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Else Geiershoefer
© Sammlung Familie Geiershofer/Schulenburg

Else Geiershoefer (geborene Kann) * 1879

Immenhof 10 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)


HIER WIRKTE
ELSE GEIERSHOEFER
GEB. KANN
JG. 1879
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET 22.10.1942

Else Amalie Geiershoefer, geb. Kann, geb. 9.11.1879, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert und dort am 22.10.1942 gestorben

Immenhof 10 (Pastorat der St. Gertrud Kirche) / Heinrich-Barth-Straße 6

Else Amalie Kann wurde als Tochter des jüdischen Ehepaares Mayer und Pauline Kann, geb. Dreyfuss, in Nürnberg geboren. Ihr Vater war Kaufmann und handelte mit Textilien. Am 10. Juni 1902 heiratete Else Kann den ebenfalls in Nürnberg geborenen Unternehmer Otto Geiershoefer. Dieser stammte zwar auch aus einer jüdischen Familie, war jedoch bereits vor der Hochzeit zum evangelisch-lutherischen Glauben übergetreten. Seine Frau Else kon­ver­­tierte erst am 28. Juni 1936, als sie schon verwitwet war, bei einem Besuch in Meran.

Das Ehepaar hatte zwei Kinder, Erik Ludwig kam am 24. Mai 1903 zur Welt und Herbert Theodor folgte am 20. Januar 1906. Beide Kinder wurden getauft und wuchsen mit dem christlichen Glauben auf.

Im Jahre 1894 hatte die Familie Geiershoefer die Firma Jacob Gilardi erworben, die ihren Sitz in Allersberg bei Nürnberg hatte. Unter der Leitung von Otto Geiershoefer, der die Firma 1904 von seinem Bruder Anton als Alleineigentümer übernahm, wurde in erster Linie Christ­baumschmuck aus leonischen Drähten (versilberte, vermessingte oder vergoldete dün­­ne Drähte) hergestellt. Die Familie Geiershoefer wohnte im an die Fabrikgebäude angebauten barocken Gilardihaus.

Die Firma Gilardi war nicht nur der größte Arbeitgeber in Allersberg, die Geiershoefers engagierten sich auch sozial. So ließen sie der Gemeinde Allersberg unter anderem Stiftungs­gel­der zukommen: 5000 Mark im Jahr 1918 für bedürftige Kriegsinvaliden und 3000 Mark im Jahr 1927 für bedürftige ältere Männer und Frauen, die früher bei der Firma Gilardi beschäftigt gewesen waren. Die Geiershoefers stifteten auch die Glocken für die 1933 erbaute evangelisch-lutherische Kir­che in Allersberg.

Als Otto Geiershoefer am 11. März 1936 starb, ging die Fir­ma in den Besitz seiner Witwe Else und deren Söhne über; der älteste Sohn Erik wurde Geschäftsführer. Im Juli 1938 besuchte Else einige Wochen ihren Bruder Char­les in New York, kehrte aber trotz der Verhältnisse in Deutsch­land nach Allersberg zurück.

Am 10. November 1938 wurden Else und ihr Sohn Erik verhaftet. Else kam acht Tage in "Schutz­haft". In dieser Zeit wurden von den Geiershoefern Vollmachten erpresst, mit denen die Kreisleitung der NSDAP die Firma Gilardi an den Weissenburger Nationalsozialisten Hermann Gutmann verkaufte. Das Gilardihaus, in dem die verwitwete Else weiterhin wohnte, wurde vorher von der Kreisleitung fast komplett geplündert. Nach der Haftentlassung zog Else sofort von Allersberg nach Hamburg. Hier fand sie in der Heinrich-Barth-Straße 6 eine neue Unterkunft, wie Erik Geiershoefer 1939 berichtete:

"Obwohl in Hamburg wie in fast allen übrigen Orten für Juden keine Zuzugsgenehmigung erteilt wurde, gelang es meinem Bruder, diese für Mutter zu erhalten. Einer der maßgebenden Polizeibeamten war zufällig ein alter Bekannter von ihm. Auch gelang es ihm seine bisherige Wohnung – er hatte dieselbe bereits gekündigt, da er im Laufe des Dezembers nach Basrah, Irac [sic] auswandern wollte – für Mutter zu erhalten."

Bereits in Nürnberg wurden Teile des Vermögens der Familie Geiershoefer beschlagnahmt. So musste Else zum Beispiel für die Reichsfluchtsteuer ihrer Söhne aufkommen. Trotzdem blieb ihr, als sie nach Hamburg zog, ein Eigenkapital von rund 122000 RM. Dies änderte sich mit der Sicherungsanordnung, welche gegen sie im Dezember 1938 erging. Von nun an durfte sie nicht mehr frei über ihr eigenes Vermögen verfügen, weil sie Jüdin war. Ihr Konto wurde ein­gefroren, und sie erhielt monatlich einen Freibetrag von lediglich 350 RM.

Mit dieser Einschränkung konnte Else Geiershoefer kaum umgehen. Sie musste ihren Haus­halt neu bestücken und war es schlicht­weg nicht gewohnt, so wenig Geld zur Verfügung zu haben. Ein weiteres Prob­lem für Else Geiershoefer waren fehlende Bekannte und Freunde in Ham­burg, die sie hätten unterstützen können. In keinem Geschäft bekam sie Kredit. Des­wegen musste sie fast jeden Monat bei der Hamburger De­visenstelle um weitere Geldmittel bitten. Schließlich verbot die Devisenstelle Else Geiers­hoefer im Mai 1940, nachträglich Rech­nun­gen einzureichen. Stattdessen sollte sie bereits zum Mo­natsbeginn all ihre zusätzlichen Aus­gaben anführen, was ihr fast unmöglich er­schien.

Als Erik Geiershoefer mit seiner Frau Magda und der gemeinsamen Tochter Susanne im April 1939 nach England auswanderte, überlegte auch Else zu emigrieren. Dafür hinterlegte sie ihre Wertsachen in einem Depot bei der Deutschen Bank. Der Juwelier Otto Hilcken aus der Spitalerstraße schätzte den Wert des Depotinhalts auf 2000 RM. Aufgrund der Siche­rungs­anordnung durfte sie auch über die Gegenstände im Depot nicht mehr frei verfügen.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges schwanden für Else Geiershoefer alle Hoffnungen auf eine Auswanderung. Etwas Halt fand sie während dieser schweren Zeit in der Gemeinde St. Ger­trud in Uhlenhorst und bei dem dortigen Pastor Walter Uhsadel. Zudem erhielt sie wohl auch ein kleines Zusatzeinkommen durch ihre Arbeit im Gemeindebüro. Pastor Uhsadel erinnerte sich nach Kriegsende an Else Geiershoefer:

"Die schmerzlichsten Erinnerungen verbinden mich mit Frau Else Geiershoefer, die ihres großen Ver­mö­gens beraubt worden war und nun unter Auf­­sicht der Gestapo ein kärgliches Leben führ­te. Sie war fast täglich in meinem Hau­se, um mir Schreib­arbeit und ande­res abzunehmen. Ihr einziger Trost war die regelmäßige Teil­­nahme am Gottes­dienst und am Heili­gen Abendmahl. An einem Mittwoch im Herbst 1941 schickte sie mir die Schreckensnachricht, dass sie am Frei­tag unter Zurück­las­sung ihrer bescheidenen Habe auf einem Sammelplatz zum Ab­trans­port erscheinen müsse. Ich war am Mittwochnachmittag bei ihr, um die Verzweifelte zu trösten, und nahm mich ihrer auch fast den ganzen Donnerstag an. Am Freitagmorgen um 7 Uhr kam sie zum letzten Male in mein Haus. Ich hatte eine kleine Schar von Gemeindegliedern eingeladen, und wir hielten mit ihr das Heilige Abendmahl. Unter unserer Fürbitte trat sie in festem Glauben den schweren Weg an. Ein paar Zettelchen mit Dankesworten aus dem Güter­zug, mit dem sie abtransportiert wurde, waren das letzte Lebenszeichen. Kurz vor Ostern 1942 muss sie in Polen mit vielen Tausenden von Leidensgefährten ermordet worden sein."

Am 25. Oktober 1941 wurde Else Geiershoefer mit einem Transport in das Getto Lodz deportiert. Dort wohnte sie in der Steinmetzstraße 21, Wohnung 2. Eigentlich sollte Else Geiers­hoe­fer am 7. Mai 1942 nach Chelmno "ausgesiedelt" werden, was ihren sicheren Tod in einem Gaswagen bedeutet hätte. Doch aufgrund eines Oberschenkelhalsbruches, den sie sich im Getto zugezogen hatte, wurde sie vom Transport zurückgestellt. Else Geiershoefer starb am 22. Oktober 1942 im Getto Lodz. Vor der Heinrich-Barth-Straße 6 erinnert ein Stolperstein an sie.

Erik Geiershoefer kehrte nach Kriegsende im Jahr 1946 mit seiner Familie nach Allersberg zu­rück und begann mit dem Wiederaufbau der Firma Jacob Gilardi und der teilweise schwer zer­störten Gebäude. Herbert Geiershoefer und dessen Frau Rita verbrachten den Krieg im Ausland und lebten später in Uganda.

© Carmen Smiatacz

Quellen: 1; 2; 4; 5, 8; StaHH 314-15, OFP, F 664; StaHH 314-15, OFP, FVg 2306; StaHH 314-15, OFP, FVg 2307; StaHH 314-15, OFP, R 1938/3551; Uhsadel: Persönliche Erinnerungen an St. Gertrud 1928–1943; USHMM, RG 15.083 301/1123; Dr. Alexander Schulenburg, Sammlung Familie Geiershoefer/Schulenburg (England).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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