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Leo Julius Raphaeli
genannt Willy Hagen * 1878

Mundsburger Damm 38 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)

1941 Lodz
ermordet 04.05.1942

Siehe auch:

Leo Julius Raphaeli, genannt Willy Hagen, geb. 15.11.1878, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert und dort am 5.4.1942 gestorben

Mundsburger Damm 38

Der gebürtige Erfurter Leo Raphaeli war in Hamburg unter dem Namen Willy Hagen als Schauspieler, Kabarettist und Textdichter bekannt. Sein Debüt feierte Raphaeli in dem Stück "Fräulein Julie" von Strindberg in der Rolle des Jean im Jahr 1903. Seit 1906 trat er regelmäßig als Kabarettist in Hamburg auf und übernahm 1913 die Leitung des Kleinen Theaters in den Großen Bleichen, dem heutigen Sitz des Ohnsorg-Theaters.

Zusammen mit seiner Ehefrau, der ge­bürtigen nichtjüdischen Wienerin Gi­se­la Gollerstepper, wohnte Leo Ra­­phaeli am Mundsburger Damm 38. Das Ehepaar hatte keine gemeinsamen Kinder. In der Weimarer Republik avancierte Leo Raphaeli zu einem gefragten Schrei­ber von Revuen für die großen Hamburger Theater. Außerdem ge­hör­­te er seit 1929 zum Mitarbeiter­kreis der Nordischen Rundfunk AG. Hier hatte er fast wöchentliche Programme, welche von Hu­mor und Esprit geprägt waren. Zahlreiche Hörerbriefe und liebevolle Karikaturen seiner Kol­legen stellen ein Zeugnis seiner Popularität dar.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde es für Leo Raphaeli aufgrund seiner jüdischen Herkunft immer schwieriger, Engagements zu erhalten. Im Mai 1934 eröffnete er im Curiohaus sein Kabarett "Die Rosenrote Brille", welches ein beachtliches Ensemble aus bekannten jüdischen Musikern und Schauspielern besaß. Zunächst wurde immer vor ausverkauftem Haus gespielt und dies trotz strenger Zensur und kritischen Kommentaren in der jüdischen Presse. Doch Ende 1934 folgte das Aus, nachdem Leo Raphaeli seinem Publikum einen selbstverfassten "Offenen Brief eines deutschen Juden" vortrug, den er den Zensoren vorenthalten hatte. Das Kabarett wurde umgehend geschlossen und Leo Raphaeli erhielt Auftrittsverbot, das für ihn Arbeitslosigkeit bedeutete.

Zusammen mit seiner Frau Gisela musste er die gemeinsame Wohnung An der Alster 29 aufgeben und in die Klopstockstraße 30 ziehen. Schon im September 1935 erfolgte der nächste Umzug in die Schlüterstraße 54a, in eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung.

Erst 1936 bekam Leo Raphaeli wieder eine Anstellung. Er übernahm die Leitung der Klein­kunst im Hamburger Kulturbund, durfte selbst jedoch nur selten auftreten und die meisten seiner Stücke wurden nie veröffentlicht.

Im Herbst 1938 erhielt Leo Raphaeli eine kleine Rolle in dem Stück "Die kleine ungarische Kirchenmaus" beim Jüdischen Kulturverbund in Hamburg. Die Central-Verein-Zeitung be­richtete in ihrer Ausgabe vom 29. September 1938 darüber: "Leo Raphaeli (Willi Hagen) [setz­te] als angegrauter Schwerenöter mit liebenswürdiger Sicherheit Stiche und Pointen." Im Sommer 1939 ereilte Leo Raphaeli der nächste Schicksalsschlag. Seine Ehefrau Gisela starb am 18. Juni. Von nun an lebte Raphaeli allein in der Wohnung in der Schlüterstraße 54a.

Bei seiner Arbeit ließ Leo Raphaeli seiner Wut auf das NS-Regime freien Lauf. Seine Pro­gram­me enthielten fast schon tollkühne Formulierungen und auf der Bühne improvisierte er mit ironischen Seitenhieben auf die Nationalsozialisten. Hinzu kam eine nie veröffentlichte Persiflage auf die Bücherverbrennung. All dies zog ihm endgültig den Hass der nationalsozialistischen Verfolgungsorgane zu.

Am 25. Oktober 1941 wurde Leo Ra­phaeli mit dem ersten Transport von Hamburg ins Getto Lodz deportiert. Im Getto wohnte er in der Rauch Gasse 25 und litt dort unter Hunger und Krankheiten. So erkrankte er kurz vor seinem Tod an einer Blut­ver­gif­tung. Leo Raphaeli starb am 5. April 1942, dreiundsechzigjährig, im Getto Lodz. An ihn wurde in zahlreichen Le­sun­gen, Ausstellungen und im Jüdi­schen Kulturbund erinnert.

© Carmen Smiatacz

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaHH 214-1, Gerichtsvollzieherwesen, 572; USHMM, RG 15.083 300/575; ITS/ARCH/ Getto Litzmannstadt/1203968#1 (1.1.22.1/0008/0584); "Arm wie eine Kirchenmaus" in: Central-Verein-Zeitung. Allgemeine Zeitung des Judentums vom 29.9.1938, S. 4; Hagen: Du siehst, Emanuel, es geht auch so!; IGDJ: Das jüdische Hamburg, S. 104f.; Müller-Wesemann: Theater als geistiger Widerstand, S.270ff.; Offenborn: Jüdische Jugend, S. 839, S. 1180; Stengel/Gerigk: Lexikon der Juden in der Musik, S.221.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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