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Erna Simon * 1882

Harvestehuder Weg 63 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Riga
ermordet August 1942

Erna Simon, gesch. Stavenhagen, geb. Simon, geb. 16.2.1882 in Hamburg, deportiert am 15.8.1942 von Berlin nach Riga, ermordet am 18.8.42

Erna Simon war die älteste der drei Töchter aus der Ehe von Rosa Gabriele Simon, geb. Seckels, geb. 1.10.1860, und ihres zehn Jahre älteren Ehemanns Carl Jacob Simon, geb. 1.9.1850. Sie waren beide in Hamburg geboren und wuchsen beiderseits der Alster auf. Carl Jacob Simons Vater, der Kaufmann Philipp Simon, betrieb seit 1866 unter der Firmenbezeichnung Simon May & Co. ein Weißwarenlager (gebleichte Bett-, Tisch- und Unterwäsche) in St. Georg, An der Alster 61, wo zugleich die Familie wohnte, Rosa Seckels Eltern, der Bankdirektor Jehuda, gen. Julius Isaac Seckels und seine Ehefrau Adele, geb. Wagner, wohnten am Mittelweg 29 in Pöseldorf. Julius Seckels hatte außerdem als Direktor der Wechsel-Bank in Hamburg eine Stadtadresse am Adolphsplatz 5, wo sich heute der Hauptsitz der HASPA (Hamburger Sparkasse) befindet. Julius Seckels war aus Aurich zugezogen, wo schon sein Vater Bankdirektor war und wo eine verwandtschaftliche Beziehung zu Albert Ballin bestand. Adele Seckels-Wagner war eine Hamburger Kaufmannstochter, Philipp Simons Ehefrau Auguste, geb. Behrens, stammte aus Lüneburg.

Nach ihrer Heirat zogen Rosa und Carl Jacob Simon in die Nachbarschaft von seinen Eltern in den Holzdamm 53 in St. Georg und blieben dort bis 1887. Carl Jacob Simon war inzwischen Alleininhaber des Weißwarenlagers seines 1885 verstorbenen Vaters geworden, das er ab 1890 unter der Bezeichnung Simon, Mayer (Jacob) & Co. am Neuen Wall fortführte. In der Wohnung im Holzdamm 53 wurden 1882 Erna, 1883 Margarethe (s. Margarethe Windmüller, Stolpersteinbroschüre Hamburg-Winterhude) und 1886 Paula geboren. Nach einem zweijährigen Zwischenspiel am Graumannsweg in Hohenfelde mietete Carl Jacob Simon 1888 eine der neu erbauten Stadtvillen am Harvestehuder Weg mit der Nr. 46 c, wo 1890 der nach seinem verstorbenen Großvater Philipp Simon benannte einzige Sohn zur Welt kam. 1893 erwarb Carl Jacob Simon das Haus, das 35 Jahre lang der Familienwohnsitz blieb. Im Zuge der Umnummerierung des Harvestehuder Wegs 1910 wurde der Simonsche Besitz zu der bis heute unveränderten Nr. 63.

Julius Seckels starb 1899 als vermögender Mann und hinterließ seine Witwe Adele wohl versorgt. In seinem Testament bedachte er drei Generationen nach ihm und bestimmte, dass seine vier Enkelkinder Erna, Margarethe, Paula und Philipp die Zinsen des Vermögens von 90 000 RM erhalten sollten, während das Kapital den Urenkeln zufallen solle, und zwar beim Tod seiner Tochter Rosa.

Der Umzug an den Harvestehuder Weg fiel mit dem Beginn von Ernas Schulbesuch zusammen. Näheres darüber, über ihre Interessen und über eine etwaige weitere Ausbildung, ist nicht bekannt, anders als bei ihrer Schwester Paula, die nach dem Abschluss der Höheren Mädchenschule ein Jahr in England verbrachte und danach das Lehrerinnenseminar an der Klosterschule absolvierte.

1901 heirateten die beiden älteren Schwestern: Die 18-jährige Margarethe den Zahnarzt Dr. Percival Sidney Windmüller, die ein Jahr ältere Erna den 32 Jahre alten Kaufmann Max Stavenhagen. Erna und Max Stavenhagen ließen sich zudem von Rabbiner Max Grunwald in der Neuen Dammtor Synagoge trauen. Beide kamen aus im wahrsten Sinne des Wortes betuchten Familien – die eine handelte erfolgreich mit Weißwaren, die andere mit Wolle. Max Stavenhagens Eltern, der Kaufmann Moritz Stavenhagen und Sara, gen. Zerline, geb. Levy, hatten ihren Sohn auf das Realgymnasium des Johanneums geschickt, das er mit dem Einjährigen, der Mittleren Reife, verließ. Er begann seine kaufmännische Ausbildung am 1. Dezember 1885 mit einer Lehre in einem Teeimportgeschäft. Sein Großvater hatte 1820 das Wollhandelsgeschäft J. M. Stavenhagen gegründet, das von seinem Vater Moritz und seinem Onkel Jonas geführt wurde, als Max als Mitinhaber eintrat. 1912 übernahm er als Alleininhaber das Geschäft und machte es zu einer großen Importfirma mit Sitz im Thaliahaus, Alstertor 1.

Standesgemäß erhielten die Töchter Simon als Teil der Aussteuer sogenannte Silberschränke. Sie enthielten 75-teilige Bestecke aus massivem Silber für 6 Personen und weitere einzelne Haushaltsgegenstände aus Silber. Nach ihrer Eheschließung zogen Max und Erna Stavenhagen in die Klosterallee 11, wo am 21.8.1902 ihr erstes Kind geboren wurde, Margot. Nach ihrem Umzug in die Abteistraße 18 fünf Jahre später wurde Rita (21.5.1907) geboren. Margarethe Windmüller hatte inzwischen auch zwei Kinder, Kurt und Lilly, und wohnte ebenfalls in Harvestehude. Ein Großteil ihres Lebens spielte sich im elterlichen Haus am Harvestehuder Weg ab. Die jüngeren Geschwister waren noch mit ihren Ausbildungen beschäftigt. Philipp schlug nicht den kaufmännischen Werdegang ein, sondern wurde Diplomingenieur.

Paula Simon war 25 Jahre alt, als sie 1909 eine "Mischehe" einging und den Kaufmann Alfred Rehtz heiratete. Sie wohnten in Niendorf/Lokstedt, das damals noch preußisch war. Dort wurde 1910 ihr Sohn Ulrich geboren, die Tochter Hildegard Rosa folgte am 1. 4. 1914. Die beiden bildeten mit Margarethe Windmüllers jüngeren Kindern, Harald, geb. 1.10.1911, und Henning, geb. 25.5.1913, wiederum ein Quartett, das das Haus der Großeltern am Harvestehuder Weg belebte. Die Urgroßmutter Adele Seckels starb 1912 im Alter von 77 Jahren, womit Rosa Simon ihr Anteil am elterlichen Vermögen zufiel.

1910 hielt sich Erna Stavenhagen in Wien auf. Als sie nach Hamburg zurück kehrte, hatte ihr Ehemann seinen Wohnsitz in die Hansastraße 65 verlegt. Vom 14. März 1910 an lebten sie getrennt. Für weitere Auslandsreisen benötigte Erna Stavenhagen einen Pass, den sie jedoch nicht ohne die Genehmigung ihres Ehemannes bekommen konnte. Offenbar ließ Max Stavenhagen ihr diese durch den Rechtsanwalt Max Cohen zukommen, dessen Bürovorsteher auch den Pass in Empfang nahm. Aus dem Passprotokoll geht hervor, dass Erna Stavenhagen klein war, blonde Haare, graublaue Augen und ein ovales Gesicht hatte. Die Gültigkeit des Passes erlosch am 6. August 1913. Am 21. Januar 1913 wurde Bruno Simon als uneheliches Kind in Wien geboren. Die Ehe Erna Stavenhagens wurde am 16. März 1913 rechtskräftig geschieden. Margot und Rita Stavenhagen blieben beim Vater, Bruno Simon bei der Mutter.
Im Dezember 1913 verließ Erna Stavenhagen Hamburg und meldete sich in Berlin-Wilmersdorf in der Güntzelstraße 13 an, kehrte aber im Oktober 1914 vorübergehend in ihr Elternhaus zurück. Sie beantragte beim Senat bzw. der "Aufsichtsbehörde für die Standesämter in Hamburg", dass sie ihren Mädchennamen wieder annehmen dürfe, was ihr mit dem 30. November 1914 gestattet wurde.

Erna Simon pendelte weiter zwischen Berlin und Hamburg, reiste nach Frankfurt und machte 1917 einen längeren Besuch bei ihrer Schwester Paula in Niendorf, bis sie sich am 17. April 1918 endgültig nach Berlin abmeldete. In der Güntzelstraße 13, Gartenhaus Parterre, richtete sie sich in einer Drei-Zimmer-Wohnung mit Erb- und Sammlerstücken ein. Das Wohnzimmer gestaltete sie als "Türkenzimmer" mit drei alten Kelims und Gegenständen aus Messing. Sie wohnte dort bis zu ihrer Deportation unter dem Namen "Stavenhagen-Simon, E.,".

Max Stavenhagen ging eine zweite Ehe ein. Er heiratete 1917 die 16 Jahre jüngere Luise Maaß, Tochter eines Buchhändlers. Im Juni 1918 wurde ihr Sohn Ernst geboren, der jedoch nur sechzehn Jahre alt wurde. Während des Ersten Weltkrieges florierte die Firma dank großer Aufträge für das Reich. Margot und Rita wuchsen in großem Wohlstand auf, ohne eine eigene Berufsausbildung anzustreben. Philipp Simon begann 1919 seine Berufslaufbahn als Ingenieur bei der "Gesellschaft für Eisenbahn-Draisinen", wo er nach ihrer Umwandlung in die "Draisinenbau G.m.b.H." 1925 Betriebsleiter wurde.

Nach dem Scheitern von Erna Simons Ehe traf als nächstes der Tod von Kurt Simon im Jahr 1918 die Familie schwer, insbesondere seine Mutter Margarethe. Dann folgten die Scheidung von Paula Rehtz (1922), der Tod Carl Jacob Simons am 7. Dezember 1924, die Scheidungen von Margarethe Windmüller und Philipp Simon 1926 und die Schwierigkeiten Lilly und Harald Windmüllers (s. Broschüre Stolpersteine in der Hamburger Isestraße), im Leben Fuß zu fassen. Philipp Simon kümmerte sich nach Aussagen seiner Schwester Paula um seine Neffen Harald und Henning Windmüller, nachdem seine Schwester Margarethe die Familie verlassen hatte.

Über Carl Jacob Simons Erbe sind keine Einzelheiten bekannt. Die Kinder erhielten Einkünfte aus Hypotheken auf Grundstücke in Borgfelde und in der Hammer Marsch. Rosa Simon war doppelt gesichert, weil sie seitens ihres Vaters eigenes Vermögen hatte. Nach dem Tod ihres Mannes verkaufte sie das Grundstück am Harvestehuder Weg und zog in die Alte Rabenstraße 34, noch später in den Grasweg.

Während dieser familiären Umbrüche wurde die erste Ehe in der nachfolgenden Generation geschlossen. Margot Stavenhagen heiratete Paul Bauer, der es als Mitinhaber der Firma J.M. Stavenhagen zu einigem Wohlstand gebracht hatte. 1926 und 1928 wurden die Söhne Max und Friedrich geboren. Erna Simon und ihre Geschwister hielten engen Kontakt untereinander. Ob das auch ihre Kinder einschloss, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass sie ein enges Verhältnis zu ihrem Sohn Bruno hatte. Er wurde kein Kaufmann, sondern Bildhauer und Lyriker. Während seines Studiums kehrte er immer wieder nach Berlin zurück, wo er bis zu seiner Emigration bei seiner Mutter gemeldet blieb.

Materiell hatte die Familie sowohl die Inflationszeit als auch die Weltwirtschaftskrise ohne große Verluste durchgestanden, als mit der Machtübergabe an Hitler am 30. Januar 1933 ihre Verfolgung einsetzte. Als Erste reagierte Rita Stavenhagen. Sie versuchte zunächst, als Säuglingspflegerin in Frankreich, als das nicht gelang in Italien Arbeit zu finden. Während Hitlers Besuch bei Mussolini am 9. Mai 1938 in Florenz wurde sie für elf Tage im Gefängnis inhaftiert und mit der Auflage entlassen, unverzüglich Italien zu verlassen. Damit war nicht nur ihr Emigrationsversuch gescheitert, sondern es brach ihre behütete Welt zusammen. Nach einem Selbstmordversuch floh sie in die Schweiz, konnte aber auch dort nicht bleiben und gelangte nach Palästina, wo sie in Haifa eine Zuflucht fand.

Rosa Seckels starb am 2. Dezember 1933. Dadurch wurde das Erbe an die Enkel Margot, Rita, Henning und, nach Paulas Tod, Ulrich und Rosa fällig.

Margot und Paul Bauer versuchten ebenfalls, sich durch Berufstätigkeit im Ausland eine neue Existenz aufzubauen. Sie gründeten 1934 in Amsterdam eine Niederlassung der Wollimportfirma Stavenhagen. Als abzusehen war, dass sie auch dort nicht unbehelligt bleiben würden, emigrierten sie mit ihren beiden Söhnen nach Uruguay, wohin schon immer Geschäftsbeziehungen bestanden hatten.

1936 ließ Max Stavenhagen seiner Tochter Rita fast 300 000 RM zukommen, wovon allerdings nach Abzug aller Zwangsabgaben nur ein geringer Betrag an sie überwiesen wurde. Nach 118 Jahren endete die Firma J.M. Stavenhagen durch eine ungewöhnliche "Arisierung". Max Stavenhagen schloss am 30. August 1938 einen Vertrag über den Verkauf seines erfolgreichen Wollimportgeschäfts an Rudolf Petersen ab, einen ebenfalls wohlhabenden Kaufmann, der nach NS-Terminologie als "Mischling 1. Grades" eingestuft war. Er konnte seine Geschäfte während der NS-Zeit fortführen und wurde nach dem Krieg der erste Erste Bürgermeister Hamburgs. Zusammen mit seiner Frau Luise siedelte Max Stavenhagen 1939 nach Lausanne in der Schweiz über. Auch ihm verblieb von seinem erheblichen Vermögen im Exil nur ein geringer Betrag.

Philipp Simon wurde nach dem Novemberpogrom im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert und nach vier Wochen mit der Auflage, umgehend auszuwandern, entlassen. 1939 emigrierte er zunächst nach England und gelangte von dort nach Australien. Bruno Simon entkam dem NS-Regime im August 1939 ebenfalls zunächst durch Flucht nach England, wurde dann aber als "feindlicher Ausländer" in Australien interniert. Bis Kriegsbeginn hatte er mit seiner Mutter in Berlin noch durch das Rote Kreuz korrespondieren können.

Margarathe Windmüller wurde eine Erkrankung zum Verhängnis, die weder eindeutig als psychische oder als onkologische angesehen wurde – sie litt an einem Tumor in der Augenhöhle, der als Ursache für eine Wesensveränderung in Betracht kam, um derentwillen sie in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn aufgenommen wurde. Zwar geriet sie nicht schon im September 1940 in die Anstalts-Euthanasie, wurde aber in die neurologische Klinik in Berlin-Buch verlegt. Ihre Schwestern Paula und Erna waren sehr besorgt um sie und begleiteten sie während ihres Aufenthalts in "Langenhorn". Ob sie ihr auch noch in Berlin-Buch und Wittenau zur Seite standen, wohin sie weiter verlegt worden war, ist nicht bekannt. Margarethe Windmüller starb 1941, entweder in Wittenau oder in der Tötungsanstalt Bernburg. So erfuhr sie nichts mehr von den Deportationen ihrer Tochter Lilly und ihres Sohnes Harald in das Getto von Lodz am 26. Oktober 1941.

Nach dem Tod ihrer Schwester Margarethe erlebte Erna Simon die "Aussiedlung" ihrer Schwester Paula von Hamburg nach Theresienstadt am 19. Juli 1942 aus der Ferne mit. Dass Paula Rehtz Mutter von volljährigen "Mischlingen 1. Grades" war, bewahrte sie nicht vor der Deportation.

Erna Simon hatte wie alle Juden ihre Wertsachen abgeliefert, das Silber und die wenigen Stücke gediegenen Schmucks, die sie besessen hatte. Am 14. August 1942 musste sie eine umfangreiche Vermögenserklärung abgeben. Der erste Fragenkomplex betraf die Wohnung, wonach sie die Miete an ihren "arischen" Vermieter, den Chirurgen W. Blanke, bereits bis zum Monatsende gezahlt hatte.

Geldvermögen besaß sie nach Entrichtung der Zwangsabgaben nicht mehr als 20 RM auf ihrem Konto bei Brinkmann, Wirtz & Co. in Hamburg, auf das auch die halbjährlichen Zahlungen von 300 RM aus dem großväterlichen Seckelschen Testament gingen. Sie besaß einen Hypothekenbrief der Erikabaugesellschaft in Hamburg über 15.000 RM. Zwei weitere Hypothekenbriefe für Grundstücke in Reinbek bei Hamburg im Gesamtwert von insgesamt 11.500 RM waren für die Zahlung der "Reichsfluchtsteuer" beschlagnahmt worden.

Seitenweise füllte Erna Simon die ihr im Auftrag der Gestapo von der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" vorgegebene Liste der Wohnungseinrichtungsgegenstände aus. Am folgenden Tag musste sie sich in der Synagoge in der Levetzowstraße einfinden, die seit 1941 als Sammellager der jüdischen Bewohner und Bewohnerinnen Berlins vor ihrem Abtransport in Gettos und Lager diente. Unter der Transportnummer 16.484 wurde sie am 15. August 1942 zusammen mit 937 anderen Personen nach Riga deportiert und als nicht mehr arbeitsfähig unmittelbar nach der Ankunft am 18. August ermordet. Sie wurde 60 Jahre alt.

Am 4. September 1942 wurde Erna Simons Hausrat geschätzt und am 16. Oktober für 498,40 RM der Firma Balduin Pustelny in Neukölln übergeben, die zum Weiterverkauf der Gegenstände verpflichtet war, mit zwei Einschränkungen: Die Nähmaschine musste der Getto-Verwaltung von Lodz zugestellt werden, die Bücher mussten dem Beauftragten der Reichsschrifttumskammer gemeldet werden, der die Sichtung und Weiterverwertung veranlasste.

Am 19. Oktober 1942 wurde Erna Simons Wohnung, die 29 Jahre ihr Zuhause gewesen war, geräumt und dem Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt, Hauptamt für Verwaltung und Wirtschaft in Berlin-Charlottenburg, gemeldet. Die Wohnung war versiegelt, aber nicht beschlagnahmt worden. Nun stritten sich der Eigentümer und der Oberfinanzpräsident, der Erna Simons Vermögen eingezogen hatte, um die Mietausfälle. Über das Kriegsende hinaus war die Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten auch mit der Hypothek auf das Grundstück Schadesweg 23/25 in Hamburg-Hamm befasst. Die Erikabaugesellschaft hatte die Hypothek nicht abgelöst und mit dem dritten Quartal 1944 die Zinszahlungen eingestellt, weil das Grundstück im Feuersturm 1943 zerstört worden und wertlos geworden war.

Hildegard Rosa Rehtz überlebte die schweren Bombardierungen Hamburgs im Sommer 1943 und wurde nach Sachsen evakuiert. Am Tag vor dem ersten Angriff auf Dresden brachte sie ihren Sohn Gerhard zur Welt. Sie hatte dem Vater des Kindes nicht gesagt, dass sie "Halbjüdin" sei, weigerte sich auch, ihn bei den Behörden anzugeben, um ihn nicht zu gefährden, und geriet dadurch selbst in eine Kette widriger Umstände, die ihr sieben Jahre Anstaltsaufenthalt und ihrem Sohn Gerhard Heimerziehung und Pflege in einer Familie eintrugen.

Paula Rehtz kehrte im Sommer 1945 aus Theresienstadt zurück. Es gelang ihr, ihre Tochter nach Hamburg zu holen, wo sie jedoch nicht wieder gesundete.

Von den Emigranten kehrte niemand zurück, um in Deutschland zu leben. Philipp Simon, in zweiter Ehe mit Mathilde Blunck, geb. Sannecke, in Australien kinderlos verheiratet, starb dort im Alter von 101 Jahren. Rita Stavenhagen starb 1965 in Haifa, Margot Bauer und ihre Familie blieben in Montevideo, wo es heute noch Nachkommen von Erna Simon gibt.
Bruno Simon hatte durch seine Kunst einige Kontakte nach Deutschland, wovon die Handschriftensammlung in der Wienbibliothek zeugt. Er starb am 16. September 1999. Seine Urne wurde wie schon die seiner Tante Paula Rehtz im Grab seiner Großeltern auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Hamburg-Ohlsdorf beigesetzt. Margarethe Windmüllers Sohn Henning überlebte die Zeit der NS-Herrschaft in Finnland. Seine Nachkommen leben heute (2013) in Dänemark und in den USA.


© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 2 R 1939/2180; 4; 5; 6; 8; Berliner und Hamburger Adressbücher; 332-7, K 6984; 332-8, A 24, Bd. 114, 2487; 6985; 322-5, 8011+147/1912; 8078+625/1924; 8611+528/1901; 8716+135/1917; 9603+196/1925; 9863+729/1933; 351-1, 7861; 9068; 12798; 26586; 32731; 39410; 522-1, 696 h, 702 f, 708 NDS; 992 d, Band 29 u. 31; JFHH; http://www.katalog.wienbibliothek.at/hs0/PSI/redirect.psi&f_search=&pageid=13603.... Zugriff 8.2.2023; LA Berlin, WGA B Rep 025-04, 18735/59 – 18740/59, Nr. 746/50 und WGK 254.63, Nr. 4964-65/50, 4965; Brandenburgisches Landeshauptarchiv, OFP Rep. 36 A, 35855; Senatskanzlei Hamburg; Meyer, Beate, "Jüdische Mischlinge".
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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