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Bereits verlegte Stolpersteine



Jonni Melhausen * 1891

Otto-Speckter-Straße 2 (Hamburg-Nord, Barmbek-Nord)


HIER WOHNTE
JONNI MELHAUSEN
JG. 1891
VERHAFTET 1943
KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 26.8.1943

Weitere Stolpersteine in Otto-Speckter-Straße 2:
Hertha Melhausen

Hertha Melhausen, geb. Lübeck, geb. 8.11.1866, deportiert nach Theresienstadt am 19.7.1942, Todesdatum 18.8.1942
Jonni Melhausen, geb. 20.12.1891, gestorben am 26.8.1943 in Auschwitz

Otto-Speckter-Straße 2 (ehemals Otto-Speckter-Straße 1)

Hertha Melhausen wurde am 8. November 1866 als Tochter der jüdischen Eheleute Wilhelm Lübeck und Hannchen, geb. Lilienfeld, in Hamburg geboren. Ihr Ehemann war Isaak Mel­hausen. Das Ehepaar hatte mehrere Kinder, neben Jonni hatte Hertha 1907 und 1910 auch die Söhne Walter und Kurt geboren, ein älterer Sohn Max stammte möglicherweise aus der ersten Ehe Isaak Melhausens. Hertha Melhausen war in den dreißiger Jahren verwitwet. Sie wohnte in verschiedenen Stadtteilen, in den 1930er Jahren in Barmbek Nord, zuletzt in der Otto-Speckter-Straße 1. Von ihr wissen wir, dass sie am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt de­portiert wurde. Als Todesdatum gilt der 18. August 1942.

Im gleichen Transport befanden sich ihre Verwandten Marianne Melhausen, geboren am 9.April 1864 in Hamburg, und Louis Melhausen, geboren am 2. Januar 1867. Beide kamen um, Louis am 26. Januar 1943 in Theresienstadt und Marianne am 26. September 1942 im Ver­nichtungslager Treblinka.

Hertha Melhausens Sohn Jonni wurde am 20. Dezember 1891 in Hamburg geboren. Er be­suchte die Volksschule und absolvierte eine kaufmännische Lehre in einer Mehlhandlung. Am 28. August 1918 heiratete er die evangelisch getaufte Auguste Karoline Luise Haberland, ge­boren am 14. November 1998. Im Jahr darauf wurde am 2. September Tochter Käthe geboren, drei Jahre später, am 8. Juni 1922, die Tochter Edith.

Jonni Melhausen betrieb einen kleinen Kolonialwarenladen in der Grindelallee, das Amt für Wirtschaftsordnung stellte den Gewerbeschein am 15. November 1914 aus. Nach dem Ver­kauf des Ladens 1921 eröffnete er einen weiteren Laden in der Schwenkestraße, der nicht gut lief. Ab 1932 arbeitete Jonni als selbstständiger Vertreter, anfangs bei seinem Bruder Max Mel­hau­sen, dem ein Ladengeschäft für Tabakwaren gehörte. Nach Differenzen zwischen den Brüdern war er unter anderem für die Firmen Matthes am Schulterblatt und Elektro-Lux als Vertreter für Staubsauger und Radioapparate tätig. In dieser Zeit soll er ca. 500 RM im Monat verdient haben. Seine Miete im Jahre 1932 betrug 90 RM. 1934 war Jonni Melhausen kein Mitglied der Jüdischen Gemeinde und zahlte keine Kultussteuern. Nach Erlass der "Nürn­ber­ger Gesetze" fand er keine Arbeit mehr, weil niemand einen Juden beschäftigen wollte. Er musste sich als arbeitsuchend beim Arbeitsamt melden. Dadurch wurde er in der Folge von verschiedenen Firmen dienstverpflichtet zu einem äußerst geringen Lohn von monatlich 50 RM.

1938 musste Jonni Melhausen – wie alle jüdischen Haushaltsvorstände – sein Radio abgeben. Die Familie hatte nacheinander Wohnsitze in Barmbek und Uhlenhorst, im Hamburger Adress­buch von 1938 ist die Otto-Speckter-Straße 1 genannt. Möglicherweise lebten sie aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage zusammen mit der Mutter Hertha Melhausen, die eben­falls in diesem Haus wohnte und zuvor noch eine ältere Verwandte in ihrer Wohnung ge­pflegt hatte. Die beiden Töchter hatten früh geheiratet, es ist nicht sicher, bis wann sie bei den Eltern lebten.

Im Herbst 1939 wurde Jonni Melhausen als Jude vom Arbeitsamt zur Zwangsarbeit als Stra­ßenfeger und in andere Stellen verpflichtet. Am 27. Februar 1943 wurde er im Rahmen der sogenannten Schallert-Aktion an seinem Arbeitsplatz in der Fabrik einer Harburger Mühle (evtl. Reismühle) verhaftet, wie weitere Zwangsarbeiter auch. Betroffen waren insgesamt 17 männliche Juden, die "privilegierte Mischehen" führten und in deren Rahmen eigentlich einen gewissen Schutz genossen. Willibald Schallert, Leiter der Sonderdienststelle des Ar­beits­amtes für jüdischen Arbeitseinsatz, hatte nach der "Fabrik-Aktion", bei der reichsweit Tausende jü­di­scher Zwangsarbeiter verhaftet und nach Auschwitz deportiert worden waren, in Hamburg eine Liste jüdischer "Arbeitssaboteure" erstellt, die allesamt in "Mischehen" lebten. Jonni Mel­hausens Frau Auguste erhielt die Nachricht über seine Gefangennahme durch einen anderen Arbeiter.

Zwei Wochen vor der Verhaftung, am 12. Februar, war Jonnis erstes Enkelkind zur Welt ge­kommen, das von seinem Großvater nur kurz begrüßt werden konnte und ihn nicht mehr kennenlernen durfte. Auguste Melhausen hatte nur einmal für zehn Minuten Möglichkeit, mit ihrem Mann in Gegenwart eines Beamten zu sprechen. Dabei rätselte er über den Grund für seine Inhaftierung, weil es keine Verurteilung gegeben hatte. Seine Frau durfte ihm einmal wöchentlich Lebensmittel bringen und frische Wäsche gegen gebrauchte austauschen. Darin fand sie einen Zettel von ihrem Mann mit dem Hinweis, er solle deportiert werden.

Nach zwölf Wochen als "Schutzhäftling" im KZ Fuhlsbüttel wurde er am 27. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Dort starb Jonni Melhausen laut Todesurkunde in der Kasernenstraße am 26. August 1943. Seine Frau forderte eine Sterbeurkunde an und erhielt sie unter dem Datum des 11. November 1943.

Auguste Melhausen erhielt weder Unterstützung noch Arbeit, weil niemand sie als Witwe eines Juden beschäftigen wollte. Ihre Wohnung wurde während der Bombenangriffe zerstört, vom Hausrat konnte nichts gerettet werden. So war sie gezwungen, Geld zu leihen und sich zu verschulden. Nach dem Krieg fand sie eine Stelle als Raumpflegerin und Botin im Niederländischen Konsulat. Sie musste ihre Schulden abbezahlen und lange um eine Wie­der­gutmachungsrente kämpfen, weil Jonni Melhausens Einkommen während seiner freiberuflichen Tätigkeiten schwer geschätzt werden konnte.

So bestätigte ein Kaufhaus Matthes, in dem er als Staubsaugervertreter tätig gewesen war, dass er dort in den dreißiger Jahren gearbeitet hatte. Unterlagen darüber existierten jedoch nicht mehr, sodass keine Angaben zur Verdiensthöhe gemacht werden konnten. Angeschriebene Mühlen behaupteten später, nie mit ihm in Kontakt gewesen zu sein – niemand wollte in den Ruf geraten, Zwangs­ar­beiter beschäftigt zu haben.

Bewilligt wurde eine Sonder­rente von 140 Mark. Für 4 Mo­nate anerkannte Haftzeit ihres verstorbenen Mannes gab es 225 Mark Entschä­di­gung und eine kleine Summe wurde für bei der Verhaftung einbehaltene Wert­gegen­stän­de wie Uhr und Ringe genehmigt.

Auch ihre inzwischen verheirateten Töchter musten um ihre materielle Existenz kämpfen. Au­gus­te Melhausen starb am 8. Juni 1962 in Hamburg.

© Eva Acker/Erika Draeger

Quellen: 1; 4; 5; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 20.12.91 Melhausen, Jonni; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 14.11.98 Melhausen, Auguste; Beate Meyer: Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden, S. 70ff; S. 84; Beate Meyer: Jüdische Mischlinge – Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933–1945, S. 199; Archivum Panstwowe, Lodz.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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