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Bereits verlegte Stolpersteine



John Trettin * 1892

Horner Landstraße 416 (Hamburg-Mitte, Billstedt)


HIER WOHNTE
JOHN TRETTIN
JG. 1892
VERHAFTET 1933
KZ FUHLSBÜTTEL
ERMORDET 6.11.1933

Weitere Stolpersteine in Horner Landstraße 416:
Jonni (Jonny) Rummel

John Trettin, geb. 30.5.1892 in Hamburg, Tod am 6.11.1933 im KZ Fuhlsbüttel

Horner Landstraße 416 (Horner Landstraße 492)

John Trettins Vater, Carl Trettin, war Schlosser und mit Maria Friederike, geb. Haeseler, verheiratet. Sie gehörten der lutherischen Kirche an. Am 30. Mai 1892 brachte Maria Trettin ihren Sohn John in ihrer Wohnung Hohlerweg 17 zur Welt. John Trettin wuchs mit fünf Geschwistern, darunter einer Adoptivschwester, in der Hamburger Neustadt und in St. Pauli auf. Er besuchte die Volksschule und lernte dort seinen langjährigen Freund Wilhelm Zwanziger kennen. Nach Abschluss der Schule absolvierte John Trettin eine Dreherlehre.

Entscheidend für sein weiteres Leben wurde der Erste Weltkrieg. Er kämpfte im kaiserlichen Heer zunächst in Frankreich, dann in Russland, und wurde verwundet. Unter dem Eindruck der russischen Oktoberrevolution desertierte er 1918, was wegen des Kriegsendes und der nachfolgenden politischen Veränderungen im Deutschen Reich keine juristischen Konsequenzen hatte. Aufgrund seiner Kriegsverletzung und der damit verbundenen Erwerbsminderung erhielt er eine kleine Versorgungsrente. Er schloss sich einer kommunistischen Gruppierung namens "Roter Oktober" an. Inwieweit John Trettin an politischen Kämpfen teilnahm, ist nicht belegt.

Er fand Arbeit als Steinträger und zog zum Bauerberg 12 in Horn. Dort wohnte auch die geschiedene Katharina Rummel, geb. Janzen, geb. am 20. Januar 1895 zu Chortitza in der Ukraine, mit ihren Kindern Else und Jonny. Seine Eltern Carl und Maria Trettin wohnten unweit in der Boberger Straße 9.

Am 15. September 1928 heirateten Katharina Rummel und John Trettin. Else, geb. 20. Februar 1922, ging bereits zur Pachthof-Schule, Jonny, geb. 15. Dezember 1924, war noch zu Hause. Zu dem Haus am Bauerberg gehörte ein großer Garten, der die Familie mit Gemüse und Blumen versorgte. Hier wurden die beiden Söhne Walter, am 9. Dezember 1928, und Karl-Heinz, am 29. Dezember 1929, geboren. 1932 zog die Familie in eine modernere Wohnung in der Horner Landstraße 492, die allerdings keinen Garten hatte. Eine befreundete Familie gestattete die Mitbenutzung ihres Schrebergartens, später kaufte das Ehepaar Trettin einen kleinen Garten in der Weddestraße. Trotz der teilweisen Selbstversorgung litt die Familie Trettin Not, insbesondere, als John Trettin erwerbslos wurde und Wohlfahrtsunterstützung erhielt. Der Zusammenhalt in Familie, Nachbarschaft und Partei erleichterte das Leben.

Parteipolitisch betätigte sich John Trettin bis zum Verbot der KPD im März 1933 als deren Kassierer in Horn. Er entledigte sich seiner Waffe, indem er sie in Wilhelm Zwanzigers Schrebergarten in Horn vergrub, verständigte den Freund jedoch nicht darüber. Am 10. September 1933 wurde er verhaftet und zusammen mit Wilhelm Zwanziger wegen illegalen Waffenbesitzes angeklagt. Zu einer Verurteilung Trettins kam es nicht mehr, weil er am 6. November 1933 um 11.15 Uhr tot in seiner Zelle aufgefunden wurde, angeblich war er "durch Selbstmord (Strangulation) aus dem Leben geschieden", wie es auf der Todesbescheinigung hieß. Wilhelm Zwanziger soll davon erfahren und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen auf John Trettin abgewälzt haben. Das Verfahren gegen Zwanziger wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Da es zu keinem Verfahren gegen John Trettin mehr kommen konnte, wurde der Sachverhalt nie geklärt. Er stellt sich aufgrund von Zeitzeugenaussagen wie folgt dar:

Nach dem Verbot der KPD gab es mehrere Aktionen gegen Kommunisten in Horn. Sie nahmen ihren Ausgang von der NSDAP-Kreisleitung V im Blohms Park sowie Oskar Hoops’ Gaststätte "Zur Rennbahn" am Bauerberg. Angeblich verkehrte mitunter auch Gauleiter und Reichsstatthalter Karl Kaufmann in diesem Parteilokal. Im Herbst des Jahres 1933 soll es bei Hoops zu einem Attentatsversuch auf Karl Kaufmann gekommen sein.

Am darauf folgenden Sonntag klingelten Gestapoleute an der Wohnungstür von John Trettin, der sich aber nicht zu Hause aufhielt. Verängstigt und zögernd öffneten die Kinder die Wohnungstür und er­klärten den Sachverhalt, woraufhin die Gestapo abrückte. Nach seiner Rückkehr informierten die Kinder ihren Vater, der sich umgehend zur Billstedter Polizeiwache begab, wo ihm gesagt wurde, gegen ihn läge nichts vor. Dennoch wurde bald darauf eine Hausdurchsuchung vorgenommen, und wiederum einige Tage später wurde John Trettin verhaftet und in das KZ Fuhlsbüttel verbracht.

John Trettin wurde gefoltert, um von ihm die Namen etwaiger Mittäter zu erpressen. Er verriet niemanden. Ob seine Folterungen zum Tode führten, er wegen seines Schweigens umgebracht wurde oder sich das Leben nahm, um niemanden zu verraten, ist ungeklärt.

Katharina Trettin erhielt die Aufforderung, den Nachlass ihre Mannes aus der Kammer der Strafanstalt H 1 Suhrenkamp 98 abzuholen: einen neuen Anzug, eine Uhr, einen goldenen Trauring, eine silberne Zigarettenschachtel und Wäsche. Sie erhielt jedoch außer zwei Schuhen, einem Strumpf und einem Taschentuch keine Wäsche ausgehändigt. Im Bericht von der Leichenschau, den ihr das KZ zustellte, wurden blutunterlaufene Stellen in Gesicht, Hals und am Körper aufgeführt. Durch diese Aussagen und Berichte von Mithäftlingen verdichtete sich für Katharina Trettin der Verdacht, dass ihr Mann ermordet wurde, zur Gewissheit. John Trettins Stieftochter, Else Wulf, berichtete später, dass sie als damals elfjähriges Mädchen ihren Vater nicht erkannte, als sie vor seinem Leichnam stand, so entstellt durch blutverkrustete Hände, gebrochene Finger und Würgemale im Bereich des Halses sei er gewesen.

John Trettin wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf dem Schiffbeker Friedhof beigesetzt. Die Familie gab einige Freunde und Parteigenossen als Angehörige aus, sodass sie der Bei­setzung beiwohnen konn­ten.

Katharina Trettin erhielt immer weniger Unterhalt für sich und die Kinder. Als Erste konnte Tochter Else ab Ostern 1941 zum Haushaltseinkommen beitragen, dann ab 1. Juli 1942 auch Sohn Jonny. Durch den Verkauf von Hausrat und Kleidung versuchte Katharina Trettin, die Familie mit dem Nötigsten zu versorgen. Ende 1941 wurde sie zu Fabrikarbeit herangezogen. Ihre Tochter heiratete und zog nach Bad Kreuznach. Jonny Rummel wurde eingezogen und diente in der Wehrmacht. Am 8. Februar 1945 verurteilte ihn ein Kriegsgericht in Königsberg wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode. Er wurde im Alter von 20 Jahren erschossen (s. Seite 44f.).

© Jürgen Starcken

Quellen: VAN-Totenliste 1968; Kola-Fu Gedenkbuch; StaH, 332-5 Standesämter, 2286+2322/1892, 3586+756/1928; 332-8 Meldewesen, A 51/1; 351-11 AfW, 14375 und 17499; mündl. Mitteilungen von Rolf Trettin u. Else Wulf am 23. u. 29.12.2009; http://chortiza.heim.at/kolonie.htm, Zugriff am 13.2.2010.

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