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Bereits verlegte Stolpersteine



Stolperstein für Henny Meyer
© Johann-Hinrich Möller

Henny Meyer * 1906

Wrangelstraße 65 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)


HIER WOHNTE
HENNY MEYER
JG. 1906
EINGEWIESEN 1936
’HEILANSTALT’ LANGENHORN
1940 LANDESANSTALT
BRANDENBURG
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Wrangelstraße 65:
David Meyer, Golda Meyer

Henriette Jetta (Henny) Meyer, geb. am 20.3.1906 in Hildesheim, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel
David Meyer, geb. am 14.7.1874 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Golda Meyer, geb. Baumgarten, geb. am 14.2.18979 in Halberstadt, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Hamburg-Hoheluft-West, Wrangelstraße 65

David Meyer, geboren am 14. Juli 1874 in Hamburg, heiratete 1905 die am 14. Februar 1879 in Halberstadt geborene Golda Baumgarten. Beide Eheleute entstammten jüdischen Familien. Das Ehepaar lebte zunächst in Hildesheim und bekam dort seine drei Kinder Henriette Jetta (Henny) am 30. März 1906, Julius Noah am 15. Mai 1907 und Angela (Anni) am 2. August 1908.

David Meyer hatte nach der Beendigung der Volksschule das Tapezier- und Dekorateurhandwerk erlernt. Er arbeitete als "Tapezierermeister, Polsterer, Dekorateur und Möbelhändler" in Hildesheim, bevor die Familie 1910 nach Hamburg in die Wrangelstraße 65a in Hoheluft-West umzog. In Hamburg betrieb David Meyer gegenüber seiner Wohnung eine Werkstatt als Tapezierer und Dekorateur. Die Geschäfte müssen in den ersten Jahren gut gelaufen sein, denn Bekannte der Familie beschrieben die Lebensverhältnisse als "gutbürgerlich" und "die Kinder als immer gut gekleidet". Seit Juli 1914 gehörte David Meyer der Jüdischen Gemeinde in Hamburg an.

In den 1920er Jahren war David Meyer in Hamburg noch als Tapeziermeister tätig. Er übte sein Handwerk überwiegend allein aus, nur vorübergehend beschäftigte er auch Hilfskräfte. 1923 blieben die Aufträge infolge der Wirtschaftskrise und der Hyperinflation aus. Die Familie war nun zeitweise auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen. Als David Meyer 1932 erneut Fürsorgeunterstützung wegen Mietrückständen beantragen musste, vermerkte die Fürsorgerin: "Es handelt sich hier um ordentliche Leute und ist es M. sehr schwer geworden, sich an die W. [Wohlfahrt] zu wenden!" 1933 musste David Meyer sein Geschäft und seine Werkstatt aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Er konnte aber später seine Berufstätigkeit wieder aufnehmen, bis ihm Ende 1938 die Fortführung seines Gewerbes verboten wurde.

Die beiden Töchter Henriette und Angela Meyer besuchten die Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in der Karolinenstraße 35, Julius, der einzige Sohn, bis 1922 die Talmud Tora Schule. Er erlernte das Feinmechaniker-Handwerk. Zur Zeit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933 arbeitete er beim Telegraphen-Zeugamt in Lokstedt. Er verlor seine Stellung unter Berufung auf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Nach verschiedenen Aushilfstätigkeiten bekam er schließlich im November 1935 eine Anstellung als Schulwart in der Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in der Karolinenstraße 35, wo er dann auch mit seiner Ehefrau Gerda, geborene Cohen, geboren am 31. März 1909 in Düsseldorf, und seiner am 19. November 1935 geborenen Tochter Ruth wohnte.

Angela Meyer wohnte bei ihren Eltern, bis sie Hamburg im Jahre 1928 verließ und aus beruflichen Gründen nach Königsberg übersiedelte. Sie verließ Deutschland 1933 und lebte fortan in Palästina. Angela Meyer heiratete und führte dann den Nachnamen Böhm.

Auch Henriette Meyer wohnte bei ihren Eltern. Sie war nach Beendigung des Schulbesuchs als Kontoristin bei einer Bank tätig. 1923 verlor sie ihre Anstellung. Sie hoffte auf eine neue Arbeitsstelle, wurde aber von der Fürsorgedienststelle aufgrund einer "Nervenkrankheit" als erwerbsunfähig eingestuft. 1930/31 wurde sie zweimal in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg aufgenommen. Einer Notiz in der Fürsorgeakte ihres Vaters zufolge scheint sie sich auch kurzzeitig in der Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemütskranke in Bendorf-Sayn bei Koblenz aufgehalten zu haben. Henriette Meyers Friedrichsberger Patienten-Karteikarte weist aus, dass ihr letzter Aufenthalt in dieser Anstalt am 8. Oktober 1936 begann. Wahrscheinlich wurde Henriette Meyer später wieder in einer Anstalt außerhalb Hamburgs untergebracht. Darauf deutet hin, dass ihr Name in den Hamburger Unterlagen zur Volkszählung vom Mai 1939 nicht zu finden ist.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten– unter ihnen Henriette Meyer – am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Henriettes Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm/Cholm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Mit Ausnahme ihrer Schwester Angela Böhm kam Henriette Meyers Familie im Holocaust um Leben. Henriettes Eltern, David und Golda Meyer, erhielten den Deportationsbefehl für den Transport am 6. Dezember 1941 nach Riga/Jungfernhof. Von ihnen gab es nie wieder ein Lebenszeichen. Für beide liegen Stolpersteine in der Wrangelstraße 65 in Hoheluft-West. Hier liegt auch ein Stolperstein für Henriette Jetta (Henny) Meyer.

Henriettes Bruder Julius Meyer, seine Ehefrau Gerda und deren Tochter Ruth wurden am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort starb Gerda Meyer am 30. April 1944. Julius wurde am 28. September 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert, die neunjährige Tochter Ruth am 9. Oktober 1944. Beide wurden in Auschwitz ermordet. Für alle drei liegen Stolpersteine in der Karolinenstraße 35 vor dem Gebäude der ehemaligen Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde. Die Lebensgeschichten dieser Menschen finden sich im Internet unter www.stolperstein-hamburg.de.

Stand: Mai 2018
© Ingo Wille

Quellen: 1; 3; 4; 5; 7; 8; 9; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 314-15 Oberfinanzpräsident Abl. 1998/1 J7/517/19; 332-3 Zivilstandsaufsicht A 181 Geburtregistereintrag Nr. 5044/1874 David Meyer; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 32948 Anni Böhm geb. Meyer, 32949 Golda Meyer, 351-14 Arbeits- und Sozialbehörde, Sonderakten 1548 David Meyer; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; Stadtarchiv Halberstadt, Heiratsregister Nr. 125/1905 David Meyer/Golda Baumgarten; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Henriette Meyer der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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