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Oswald Laue
Oswald Laue
© VVN/BdA

Oswald Laue * 1898

Döhnerstraße 44 (Hamburg-Mitte, Hamm)


HIER WOHNTE
OSWALD LAUE
JG. 1898
VERHAFTET 1933 UND 1944
HINGERICHTET 15.1.1945
ZUCHTHAUS
BRANDENBURG-GÖHRDEN


Oswald Laue, geb. 18.7.1898 in Kelbra/Thüringen, hingerichtet am 15.1.1945 in Brandenburg-Görden

Döhnerstraße 44

Aus dem Urteil des Volksgerichtshofs vom 7. Dezember 1944 über Oswald Laue:
"Die Tatsache, dass er seine Arbeit fleißig und eifrig versehen hat, ändert nichts daran, dass er sich, obwohl durch eine einschlägige Strafe nachdrücklich gewarnt – erneut als gefährlicher Staatsfeind entlarvt hat, der durch seine hinterhältige, umstürzliche (!) Propaganda der kämpfenden Front in den Rücken gefallen ist. Als notorischer Gegner nationalsozialistischer Ordnung und deutschen Siegeswillens hat er sich außerhalb der deutschen Volksgemeinschaft gestellt und sich selbst sein Urteil gesprochen. Wegen der ehrlosen Gesinnung, die sich in seiner Tat offenbart, verliert er zugleich für immer die Ehrenrechte eines deutschen Volksgenossen." gez. Duve, Volksgerichtsrat

Dieser fleißig arbeitende, aber "ehrlose" Gegner des NS-Regimes, Oswald Laue, stammte aus dem heutigen Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt, der unter mehrfach wechselnder Herrschaft stand. Die Eltern Otto Laue, von Beruf Geschirrhalter und Pferdeführer, und Minna Pauline Hulda, geb. Hippe, lebten in Sittendorf bei Sangerhausen, das nach Kelbra eingemeindet wurde.

Das erste der fünf in Sittendorf geborenen Kinder war Ottilie (1887), gefolgt vom Stammhalter Otto (30.8.1888), von Hermann (14.12.1890), Minna (17.8.1892) und Moritz (5.8.1894). Als Geburtsort von Emma (26.9.1896) und Oswald (18.7.1898) wird Kelbra angegeben.

Bald nach Oswald Laues Geburt zog die Familie nach Bochum um, wo der Vater offenbar im Bergbau arbeitete. Bereits Anfang März 1901 fiel die dreizehnjährige Ottilie einer Typhusepidemie zum Opfer. Fünf Tage später starb Otto Laue im Alter von 34 Jahren an einer Lungenentzündung. Er hinterließ seine schwangere Ehefrau und sechs unmündige Kinder. Sieben Wochen nach dem Tod des Vaters kam der Sohn Paul (8.5.1901) zur Welt. Minna Laue ernährte die Familie als Wäscherin.

Die vier älteren Kinder schlossen ihre Volksschulzeit in Bochum ab und begannen danach ihre Berufsausbildungen. Otto und Moritz wurden Maurer, Hermann Stukkateur, Minna Kontoristin.

Otto und Hermann Laue gelangten auf ihrer Wanderschaft als Gesellen nach Hamburg und meldeten sich dort polizeilich an, Otto 1907, Hermann ein Jahr später. Gerade mündig geworden, holte Otto Laue 1909 die Mutter mit den Geschwistern nach. Die Familie wuchs. Die älteste Tochter, Minna Laue, brachte am Ende des Jahres einen Sohn zur Welt, Erwin (26.12.1909). Nur ungefähr zehn Jahre jünger als Oswald und Paul Laue, beteiligte er sich später mit ihnen an politischen Aktionen.

Die Witwe Minna Laue ließ sich mit ihrer Familie im Arbeiterstadtteil Hamburg-Hamm nieder. Ihre erste nachweisbare Hamburger Adresse war Wichernweg 6. Von dort zog sie in die Diagonalstraße 39, die Anlaufstelle für die nächsten zehn Jahre für ihre Kinder und den Enkelsohn Erwin. Minna Laue und Hamm blieben bis zur Zerstörung des Stadtteils im Feuersturm am 27./28. Juli 1943 der Mittelpunkt der Familie.

Oswald Laue beendete 1912 die Volksschule und wurde Eisenflechter. Wie schon seine Mutter, traten er und die Brüder Otto und Hermann der Gewerkschaft und der SPD bei.

Hermann Laue absolvierte von 1912 bis 1914 eine Infanteristenausbildung in Celle. Unmittelbar vor Beginn des Ersten Weltkriegs, am 30. Juni 1914, entließ ihn das Heer als dienstuntauglich, doch wurde er später wieder eingezogen. Er zog nach Bremen und heiratete dort am 24. Oktober 1914 Mathilde Wolter aus Otterndorf, Kreis Hadeln, beide wohnhaft an derselben Adresse.

Alle Brüder nahmen am Ersten Weltkrieg teil und überlebten ihn. Bereits am 2. September 1914 wurde Otto Laue zum Heeresdienst eingezogen und geriet noch im selben Monat in Kriegsgefangenschaft. 1918 kehrte er nach Deutschland und in seinen früheren Beruf als Maurer und Eisenflechter zurück.

Oswald Laue wurde 1916 eingezogen. Eingesetzt in einem Pionierpark an der Westfront, geriet er in den Stellungskrieg. Nachdem er 1917 aus einem Urlaub nicht an die Front zurückgekehrt war, wurde er wegen Desertion von einem Kriegsgericht zu 12 Jahren Festungshaft in Spandau verurteilt. Dank der Novemberrevolution endete seine Haft schon 1918. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg schloss er sich dem Arbeiter- und Soldatenrat an.

Moritz Laue kehrte schwer versehrt aus dem Krieg zurück und beantragte die ihm zustehende Kriegsversorgungsrente, die jedoch auf sich warten ließ. Das mag dazu beigetragen haben, dass er wiederholt kriminell wurde. Bei einer räuberischen Erpressung 1919 wurden er und sein Bruder Hermann festgenommen, aber nach kurzer Zeit gewaltsam aus der Haft befreit. Während Hermann wieder im Zivilleben Fuß fasste, wurde Moritz 1922 erneut inhaftiert und nach Verbüßung seiner Strafe 1927 aus dem Gefängnis entlassen.

Obwohl durch Giftgas verletzt, gelang Hermann Laue die Rückkehr ins Arbeitsleben. Er zog mit seiner Ehefrau Mathilde und der am 4.10.1917 geborenen Tochter Ingeborg zum Hammerdeich 157 und arbeitete wieder als Stukkateur. Ein Ehrensold vom Militärversorgungsamt ergänzte sein Einkommen. Seit seiner Rückkehr aus dem Krieg wurde er mehrfach psychiatrisch untersucht, ohne dass eine endgültige Diagnose gestellt wurde. Seine geistige Gebrechlichkeit erforderte nach damaligem Recht Vormundschaften und hatte häufige und lange Klinikaufenthalte zur Folge. Anders als seine Brüder, betätigte er sich nicht aktiv an den politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit, trat auch keiner Partei bei.

Paul Laue heiratete am 22. Februar 1921 in Hamburg. Er arbeitete als Maurer und Bauleiter und lebte lange mit seiner Familie in der Wendenstraße 51.

Letzteres traf auch für Otto Laue zu. Er sympathisierte zwar mit der KPD, wurde aber erst 1939, drei Jahre nach seiner Flucht nach Kopenhagen, Mitglied der dortigen illegalen KPD-Gruppe.

Am Ende der Inflationszeit bedrohten rechtsgerichtete politische Kräfte die Republik, denen sich Kommunisten widersetzten und ihrerseits einen Aufstand planten. In der Annahme, dass sich ihnen wie sechs Jahre zuvor in Russland die Arbeiter massenhaft anschließen würden, unternahmen Hamburger Kommunisten am 23. Oktober 1923 einen Aufstand. Polizeiwachen, unter ihnen auch die in der Mittelstraße (heute: Carl-Petersen-Straße) in Hamm, wurden besetzt. Nach zwei Tagen war der Aufstand niedergeschlagen, Oswald Laue tauchte unter. Über seine Beteiligung sind keine Einzelheiten bekannt.

1924 übernahm Hermann Laue die Schankwirtschaft Bundsensweg 9, verbunden mit einem Laden für Obst, Gemüse, Blumen und Fisch. Zur gleichen Zeit zog Minna Laue 1924 in die Süderstraße 306, ihre zweite Langzeitbleibe. Dort nahm sie ihren Sohn Hermann nach dessen Ehescheidung am 10. Juli 1934 zunächst auf.

Bis zu seiner Heirat am 17. September 1927 wohnte Oswald Laue bei seiner Mutter. Seine Ehefrau, die zwei Jahre ältere Johanne Uekermann aus Elbdeich im Kreis Kedingen, wohnte in der nahen Diagonalstraße 25. Trauzeugen waren ihr Vater und der Arbeiter Carl Decker aus dem Kentzlersweg 5, einem weiteren Anlaufort der Familie und offenbar Emma Laues damaliger Ehemann. Deren Ehe blieb kinderlos, während Johanne und Oswald Laue am 8.1.1928 eine Tochter bekamen, die sie Lieselotte nannten. Sie wurde in der Klinik Finkenau geboren.

Oswald und Johanne Laue zogen in den Dobbelersweg 20, Oswald wurde als KPD-Funktionär in Hamm aktiv. Von 1927 bis 1933 hatte er den Posten eines Unterkassierers der KPD in Hamm inne. Nach Hitlers Machtantritt 1933 organisierte er die Verteilung der "Hamburger Volkszeitung" und anderer illegaler Schriften der KPD im Kreis III – Hamm, Horn, Hammerbrook, St. Georg – und anderer Stadtteile. Zusammen mit seinem Bruder Paul wurde er wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" festgenommen und 1934 vom Hanseatischen Oberlandesgericht zu einer Strafe von drei Jahren Zuchthaus verurteilt. An der Einschulung seiner Tochter Lieselotte in der Volksschule Osterbrook konnte er deshalb nicht persönlich teilnehmen.

Da Paul Laue keine Schuld nachgewiesen werden konnte, wurde er nach sechsmonatiger Untersuchungshaft außer Verfolgung gesetzt. Er blieb der KPD und der Roten Hilfe verbunden und schlug sich und die fünfköpfige Familie als Eisenflechter und Erträgen aus seinem gepachteten Garten durch.

Minna Laues älteste Tochter Minna, inzwischen verheiratete Helka, wurde schon 1929 mit 37 Jahren wegen eines Herzklappenfehlers invalidisiert. Ihr Sohn Erwin wurde von der KPD in die Tschechoslowakei geschickt. Nachdem sie im Herbst 1934 eine Nachricht von ihm erhalten hatte, nahm sie Kontakt zu ihm auf. Das brachte ihr Haussuchungen und Inhaftierungen ein, die wegen ihres Gesundheitszustandes jeweils nur von kurzer Dauer waren. Anklagepunkte waren, sie habe ihrem Sohn zur Flucht verholfen, habe bei ihren Besuchen in der Tschechoslowakei staatsfeindliche Organisationen besucht, Spionage betrieben und Devisenvergehen begangen. Außerdem habe sie abfällige Bemerkungen über den Krieg und Hitler gemacht. Das galt als Vorbereitung zum Hochverrat, doch keines der Verfahren gegen sie führte zu einer der sonst üblichen langjährigen Haftstrafen. In diesen Jahren stand ihr ihre Schwester Emma zur Seite.

Nach einem illegalen Aufenthalt in Hamburg von Ostern bis Pfingsten 1937 setzte sich Erwin Laue nach Kopenhagen ab, wohin sein Onkel Otto schon 1936 gegangen war. Von dort aus schloss er sich den Internationalen Brigaden in Spanien an und starb dort im September 1938. Denselben Weg hatte sein Onkel Moritz Laue genommen.
Mutter Minna Laue zog in die Steinbeker Straße 37, wo sich wieder Verwandte in Not einfanden.

Oswald Laue wurde regulär 1937 aus der Haft entlassen. 1939 erhielt er in seinem Beruf als Eisenflechter als Kolonnenführer in der Firma Franz Helmke wieder eine feste Anstellung. Seine Schwester Emma ging Ende Januar 1943 eine zweite Ehe ein. Sie heiratete den Genossen Richard Sieverts, der einen Sohn mit in die Ehe einbrachte, und zog nach Bergedorf. Richard Sieverts wurde zum Bewährungsbataillon eingezogen und starb an seinen Verwundungen am 30. September 1944 bei Lyon in Frankreich.

Paul Laue, der im Ersten Weltkrieg bei der Marine gedient hatte, trat 1941 als Maat bei der deutschen Marine ein und blieb bis Kriegsende dabei. Nach seiner Entlassung im Juli 1945 kehrte er nach Hamburg zurück.

Im Feuersturm der "Operation Gomorrha" wurden die noch in Hamm verbliebenen Mitglieder der Familie Laue ausgebombt. Mutter Minna Laue wurde in die Westprignitz evakuiert, wo sie nach Aussagen ihres Sohnes Paul 1953 noch lebte. Danach verliert sich ihre Spur.

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen am 9. April 1940 in Dänemark, wurde Otto Laue auf Veranlassung der Gestapo im Juni von der dänischen Polizei festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Wegen seiner Beteiligung an der deutschen kommunistischen Parteigruppe in Dänemark wurde er zu eineinhalb Jahren Gefängnishaft verurteilt. Nach seiner Strafverbüßung wurde er zunächst in das KZ Sachsenhausen verbracht und danach weiter in die KZs Lublin, Auschwitz und Mauthausen, wo er am 16. Mai 1945 entlassen wurde.

Hermann Laue wurde 1941 wegen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz angeklagt und im September 1942 zu einer dreijährigen Haft verurteilt. Die Familie bat um einen Gnadenerweis für ihn, einen alten Mann, der am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, fast taub und geistig gebrechlich war. Die Bitte hatte Erfolg, aber in den Wirren der folgenden Jahre wurde er schließlich an das KZ Neuengamme überstellt, wo er ums Leben kam. Er wurde auf den 31. Dezember 1945 für tot erklärt.

Nach der Ausbombung verlor Oswald Laue seine Wohnung, aber nicht seine Arbeit. In den Pausengesprächen mit Kollegen ließ er kritische Äußerungen über Hitler, den Kriegsverlauf und die Stärke der Armeen einfließen - Nachrichten ausländischer Sender, die von seinem Genossen Walter Medau (s. www.stolpersteine-hamburg.de) stammten. Offensichtlich wurde er denunziert und Pfingsten 1944 wegen Wehrkraftzersetzung verhaftet und am 7. Dezember 1944 durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.

Er stellte ein Gnadengesuch, das jedoch am 14. Januar 1945 abgelehnt wurde. Er konnte noch einen Abschiedsbrief an seine Frau und Tochter schreiben, dann wurde er am nächsten Tag, den 15. Januar 1945, im neuen Zuchthaus von Brandenburg-Görden enthauptet. Er wurde 46 Jahre alt.

Die Urne mit seiner Asche wurde 1946 nach Hamburg überführt und am 8. September im Ehrenhain der Widerstandskämpfer auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt.

Während die weiblichen Mitglieder der Familie Laue das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebten, waren fünf der sieben männlichen Angehörigen Opfer des NS-Regimes geworden. Außer an Oswald Laue erinnern bisher keine Stolpersteine an sie.

Otto Laue kehrte mit seiner Ehefrau Johanne, geb. Kaiser, nach Dänemark zurück, wo er am 17. September 1965 im Alter von 77 Jahren starb.
Paul zog in die Deutsche Demokratische Republik und ging dort im Februar 1956 eine zweite Ehe ein.

Erst 2002 wurde das Gerichtsurteil aufgehoben und damit Oswald Laues Ehre wieder hergestellt.

Stand: November 2021
© Hildegard Thevs

Quellen: Hamburger Adressbücher; StaHH 213-11, 29246, 65988; 232-5 Vormundschaft, 948; 242-1 II Haftkartei, 741-4, A 476; 351-11, Amt für Wiedergutmachung, 10938, 10971, 14645, 18599, 18948, 21166, 21167, 25301, 42399, 48907; Staatsarchiv Bremen, (4,60/5 Br.-Gröpelingen Reg.-Nr. 95/1914); Stadtarchiv Bochum, Sterberegister Bochum-Mitte, 373/1901, 393/1901, Geburtsregister 1068/1901; Hochmuth, Ursel: Ehrenhaingedenkbuch;
https://geschichtsbuch.hamburg.de/wp-content/uploads/sites/255/2018/05/AB-SEK-II-Hamburger-Aufstand.pdf; https://www.gelsenkanal.de/Geschichte-1023394361.html;
Standesamt Goldene Aue, telefonische Mitteilungen am 9.8.2012; Stadtarchiv Perleberg, digitale Mitteilungen am 13.10.2021.

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