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Bereits verlegte Stolpersteine



Hilde Edith Strauss * 1914

Hans-Henny-Jahnn-Weg 8 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)


HIER WOHNTE
HILDE EDITH STRAUSS
JG. 1914
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Hans-Henny-Jahnn-Weg 8:
Hugo Strauss, Edith Agnes Strauss

Hugo Strauß, geb. 6.6.1878, deportiert am 4.12.1941 nach Riga und dort verschollen
Agnes Strauß, geb. Steinfeld, geb. 20.1.1891, Flucht in den Tod am 11.11.1941
Edith Hilde Strauß, geb. 22.6.1914, am 4.12.1941 nach Riga und dort verschollen

Hans-Henny-Jahnn-Weg 8 (Osterbeckstraße 8)

Hugo Strauß wurde am 6. Juni 1878 in Hamburg als Kind der jüdischen Eheleute Strauß geboren. Sein Vater Selig war Lehrer. Er besuchte die Talmud Tora Realschule, später das Ham­burger Wilhelmgymnasium und verbrachte seine Studienzeit in Würzburg, München und Ber­lin. Die Approbation erhielt er 1903, etwa 1906 ließ er sich als praktischer Arzt in Hamburg nieder und heiratete 1913 seine ebenfalls jüdische Frau Agnes, geb. Steinfeld. Im gleichen Jahr mieteten sie eine 5½-Zimmer-Wohnung im Stadtteil Uhlenhorst, in der Osterbeckstra­ße 8 nahe Hofweg und Mühlenkamp. Hier eröffnete er auch seine Praxis und war gleichzeitig als Schul- und Wohlfahrtsarzt tätig. Er gehörte frühzeitig der Jüdischen Gemeinde an und nahm am Ersten Weltkrieg teil.

Hugo Strauß wurde 1933 gezwungen, seine Tätigkeit als Schularzt aufzugeben, kurz darauf verlor er die Zulassung als Wohlfahrtsarzt und einen Teil seiner Privatpatienten. Seine Praxis erhielt er bis zur Aberkennung der Approbation 1938 aufrecht. Hugo und Agnes Strauß hatten zwei Töchter, Hilde wurde am 22. Juni 1914 geboren und Eli­sa­beth am 17. März 1920.

Hilde besuchte das Real-Gymnasium Mittell-Redlich im Graumannsweg bis zum Abitur 1934, erhielt jedoch aus "rassischen" Gründen keine Berechtigung zum Hochschulstudium. Sie wäre gern Lehrerin geworden wie ihr Großvater; auch die Schwester ihrer Mutter, die in Essen lebende Margarethe Steinfeld, übte diesen Beruf aus. Der Wunsch, außerhalb der Schule mit Kindern zu arbeiten, wurde ebenfalls erschwert. Das Fröbel-Kindergärtnerinnen-Seminar nahm keine jüdischen Anwärterinnen auf und jüdische Kindergärtnerinnen-An­stalten in Berlin waren hoffnungslos überfüllt. Es gelang ihr jedoch, nach dem Besuch einer Haushal­tungs­schule, eine Stelle im Heim des Jüdischen Frauenbundes in Wyk auf Föhr zu bekommen, um dort mit Kindern zu arbeiten und anschließend im Privathaushalt der Familie Liebschütz in Blan­kenese tätig zu werden. Ab 1938 war sie im Israelitischen Krankenhaus zunächst im hauswirtschaftlichen Bereich beschäftigt und erlernte dann die Krankenpflege.

Auch die jüngere Schwester Elisabeth besuchte das Real-Gymnasium Mittell-Redlich. Laut Zeug­nis von 1935 sollte sie in die Obersekunda versetzt werden, aber wegen der Aus­sichts­losigkeit, später ein Studium zu beginnen, brach sie die Schule ab. Gern hätte sie eine medizinisch-technische Ausbildung gewählt, hatte aber keine Chance auf einen Ausbildungsplatz und folgte dem Beispiel der Schwester. Sie erlernte die Hauswirtschaft und war in jüdischen Institutionen in Hamburg, Wyk auf Föhr und Hannover tätig, wo der Bruder ihres Vaters, Hermann Strauß, mit seiner Familie lebte.

Im Juni 1939 konnte die 19-jährige Elisabeth dank einer schottischen Quäker-Hilfs­orga­ni­sa­tion der bedrohlichen Situation im Land durch Emigration entkommen, sie gelangte nach Edinburgh. Zunächst fand sie eine Beschäftigung als Haushaltshilfe und lernte ihren künftigen Ehemann, den Österreicher Stefan Wirlander kennen, der als Emigrant und Angehöriger des österreichischen Widerstands in der britischen Armee aktiv war und einen Rund­funk­sen­der betreute. Die beiden heirateten im März 1943. Kurz darauf konnte sie eine Ausbildung in ihrem Wunschberuf beginnen und wurde 1946 medizinisch-technische Assistentin. An­schlie­ßend folgte sie ihrem Mann, der 1945 nach seiner Entlassung aus der Armee schon nach Wien vorausgereist war. Sie gründeten eine Familie mit zwei Kindern.

Hugo Strauß geriet im Zuge der Novemberübergriffe 1938 als "Schutzhäftling" ins KZ Sach­senhausen, wurde jedoch wieder entlassen. Die große Wohnung in der Osterbeckstraße ließ sich nicht mehr halten, es fand sich eine kleinere Unterkunft in der Parkallee 10.

Ein Auswanderungsvorhaben von Hugo Strauß und seiner Frau Agnes konnte nicht nachgewiesen werden, trotzdem bestand seitens der Behörden ein Kapitalfluchtverdacht. Die Siche­rungsanordnung wurde im Dezember 1938 zugestellt, Reisepässe waren bei der Passpolizei abzugeben, alle Versicherungen, Barbestände und Wertpapiere waren einem Sperrkonto gutzuschreiben. Zunächst durfte die Familie monatlich über 1000 RM verfügen, ein Jahr später waren es nur noch 450 RM.

Hugo Strauß erhielt zum 1. Oktober 1939 die Zulassung als "Krankenbehandler" für jüdische Patienten und führte seine Praxis im Israelitischen Krankenhaus, wo auch Tochter Hilde tätig war. 1941 erhielt die Familie Nachricht vom Tod der Mutter und Großmutter Luise Stein­feld, wohnhaft in Düsseldorf. Der Erbanteil für Agnes Strauß wurde auf das Sperrkonto des Ehemannes eingezahlt.

Die Zunahme der Ressentiments gegen Juden und das Damoklesschwert der Deportation wurden für Hugo und Agnes Strauß schließlich unerträglich. Ein Freund schrieb1946 an Eli­sabeth: "Ihre Eltern haben, als die Evakuierung für sie drohend wurde, im gegenseitigen Ein­verständnis den Entschluss gefasst, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Sie wurden zu früh geweckt und ins Krankenhaus gebracht, wo Ihre Mutter nach einigen Tagen, am 11. No­vember 1941, starb. Ihr Vater und Hilde gingen am 4. Dezember 1941 mit einem Trans­port nach Riga. Ich war bis zum letzten Augenblick, da ich dort Bahnwache hatte, bei Ihrem Herrn Vater ... man hat leider nie mehr etwas von den beiden gehört."

Ein Zeitzeuge erinnerte sich, dass Hugo Strauß vor die Wahl gestellt worden sei, entweder eine Anklage wegen Mordes an seiner Frau zu erwarten oder den nächsten Transport als Arzt zu begleiten. Hugo Strauß und seine Tochter Hilde kamen im Getto Riga um, genaue Um­stände sind nicht bekannt, beide wurden zum 31. Dezember 1945 vom Amtsgericht Ham­burg für tot erklärt.

Wie bei vielen anderen Überlebenden haben jahrelange Verfolgung und die Verluste der nächsten Angehörigen auch Elisabeths weiteres Leben stark beeinträchtigt. Sie litt an chronischen Zwölffingerdarm- und Magengeschwüren, 1958 mit 44 Jahren war sie zu 66 Prozent erwerbsgemindert und nach einer Magenblutung zu schwach für eine Operation.

© Erika Draeger

Quellen: 1; 2; 5; 8; StaHH 314-15, OFP, R 1938/3402; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 22.06.14 Strauß, Hilde; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 17.03.20 Wirlander, Elisabeth; von Villiez: Mit aller Kraft verdrängt, S. 405.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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