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Hertha Sobietzki (geborene Kozy) * 1899

St. Georgs Kirchhof 6 (Hamburg-Mitte, St. Georg)


HIER WOHNTE
HERTHA SOBIETZKI
GEB. KOZY
JG. 1899
VERHAFTET 1940
KZ FUHLSBÜTTEL
RAVENSBRÜCK
’HEILANSTALT’ BERNBURG
ERMORDET ANFANG 1942

Hertha Sobietzki, geb. Kozy, geb. 6.5.1899 Tuchel/Westpreußen, inhaftiert 1940, ermordet 2.4.1942 in der Tötungsanstalt Bernburg

St. Georgs Kirchhof 6

Der gestohlene Meldeschein ihres Untermieters Gustav Brunschede machte die Kriminalpolizei auf Hertha Sobietzki aufmerksam. Während der ausführlichen Verhöre wegen eines aufgekommenen Verdachts der "Rassenschande" bekannte sie sich zu ihren lesbischen Neigungen. Der Versuch, sich als alleinstehende Frau unter Verschweigen der jüdischen Herkunft durchzuschlagen, war aufgrund eines dummen Zufalls gescheitert.

Hertha Kozy wurde 1899 in Tuchel/Westpreußen als Tochter der "Volljüdin" Johanna Kozy, geb. Lewin, und des "Juden" Abraham Kozy ("Rassezugehörigkeit vom Sippenamt geprüft") geboren. Gemeinsam mit fünf Geschwistern wuchs sie in Birnbaum bei Posen auf. Nach der Entlassung aus der Volksschule arbeitete sie als Hausangestellte.

In Berlin heiratete Hertha Kozy am 19. Mai 1919 Karl Sobietzki. Die Ehe blieb kinderlos, seit 1920 gingen die Eheleute getrennte Wege und ließen sich am 17. August 1931 scheiden. Hertha Sobietzki fand Arbeit als Kellnerin.

1923 zog sie nach Hamburg, wo sie bis ca. 1932 als Barfrau arbeitete. 1927 wurde sie wegen Unterschlagung zur Zahlung einer Geldstrafe bzw. alternativ zu zwei Tagen Gefängnis verurteilt. Bis 1937 lebte sie vom Verkauf selbstgefertigter Handarbeiten. Am 24. Dezember 1937 ließ sie sich in der katholischen Marienkirche in der Danziger Straße (heute Mariendom) taufen. Bis dahin war sie Mitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburg, die sie bis 1936 finanziell unterstützte.

Von 1937 bis zu ihrer Verhaftung am 28. November 1940 lebte Hertha Sobietzki im St. Georgs Kirchhof 6 von der Zimmervermietung. Da sie nur Dauergäste aufnahm, unterließ sie die Anmeldung ihres Gewerbes.

Im Zuge von Ermittlungen gegen den Juden Leo Schlesinger, der den Meldeschein eines "arischen" Gastes in ihrer Pension entwendet hatte, geriet Hertha Sobietzki in den Verdacht der "Rassenschande". Nach ihrer Vorladung zum Verhör auf das 23. Kriminalkommissariat im Stadthaus bekannte sie sich zu ihren lesbischen Neigungen:

"Ich bin seit meiner frühesten Jugend anormal veranlagt. Ich pflege, wenn ich es kann, gleichgeschlechtlichen Umgang mit Frauen. Zuletzt habe ich vor 2 Jahren ein Mädchen im Café Dreyer kennengelernt. Es war damals 22 Jahre alt. Die Personalien des Mädchens kann ich nicht angeben. Ich nannte das Mädchen ‚Bubi‘. – Wo das Mädchen beschäftigt war, und wo es wohnte, weiss ich auch nicht. Das Verhältnis hat etwa 4–5 Monate bestanden. Ich will mich berichtigen: Das Verhältnis hat etwa 1 Jahr bestanden. Mit diesem Mädchen habe ich wöchentlich 2–3mal gleichgeschlechtlichen Verkehr gehabt. … Das Verhältnis zu dem Mädchen ging in die Brüche, weil es bisexuell war. Es hatte neben mir nämlich auch noch männliche Geschlechtspartner. Ich bin eifersüchtig geworden, und dann kam es zum Bruch.

Während meiner Tätigkeit als Barfrau habe ich zu meinem eigenen Vergnügen auch stets nur Frauen als Geschlechtspartner gehabt. Diese Frauen lernte ich an der Bar kennen. Es handelte sich zum Teil um verheiratete Frauen. … Seit 2 Jahren habe ich aber auch keinen Umgang mehr mit Frauen gehabt. Ich habe Angst gehabt, noch wieder ein Verhältnis einzugehen und habe auch nie etwas Passendes gefunden."


Obwohl Hertha Sobietzki keine konkreten Angaben zu ihrer Ex-Freundin gemacht hatte, versuchte die Polizei, wenn auch vergeblich, herauszufinden, wer sich hinter dem Kosenamen "Bubi" verbarg.

Aus Mangel an Beweisen wurde der Verdacht der "Rassenschande" fallengelassen. Stattdessen wurde Hertha Sobietzki des Verstoßes gegen den "Kennkartenzwang" und wegen "Nichtannahme eines jüdischen Vornamens" überführt. Die Angeklagte gab zu Protokoll: "Ich habe mir keine Kennkarte beschafft und nicht den zusätzlichen Namen Sara angenommen, weil ich keine Jüdin sein wollte. Wenn bekannt gewesen wäre, dass ich Jüdin bin, hätte ich auch nicht an Arier vermieten können."

Hertha Sobietzki wurde erkennungsdienstlich erfasst, bis aufs peinlichste Detail verhört und dann in polizeiliche "Schutzhaft" genommen.

Am 19. Dezember 1940 fand der Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg statt. Amtsgerichtsdirektor Erwin Krause verurteilte sie zu drei Monaten Gefängnis unter Anrechnung der "Polizeihaft". Nach Strafverbüßung im Frauengefängnis Fuhlsbüttel am 26. Februar 1941 wurde sie von der Kriminalpolizei ins KZ Fuhlsbüttel eingeliefert. Der erste Abrechnungstag über die dortige "Schutzhaft" war der 27. Februar 1941. Am 3. April 1941 erfolgte von dort Hertha Sobietzkis Verbringung ins KZ Ravensbrück. Vermutlich wurde sie dort 1941/42 als "Lebens­unwerte" im Rahmen der Aktion "14 f 13" (Frauen jüdischer Herkunft wurden von den verantwortlichen Ärzten nach Aktenlage zur Ermordung bestimmt) im Februar/März 1942 in der Tötungsanstalt Bernburg im Gas erstickt. Das offizielle Todesmitteilung lautet: "2. April 1942 KZ Ravensbrück".

© Bernhard Rosenkranz(†)/Ulf Bollmann

Quellen: Hertha Sobietzki, geb. Kozy – Zimmervermieterin, in: Bernhard Rosenkranz/Ulf Bollmann/Gottfried Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919–1969", Hamburg 2009; Linde Apel, Jüdische Frauen im Konzentrationslager Ravensbrück 1939–1945, Berlin 2003, S. 296–316.

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