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Hermann Kath (Bildmitte mit Mütze) SV St. Georg, 1930
© H. Bredemeier

Hermann Amandus Kath * 1908

Hammer Steindamm 130 (SV St. Georg) (Hamburg-Mitte, Hamm)


HIER SPIELTE
TORWART
HERMANN AMANDUS
KATH
JG. 1908
VERHAFTET 1945
ERSCHOSSEN 20.4.1945
KASERNE
RAHLSTEDT-HÖLTIGBAUM

Hermann Kath, geb. 9.11.1908 in Hamburg, erschossen am 20.4.1945 in Rahlstedt-Höltigbaum

Classenweg 8 und Hammer Steindamm 130

Hermann Kath galt unter Fußballfans als großes Hamburger Torwarttalent. Er soll in den 1920er Jahren beim SC Concordia gespielt haben und wechselte 1928 zum höherklassigen SV St. Georg. Dort wurde er als Torwart der Oberliga-Fußballmannschaft des SV St. Georg von 1895 e. V. (Hamm/Horn) bekannt. Wegen seiner Sprungkraft wurde er "die Katze" ge¬nannt. Die Vereinszeitung des SV St. Georg schrieb 1931 über ihn: "Von unseren Spielern ist Kaths Leistung schon erwähnt. Er ist durch dieses Spiel endgültig ‚ins öffentliche Leben getreten‘ und wird wohl zukünftig des öfteren zu repräsentativen Ehren kommen. Nun heißt es nur, ganz der Gleiche zu bleiben, als der er sich auf diese Höhe hinaufgearbeitet hat, dann wird es noch weiter bergan gehen!" Diese Mahnung, nicht die Bodenhaftung zu verlieren und mit außersportlichen Eskapaden negativ aufzufallen, erfolgte nicht zufällig, denn Kath galt als anfällig hierfür. Sein Verhalten könnte man – vorsichtig ausgedrückt – als unangepasst bezeichnen. 1931 bis 1935 absolvierte er achtzehn Spiele für die Hamburger Fußball-Auswahl, auch für die deutsche A-Nationalmannschaft soll er im Gespräch gewesen sein, kam aber laut Archiv des Deutschen Fußballbundes dort zu keinem Einsatz.

Wir wissen nichts über Kindheit und Jugendzeit von Hermann Kath (geb. 9.11.1908) und seiner Schwester Elisabeth "Lissy" Kath (geb. 1902 oder 1904). Sein Großvater und Taufpate Hermann Kath (geb. 1848), Kranführer/ Kranmeister, hatte 1897 das Hamburger Bürgerrecht erworben. Hermann Kath juniors Eltern waren Heinrich (1882–1963) und Bertha Kath geb. Rau (1879–1948). Im April 1909 wurde Hermann Kath in Hamburg-Eilbek in der Friedenskirche getauft. Ab 1912 lebte die Familie in Hamm in der Marienthaler Straße 129. Der Umzug aus der nahegelegenen Friedenstraße 39 (Eilbek) ging einher mit Heinrich Kaths Beförderung vom Kontoristen zum Prokuristen. 1923 zog die Familie in die Marienthaler Straße 154. Im Adressbuch von 1943 ist im Straßenverzeichnis für das viergeschossige Wohnhaus im Erdgeschoss "H. Kath, Prok." vermerkt. (Das Haus wurde im Sommer 1943 ausgebombt, Bertha Kath wurde ein Zimmer in dem Einfamilienhaus Buchtstraße 8 (heute Classenweg 8) im Stadtteil Wellingsbüttel zugewiesen, das sie am 27. Oktober 1943 bezog.)

Heinrich Kath war mindestens seit 1925 bis Mai 1940 als Prokurist bei der 1894 gegründeten Schiffsmaklerfirma R. Ludolphs (Geschäftsräume im "Ballinhaus", 1938 in "Meßberghof" umbenannt) tätig; die Firma hatte ihm in der Privatwohnung einen geschäftlichen Fernsprechanschluss legen lassen. Er gehörte weder der NSDAP noch deren Gliederungen oder angeschlossenen Verbänden an. Vor 1933 war er Mitglied der Ende 1919 gegründeten "Vereinigung der Leitenden Angestellten in Handel und Industrie" in Hamburg (Vela) gewesen. Ab Juni 1940 war er zur Auslands-Telegramm-Prüfstelle dienstverpflichtet worden; das monatliche Gehalt von 380 RM wurde nun von der Standortkommandantur Wandsbek der Wehrmacht überwiesen. Ab 18. Juli 1940 übte er diese Tätigkeit im von deutschen Truppen besetzten Kopenhagen aus.

Hermann Kath heiratete 1934 Martha Tiefmeier, mit der er eine Tochter bekam. Im Adressbuch von 1937 wurde als Adresse die Sievekingsallee 37 (Hamm-Nord) angegeben. Er arbeitete als Kaufmännischer Angestellter und wurde ab Juni 1936 arbeitslos. Im November 1936 wurde die Ehe geschieden. Das Kind blieb bei der Mutter und Hermann Kath zog zu seinen Eltern in die Marienthaler Straße 154 zurück. Bei seiner zweiten Eheschließung war Hermann Kath bereits zur Wehrmacht eingezogen: Am 9. März 1941 heiratete er in Mittersill die Österreicherin Olga Berauer (geb. 1916 in Bischofshofen). Die Ehe wurde vermutlich zwei Jahre später geschieden. 1943 zog Olga Kath zurück nach Österreich.

Am 10. Juli 1940 wurde Hermann Kath zur Wehrmacht eingezogen. Er diente beim Eisenbahn-Pionier-Bataillon, war zeitweilig zur Eisenbahn-Pionier-Schule in Rehagen (Vorpommern) abkommandiert und wurde im April 1941 zum Oberpionier befördert. Die genauen Stationierungsorte und zugewiesenen Aufgaben sind nicht bekannt. Als Eisenbahn-Pionier dürfte er aber beim Schienenbau, Fahrbetrieb, Brückenbau sowie der Anlage und Beseitigung von Sperren eingesetzt worden sein.

Bekannt ist, dass Hermann Kath sich bei der Wehrmacht Probleme einhandelte und inhaftiert wurde, weil er unangepasst war. Denkbar sind Befehlsverweigerung oder anderes, das als "Wehrkraftzersetzung" behandelt wurde. Am 11. Juni 1942 wurde er vom Wehrmachtsgefängnis Glatz (Schlesien), rund 70 km südlich von Breslau, ins Wehrmachtsgefängnis Ludwigsdorf verlegt. Am 25. Januar 1944 verzeichnete das Wehrmachtsgefängnis Torgau/Elbe seine Einlieferung. Nach fast acht Monaten wurde er am 8. September 1944 der Feldstrafgefangenen-Abteilung 5 im besetzten Polen zugeteilt. Dort fasste die Wehrmacht Häftlinge mit "charakterlichen Mängeln" aus Wehrmachts-Gefängnissen in unbewaffneten Bautrupp-Einheiten für die Ostfront zusammen. Sie mussten gefährliche Aufgaben wie Minenlegen, Minenräumen, Stellungs-, Bunker- und Straßenbau erledigen und erhielten nur geringe Verpflegung. Nach drei bis neun Monaten "guter Führung" sollte der Häftling in eine Bewährungseinheit überstellt werden.

Bereits am 17. Oktober 1944 wurde Hermann Kath zur 17. Panzer-Division (vermutlich in die Nordukraine) abkommandiert und wechselte in den nächsten Monaten erneut die Einheit. Seit mindestens März 1945 war er als Pionier in Hamburg-Altona eingesetzt: Bereits seit August 1944 wurde um Hamburg ein Verteidigungsring aus Panzergräben und Panzersperren an den Ausfallstraßen errichtet. Hierfür wurden u. a. Pioniereinheiten eingesetzt. Möglicherweise war Hermann Kath einer dieser Einheiten zugeteilt.

Hamburg lag im Bereich der Heeresgruppe Nordwest und unterstand seit dem 14. März 1945 der Befehlsgewalt von Generalfeldmarschall Ernst Busch, der wie Admiral Dönitz sein Hauptquartier in Plön hatte. Ab 7. April 1945 war Generalmajor Alwin Wolz Kampfkommandant Hamburgs, der die zur Festung erklärte Stadt unbedingt gegen den Feind verteidigen sollte. Hitler hatte für Hamburg die Zerstörung von Brücken, Kai- und Werftanlagen sowie Schiffen für den Fall angeordnet, dass die Alliierten Hamburg erobern würden. Seit März 1945 zeichnete sich eine direkte militärische Bedrohung Hamburgs ab.
Gegen Kriegsende verschärften Gestapo und SS ihren Terror. Heinrich Himmler, Reichsführer-SS, Chef der deutschen Polizei, Reichsinnenminister und Befehlshaber des Ersatzheeres in einer Person, hatte noch am 1. April die Hansestadt besucht und am 3. April 1945 eine Anordnung erlassen, nach der alle männlichen Personen zu erschießen seien, die nicht zum "Volkssturm" angetreten waren oder aus deren Haus weiße Tücher gehängt würden. "Hamburg ist zum Verteidigungsbereich erklärt worden", hieß es am 8. April 1945. Am 12. April 1945 forderte ein weiterer Befehl die uneingeschränkte Verteidigung der deutschen Städte und drohte bei Zuwiderhandlung mit Erschießung. Hermann Kath soll im März 1945 von einer Militärstreife verhaftet worden sein.

Ob es sich dabei um Feldgendarmen (Militärpolizei) der Wehrmacht, die wegen ihres Metall-Ringkragens so genannten Kettenhunde, handelte, oder um eine SS-Formation in gleicher Funktion, ist nicht bekannt. In Hamburg-Langenhorn war das SS-Bataillon "Panzerteufel" unter Führung des SS-Hauptsturmführers Heinemann stationiert, das als Elitetruppe galt. Sowohl die Feldgendarmen als auch die SS kontrollierten einzelne Soldaten, die sich auf Urlaub sowie auf dem Weg von oder zur Einheit befanden. Bereits am 15. Februar 1945 waren "Standgerichte in feindbedrohten Reichsverteidigungsbezirken" eingerichtet worden. Am 15. März ging beim Militärgericht die Mitteilung ein, Hermann Kath habe sich der "unerl. Entfernung" also der Desertion schuldig gemacht. Er wurde in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Hamburg-Altona in der Strafanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel gebracht.

Das "Gericht der Wehrmacht – Kommandantur Hamburg" (Harvestehuderweg 41) fällte am 12. April 1945 ein Todesurteil, das am 18. April bestätigt wurde. In der Nacht vom 19. auf den 20. April 1945 wurde für Hamburg die höchste Alarmstufe verkündet, da englische Verbände im Süden bis an die Stadtgrenze vorgerückt waren.
Der 36-jährige Hermann Kath wurde am 20. April 1945 auf dem Schießplatz Höltigbaum (Hamburg-Rahlstedt) erschossen, auf dem 1942 bis 1945 bereits Dutzende Deserteure hingerichtet wurden. Außer ihm fanden am selben Tag die Matrosen Alwin Klank, Rolf Reh und Ernst Gennerich, der Heizer Karl Tibbert sowie der zwanzigjährige Kraftfahrer Herbert Walter den Tod. Wehrmachtssoldaten der nahegelegenen Graf-Goltz-Kaserne bildeten das freiwillige Exekutionskommando. Es ist anzunehmen, dass dieses aus 10 Mann bestand, die sich fünf Schritte vor dem Delinquenten aufstellten und beim Kommando "Feuer" Hermann Kath erschossen. Ein Arzt des Reservelazaretts nahm üblicherweise zur amtlichen Feststellung des Todes an der Erschießung teil.
War es Zufall oder Kalkül, dass für die Hinrichtung "Führers Geburtstag" gewählt wurde – eine letzte zynisch-brutale Demonstration des noch vorhandenen NS-Terrorpotenzials im Angesicht des verlorenen Weltkrieges? An diesem Tag besetzten britische Armeeinheiten Borstel an der Unterelbe, und es begann der Sturm der Roten Armee auf die Reichshauptstadt Berlin.
Vom "Gericht der Wehrmacht" wurde üblicherweise festgelegt: "Todesanzeigen oder Nachrufe in Zeitungen, Zeitschriften und dergl. sind verboten." In der Sterbeurkunde von Hermann Kath des Standesamts Hamburg-Wandsbek, ausgestellt am 20. August 1945, wurde als Todesursache "plötzlicher Herztod" eingetragen. Die Leiche wurde vermutlich in das Reservelazarett überführt und von dort zum Friedhof Ohlsdorf überstellt. Er wurde laut Sterbeurkunde auf dem Ohlsdorfer Friedhof (Bp 74, Reihe 65, Nr.27) unter einem Holzkreuz begraben (1960 wurde das Grab in die Krieger-Ehrenallee unter einen Kissenstein bei BM 52, Reihe 6, Grab 26 überführt).

Zuletzt wurden noch am 28. April 1945 drei Soldaten auf dem Gelände Höltigbaum erschossen. Am 3. Mai 1945 marschierte die britische Armee in Hamburg ein.
Am 8. Juni 1945 kehrte der Vater Heinrich Kath aus Kopenhagen zurück.
Das Urteil gegen Hermann Kath ist nicht mehr auffindbar. Da ein Verlust des Dokuments durch Kriegseinwirkungen ausgeschlossen werden kann, ist eine absichtliche Vernichtung denkbar, bleibt aber Spekulation.

Im Mai 2002 wurden die Deserteure der Wehrmacht pauschal rehabilitiert. Das Todesurteil gegen Hermann Kath wurde damit automatisch aufgehoben.

Stand November 2014

© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 332-5 (Standesämter), 2013 u. 406/1882 (Geburtsregister 1882, Johann Heinrich Ludwig Kath); StaH 332-5 (Standesämter), 3105 u. 714/1908 (Heiratsregister 1908, Johann Heinrich Ludwig Kath u. Bertha Magdalena Rau); StaH 332-5 (Standesämter), 9996 u. 2156/1948 (Sterberegister 1948, Bertha Magdalena Kath geb. Rau); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), Bürger-Register 1896–1898 A-K (Hermann Kath, Kranführer); StaH 332-8 (Alte Einwohnermeldekartei), Hermann Kath Senior; StaH 332-8 (Hauskartei), K 2524 (Classenweg 8); StaH 221-11, Misc. 10070 (Heinrich Kath); Bundesarchiv-Militärarchiv, Strafsachenliste IV des Gerichts der Wehrmacht – Kommandantur Hamburg, 1945; Deutsche Dienststelle/WASt, Berlin; Bischofshofen (Österreich), Stadtamt (Angaben zur Geburt und Heirat von Olga Berauer); Stadtgemeinde Mittersill/Oberpinzgau (Österreich), Karteikarte des Melderegisters (1943–1944); Landgericht Hamburg, Scheidungsurteil 1936/ 1937; Evangelische Kirchengemeinde Friedenskirche-Osterkirche in Eilbek, Taufregister (4.4.1909 Hermann Emil Amandus Kath); Friedhof Ohlsdorf, Archiv; Adressbuch Hamburg 1910–1913, 1923, 1933–1938, 1943; Fernsprechbuch Hamburg (R.Ludophs) 1925, 1928, 1935; Gedenkbuch Kola-Fu, Hamburg 1987, S. 49; Jubiläumsschrift 90 Jahre SV St.Georg 1895–1985, Hamburg 1985, S. 31, 63; Jubiläumsschrift 100 Jahre SV St. Georg 1895–1995, Hamburg 1995, S. 53 (auf S. 52 Mannschaftsfoto); Kerstin Siebenborn, Der Volkssturm im Süden Hamburgs 1944/45, hrsg. vom Verein für Hamburgische Geschichte, Band 35, Hamburg 1988, S. 14–33; Volker Ullrich, Den Mut haben davonzulaufen, in: Die Zeit/Magazin, Gehorsam bis zum Mord? – der verschwiegene Krieg der deutschen Wehrmacht, Hamburg 1995, S. 64–69; Manfred Asendorf, 1945 – Hamburg besiegt und befreit, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 1995, S. 8–9, 21; Hartmut Hohlbein, Hamburg 1945. Kriegsende, Not und Neubeginn, Hamburg 1985, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 25–29; Michael Ahrens, Die Briten in Hamburg. Besatzerleben 1945–1958, München/Hamburg 2011, S. 34 ff.; Detlef Garbe/ Magnus Koch/ Lars Skowronski, Deserteure und andere Verfolgte der NS-Militärjustiz, Die Wehrmachtsgerichtsbarkeit in Hamburg, Hamburg 2013, S. 29, 36; www.lexikon-der-wehrmacht.de/ Gliederungen/FeldstrafgefangenenAbt (eingesehen am 26.3.2009); Gespräch mit Peter Beckmann (SV St.Georg), Oktober 2008.

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