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Bereits verlegte Stolpersteine



Harald Meyer * 1923

Bremer Reihe 19 (Hamburg-Mitte, St. Georg)


Verhaftet 1938 und 1942
KZ Fuhlsbüttel
KZ Auschwitz
Todesmarsch
ermordet 08.05.194

Weitere Stolpersteine in Bremer Reihe 19:
Siegfried Meyer

Siegfried Adolf Meyer, geb. 16.3.1895 in Hamburg, gestorben am 15.3.1939 im KZ Sachsenhausen
Harald Günther Meyer, geb. 29.7.1923 in Hamburg, 1944 deportiert nach Auschwitz, Februar 1945 KZ Buchenwald, verschollen

letzte Wohnadresse: Bremer Reihe 19

Siegfried Meyer war der Sohn von Hirsch und Elise Meyer, geb. Masse, und besuchte als Junge bis zur Reifeprüfung die jüdische Talmud Tora Realschule im Hamburger Grindelviertel. Nach der Schulentlassung absolvierte er eine kaufmännische Lehre bei der Firma Siegfried Freundlich in Hamburg, woraufhin er als Angestellter in die Zigarrenbranche einstieg. Seine Berufstätigkeit wurde unterbrochen durch seine Einberufung zum Kriegsdienst im Juni 1915.

Nach dem Krieg wurde er u. a. Angestellter bei der Firma Karl Aksendorf, um sich schließlich 1932 als Generalvertreter für mehrere große Zigarrenimportfirmen selbständig zu machen. Im Jahr 1922 heiratete er seine nichtjüdische Ehefrau Martha, geb. Stapelfeldt, die nach der Heirat offenbar in die Jüdische Gemeinde in Hamburg eintrat und mit der er die am 29. Juli 1923 geborenen Zwillinge Harald und Heinz hatte. Die Familie wohnte seit mindestens 1930 in der Bremer Reihe, aber auch schon vorher lebte sie in St. Georg in der Straße Beim Strohhause.

Siegfried Meyer wurde seine Berufstätigkeit als Generalvertreter am 1. September 1938 von den NS-Behörden untersagt. Einen Tag nach der Pogromnacht im November desselben Jahres wurde er verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Nach nur wenigen Wochen KZ-Haft erlitt er einen Nervenzusammenbruch und kam ins Krankenrevier des Lagers. Seine Frau Martha besorgte noch im Jahr 1938 für 2000 RM vier Schiffskarten für die Familie, um nach Schanghai auszureisen.

Um den Jahreswechsel reiste sie nach Berlin, um ihren Mann mit Hilfe der dortigen Jüdischen Gemeinde freizubekommen. Dies gelang dann tatsächlich Mitte Januar 1939, wobei Siegfried Meyer schon zum Zeitpunkt seiner Entlassung in einem "katastrophalen Gesundheitszustand" gewesen sein soll. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg kam er sofort ins Israelitische Krankenhaus in der Eckernförder Straße. Durch die Haft gesundheitlich jedoch dermaßen geschädigt, kam für den kaum 44-Jährigen jede medizinische Hilfe zu spät, so dass er nach knapp zwei Monaten Todeskampf am 15. März 1939, einen Tag vor seinem Geburtstag, verstarb.

Der Witwe wurde nach dem Tode ihres Mannes jegliche Rente verweigert. Nach seiner Verhaftung war bereits der Goldschmuck der Familie beschlagnahmt worden. Kurz nach dem Tode ihres Mannes trat Martha Meyer zusammen mit ihren beiden Söhnen wieder aus der Jüdischen Gemeinde aus, offenbar um die Familie vor weiteren Verfolgungen zu schützen. Doch dieser Schritt änderte den "rassischen" Status der Söhne als "Geltungsjuden" nicht, die wie Juden behandelt wurden. Eine zum Judentum konvertierte Frau konnte aus der Gemeinde austreten und den Status als "Arierin" wiedererlangen, ihre Kinder hingegen blieben in den Augen der NS-Behörden "Juden".

Trotz ihrer wirtschaftlich und sozial äußerst schwierigen Lage begannen die beiden Söhne eine Berufsausbildung – Harald als Import-Export-Kaufmann bei der Firma Louis Schröter & Co. und Heinz als Dekorateur bei der jüdischen Firma L. Wagner. Harald konnte 1941 sogar die Lehre mit der Kaufmannsgehilfenprüfung abschließen und noch einige Zeit als Kontorist bei derselben Firma weiterarbeiten, bis er schließlich als "Geltungsjude" aus dem Betrieb gedrängt wurde. Die Lehre seines Bruders Heinz dauerte indes nur bis Ende November 1938, da sein Ausbildungsbetrieb nach dem Pogrom "arisiert" wurde.

Im Jahr 1939 wurde er infolge der Vorsprache seiner Mutter beim neuen Firmeninhaber zwar wiedereingestellt, allerdings ohne formellen Lehrvertrag und ohne die Möglichkeit die Lehrabschlussprüfung abzulegen. Die Zwillinge erhielten 1939, kurz vor dem Tod ihres Vaters, sogenannte Judenkennkarten und mussten den Zwangsvornamen "Israel" tragen. Da ihre Mutter sie bereits 1939 bei der Gemeinde abgemeldet hatte, versuchte sie 1941 erfolglos durchzusetzen, dass sie als "Mischlinge ersten Grades" anerkannt wurden.

Im Frühsommer 1941 wurden sie sogar noch von der Wehrerfassungsstelle gemustert, wobei Harald seine "Judenkennkarte" nicht vorlegte und seinen Zwangsvornamen nicht angab, woraufhin er zu einer Geldstrafe von 10 RM verurteilt wurde. Der Antrag ihrer Mutter auf Befreiung des Tragens von "Judensternen" wurde Ende September vom Polizeipräsidenten abgelehnt. Gegen Heinz Meyer setzten die antijüdischen Verfolgungsmaßnahmen schon im März 1941 damit ein, dass er "dienstverpflichtet" wurde für Arbeiten bei der Firma "Dynamit Actien-Gesellschaft, Werk Düneberg" bei Geesthacht. Dort wurde er im Sommer 1941 aus, offiziell, gesundheitlichen Gründen entlassen und einige Wochen später mit seinem Zwillingsbruder im Rahmen des sogenannten Judeneinsatzes als Arbeiter in der Hanfspinnerei Steen & Co. in Hamburg-Lokstedt zwangsverpflichtet.

Die Repression gegen die Zwillinge sollte sich jedoch noch erheblich verschärfen, als sie aufgrund von Denunziationen am 19. Januar 1942 von der Gestapo wegen "Rassenschande" verhaftet wurden, da sie Verkehr mit nichtjüdischen Frauen, zumeist Prostituierten, unterhielten. Auf der Gefangenenkarte von Harald Meyer im Untersuchungsgefängnis findet sich der Eintrag "§ 175". Der Grund dafür ist unklar, die erhalten gebliebenen Strafakten geben keinen Hinweis darauf, dass ihm im Strafprozess Homosexualität vorgeworfen wurde, auch die spätere Strafgefangenenkarte trägt den Vermerk nicht mehr.

Nach fast einjähriger Untersuchungshaft, während der Heinz Meyer erkrankte und ab Oktober wegen feuchter Rippenfellentzündung stationär behandelt werden musste, wurden die Brüder wegen "Rassenschande" zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt und zur Strafverbüßung zunächst ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel eingewiesen. Bis zum Zeitpunkt ihrer Deportation ins KZ Auschwitz, im April 1944, wurde Heinz bis Anfang Oktober 1943 wegen offener Lungentuberkulose sowie Rachendiphtherie in verschiedenen Hamburger Krankenhäusern behandelt, während Harald zwischen August 1943 und Februar 1944 ins Zuchthaus Waldheim in Sachsen verlegt wurde, jedoch dann wieder ins KolaFu zurückkehrte. In Auschwitz blieben die Zwillinge bis Ende Januar 1945, als sie ins KZ Buchenwald verlegt wurden. In Buchenwald trennten sich jedoch ihre Wege endgültig. Harald kam ins Außenlager Ohrdruf, wo er Zwangsarbeit leisten musste und sich seine Spur endgültig verlor. Heinz wurde bereits Anfang Februar ins KZ Natzweiler im Elsass deportiert, von wo er jedoch Ende März noch einmal zurückkam. Im April 1945 wies man ihn einem SS-Bauzug zu, der bei Salzburg operierte und aus dem er am 3. Mai befreit wurde.

© Benedikt Behrens

Quellen: 1; AfW, Entschädigungsakte; StaH, 213-11, Staatsanwaltschaft Landgericht HH-Strafsachen, 7309/41; Schriftl. Mitteilung der Gedenkstätte Buchenwald v. 21.4.2005; AB 1933–38.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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