Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Hans-Joachim Oelkers * 1923

Kamillenweg 11 (Altona, Osdorf)


HIER WOHNTE
HANS-JOACHIM
OELKERS
JG. 1923
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
20.11.1940

Hans-Joachim Arthur Heinrich Oelkers, geb. am 11.9.1923 in Altona, Suizid am 20.11.1940 in Hamburg

Kamillenweg 11

Nach einem Streit mit den Eltern verließ am späten Abend des 20. November 1940 der 17-jährige Hans-Joachim Oelkers in angetrunkenem Zustand das elterliche Wohnhaus im Stadtteil Osdorf. In den frühen Morgenstunden des 21. November wurde der vom Körper abgetrennte Kopf des Jugendlichen am S-Bahndamm zwischen den Haltestellen Klein-Flottbek und Hochkamp aufgefunden. Zunächst lief eine Fahndung nach einer "unbekannten männlichen Leiche" an, bis die Nachricht über den von der Familie als vermisst gemeldeten Sohn die Polizei erreichte.

Die genauen Hintergründe dieses Suizids blieben trotz Ermittlungen der Kriminalpolizei im Dunkeln, eine Ursache könnte in dem in der Polizeiakte erwähnten Freund Werner H. und einer möglichen homosexuellen Verbindung bestanden haben:
Hans-Joachim Oelkers war 1923 in Altona als Sohn des Elektrikers Wilhelm Oelkers und dessen Frau Henny, geb. Meyer, zur Welt gekommen; er hatte eine Schwester. Er besuchte Volksschulen in Altona und Osdorf und war Mitglied im Altonaer Fußballclub. Von seinem in Ottensen wohnenden Großvater Theodor Oelkers erhielt er gelegentlich ein kleines Taschengeld. Nach der Schulzeit begann er eine kaufmännische Ausbildung bei der Firma für Laboratoriumsbedarf "Heinrich A. Kroll, Carl Stelling Nachf." mit Sitz am Rödingsmarkt 76 in der Hamburger Altstadt. Dort freundete er sich im August 1940 mit einem Arbeitskollegen, dem 1925 geborenen Werner H. an, der dort kurze Zeit als Bote arbeitete. Sein Freund Werner kam aus schwierigen Familienverhältnissen: Seine Eltern lebten getrennt, die Familie wurde von der Fürsorge unterstützt und stand unter ständiger Beobachtung der Behörden. Anfang 1939 war Werner H. in ein Strafverfahren gegen den 24-jährigen Homosexuellen Albert Latendorf (geb. 1914, gest. 1942 KZ Dachau) verwickelt. Werner H. und andere heranwachsende Jungen nahmen mit Albert Latendorf gegen Geldgeschenke homosexuelle Handlungen in Form wechselseitiger Onanie vor, was aufflog und vor Gericht verhandelt wurde.

Ob Oelkers fürchtete, ebenfalls in derartige Ermittlungen hineinzugeraten, ob seine Eltern ihm den Umgang mit Werner H. verboten und Vorhaltungen wegen seines angetrunkenen Zustandes machten, und weshalb sie ihn am Abend des 20. November 1940 auch körperlich züchtigten, lässt sich heute nicht mehr eindeutig feststellen. Polizeiliche Ermittlungen führten jedenfalls zu der Feststellung, dass Hans-Joachim Oelkers seinerzeit über ungeklärte höhere Geldbeträge verfügte, seinen Freund Werner H. zu Kinobesuchen einlud und in Kneipen stets die Zeche bezahlte. Möglicherweise hatte er sich "einen älteren Freund" gesucht, von dem er ausgehalten wurde. Gegenüber der Polizei äußerte sich Werner H. in dieser Hinsicht nicht, bekundete jedoch sein Unverständnis über den Freitod des Freundes: "Er war immer lustig. Ernst sein konnte er überhaupt nicht."

Der Stolperstein, der vor dem elterlichen Wohnhaus in Osdorf gesetzt wurde, soll an sein Schicksal in dieser auch für junge Homosexuelle feindseligen Gesellschaft erinnern.

Stand September 2015

© Bernhard Rosenkranz (†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH, 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle, 309/41; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 11033/39; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung, S. 242.

druckansicht  / Seitenanfang