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Bereits verlegte Stolpersteine



Henry Möbius * 1902

Breite Straße 120 (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
HENRY MÖBIUS
JG. 1902
INHAFTIERT 1937-1939
KZ FUHLSBÜTTEL
KZ SACHSENHAUSEN
ERMORDET 1.7.1941

Willy Henry Möbius, geb. am 15.5.1902 in Altona, gestorben nach dem 5.6.1941 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein

Breite Straße 120 (Breitestraße 146)

Der Hafenarbeiter Henry Möbius wurde am 15. Mai 1902 als zweitjüngstes von zehn Kindern des Maschinenmeisters Edmund Möbius und dessen Ehefrau Minna, geb. Höfer, in Altona geboren. Nach dem vorzeitigen Abschluss der Volksschule fing er eine Klempnerlehre an, die er nach einem halben Jahr abbrach. Bis Kriegsende 1918 arbeitete er als Wagenwäscher bei der Eisenbahn. Anschließend war er bis 1928 in verschiedenen Altonaer Fabriken angestellt. Nach seiner Entlassung begab er sich bis 1931 auf Wanderschaft. Von 1931 bis 1933 beschäftigte ihn ein Kürschner in Berlin. Im Februar 1933 kam Möbius nach Hamburg, wo er bis zu seiner ersten Verhaftung wegen Vergehens nach § 175 im Jahr 1937 im Hafen arbeitete. Zwischen 1920 und 1936 war er insgesamt viermal wegen Diebstahls und Bettelns verurteilt worden.

Am 15. März 1937 wurde er erstmals wegen "widernatürlicher Unzucht" verhaftet und zunächst vom 16. März bis 18. Mai 1937 im KZ Fuhlsbüttel in "Schutzhaft" genommen, anschließend überstellte man ihn in reguläre Untersuchungshaft in das Gefängnis am Holstenglacis 3. Er gab zu, sich mit einem Seemann zu gleichgeschlechtlichen Handlungen eingelassen zu haben und wurde am 21. Juli 1937 vom Amtsgericht Hamburg zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr abzüglich der Schutz- und Untersuchungshaft verurteilt, die er in Fuhlsbüttel absaß. Nach der Strafverbüßung am 15. März 1938 wurde er vom Arbeitsamt Hamburg in ein Hoch- und Tiefbauunternehmen nach Voorde bei Kiel vermittelt. Wegen des geringen Verdienstes gab er die Stelle auf und wechselte nach Marne in Dithmarschen, wo er Arbeit bei einem Landwirt fand. Da er beschuldigt wurde, sich an einem Knecht "unsittlich" vergriffen zu haben, verließ er seine Arbeitsstelle, fand Beschäftigung in Kiel und auf Fehmarn und gelangte schließlich nach Hamburg. Da er zur Fahndung ausgeschrieben war, wurde Henry Möbius am 13. April 1939 festgenommen, kam einen Tag später in Untersuchungshaft und wurde am 22. Mai 1939 vom Amtsgericht Itzehoe zu neun Monaten Gefängnis wegen "tätlicher Beleidigung" und nach § 175 verurteilt. Ein Berufungsverfahren blieb erfolglos.

Die Strafe verbüßte er im Strafgefängnis Neumünster. Während seiner Inhaftierung wurde er von dem in Hamburg inhaftierten homosexuellen Strichjungen Werner Schmidt (geb. 1918, gest. 1941 an Haftfolgen, vgl. Stolpersteine in Hamburg-St. Pauli) der Polizei als Partner benannt. Zunächst bestritt Möbius die "Tat", legte in der Hauptverhandlung dann aber doch ein Geständnis ab und gab zu, mit Werner Schmidt einmal sexuelle Handlungen ausgeführt zu haben. Er sei von dem Strichjungen in verschiedenen Lokalen auf St. Pauli "angemacht" worden, ohne auf dessen Werben einzugehen. Bei dem gemeinsamen homosexuellen Bekannten Walter Lau (geb. 1906, gest. 1942 KZ Ravensbrück, vgl. Stolpersteine in Hamburg-Hoheluft-West), bei dem Henry Möbius zeitweilig zur Untermiete wohnte, kam es im Januar 1939 zu dem kriminalisierten Sexkontakt. Dafür wurde Möbius vom Amtsgericht Hamburg am 2. März 1940 ein weiteres Mal zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Zusammen mit dem Itzehoer Urteil verhängten die Richter eine Gesamtstrafe von einem Jahr und drei Monaten Haft, die er in Neumünster verbüßte. Die erlittene Untersuchungshaft wurde wegen seines langen Leugnens der "Tat" nicht auf die Strafzeit angerechnet. Nach der Strafverbüßung gelangte er, wie viele mehrfach verurteilte Homosexuelle, nicht in Freiheit, sondern wurde am 28. September 1940 zur Kripo Hamburg überstellt und im innerstädtischen Polizeigefängnis Hütten inhaftiert.

Nach dieser Überstellung tauchte Henry Möbius’ Name am 16. November 1940 mit dem Häftlingspräfix "BV/175" als homosexueller "Berufsverbrecher" unter den registrierten Zugängen des KZ Sachsenhausen auf. Am 5. Juni 1941 stand sein Name dann auf einer zur Verschleierung "Kommando S" genannten Transportliste mit Personen, die in die Euthanasie-Tötungsanstalt Sonnenstein bei Pirna geschickt werden sollten. 269 überwiegend arbeitsunfähige Personen, darunter viele homosexuelle Männer, wurden von dem Arzt und SS-Obersturmbannführer Friedrich Mennecke zur Ermordung ausgewählt und an drei Tagen, 4., 5. und 7. Juni 1941, auf Lastwagen nach Sonnenstein transportiert und in dortigen Gaskammern mit Kohlenmonoxid erstickt. Offiziell wurden die Todesumstände verschleiert und für Henry Möbius ein "natürlicher" Tod am 1. Juli 1941 in Oranienburg auf einer fingierten Sterbeurkunde bescheinigt.

Der tatsächliche Todesort ist erst nach der Stolpersteinsetzung bekannt geworden, weshalb auf dem Stein vor Henry Möbius’ letztem Wohnsitz, der heutigen Breite Straße 120, ehemals Hausnummer 146, noch die Aufschrift "KZ SACHSENHAUSEN ERMORDET 1.7.1941" zu lesen ist.

Stand September 2015

© Bernhard Rosenkranz (†) / Ulf Bollmann

Quellen: StaH, 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 b; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 5944/40; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, 21954 und Ablieferung 13; StaH 332-5 Standesämter, 13880 (Eintrag-Nr. 1422); Mit Dank an Dagmar Lieske, Hamburg, für Hinweise aus dem Archiv und Gedenkstätte Sachsenhausen; Müller/Sternweiler: Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, S. 17; Ley, Vom Krankenmord zum Genozid, S. 36–49; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg, S. 238.

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