nach polizeilichen Erkundigungen in der Kneipenszene als "Tante" bekannt war. So konnte es kaum verwundern, dass das Amtsgericht Hamburg Paul Meilicke in der Verhandlung am 23. Mai 1941 als leugnenden Wiederholungstäter zu einer 15-monatigen Gefängnisstrafe ohne Anrechnung von Schutz- und Untersuchungshaft verurteilte. Seine Strafe verbüßte er ab 29. Mai in Fuhlsbüttel, ab 10. Juni 1941 im Männergefängnis Glasmoor bei Glashütte. Obwohl er sich dort "gut geführt", "fleissig gearbeitet" und nach seiner Entlassung bei einem Landwirt Wohnung und Arbeit in Aussicht hatte, wurde sein Gnadengesuch vom Juni 1942 um nachträgliche Anrechnung der Untersuchungshaft vom Vorsteher des Gefängnisses abgelehnt. Ob Paul Meilicke am 23. August 1942 tatsächlich zu dem Bauern in Freiheit entlassen oder, wie in vergleichbaren Fällen, über die Kripo in "Vorbeugehaft" genommen wurde, ist nicht dokumentiert. Fest steht, dass er unter der Häftlingsnummer 10317 am 3. Oktober 1942 im KZ Neuengamme registriert wurde. Bereits am 6. Januar 1943 findet sich sein Name im Krankenrevier-Totenbuch des Stammlagers III mit der offiziellen Todesursache "Versagen von Herz- und Kreislauf bei Lungenentzündung".

Vor seinem letzten frei gewählten Wohnsitz in der Straße Schlachterbuden 2, heute Pepermölenbek 2, in Altona-Altstadt wurde ein Stolperstein zu seinem Andenken verlegt.

Stand September 2015

© Bernhard Rosenkranz (†) / Ulf Bollmann

Quellen: Landesarchiv Schleswig-Holstein, Abt. 352.1 (Landgericht und Staatsanwaltschaft Altona), Nr. 6200, mit Dank an Dr. Stefan Micheler, der uns Einblick in seine Aufzeichnungen über die von 1933 bis 1937 in Altona geführten Verfahren nach § 175 gab, die im LSH verwahrt werden, und an Dr. Elke Imberger, LSH, für die Vorbereitung einer Vorort-Recherche; StaH, 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 e; StaH 213-9 (General-)Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Strafsachen, Verfahrensregister OJs 1937 Sonderband Heldt u.a. (Anklage 38, OJs 123/36); StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 5537/42; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, 21507 und Ablieferungen 13; StaH 331-1 II Polizeibehörde II, Ablieferung 15, Band 1; StaH 332-5 Standesämter, 10720 (Eintrag-Nr. 613); Rosenkranz/Bollmann/Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg, S. 236.

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