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Bereits verlegte Stolpersteine



Siegfried Rosentreter * 1923

Behnstraße 17 (vormals Nr. 37) (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
SIEGFRIED ROSENTRETER
JG. 1923
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Behnstraße 17 (vormals Nr. 37):
Samuel Rosentreter, Fanny Rosentreter, Ingbert Rosentreter, Betty Rosentreter, Alfred Rosentreter

Alfred Rosentreter, geb. am 4.6.1934, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, deportiert am 10.5.1942 nach Chelmno, dort ermordet
Betti Rosentreter, geb. am 16.1.1926, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, deportiert am 10.5.1942 nach Chelmno, dort ermordet
Fanny Rosentreter, geb. Weinberger, geb. am 4.4.1898, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, deportiert am 10.5.1942 nach Chelmno, dort ermordet
Ingbert Rosentreter, geb. am 15.3.1924, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, deportiert am 10.5.1942 nach Chelmno, dort ermordet
Samuel Rosentreter, geb. am 4.6.1892, inhaftiert ab 9.2.1939, deportiert nach Auschwitz am 14.1.1943, ermordet am 15.2.1943
Siegfried Rosentreter, geb. am 9.2.1923, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, weiterdeportiert mit unbekanntem Ziel am 17.11.1941, gestorben

Behnstraße 17 (Behnstraße 37)

Samuel Rosentreter wurde am 4. Juni 1892 in Gollantsch bei Bromberg (heute Golancz in Polen) als Sohn des jüdischen Viehhändlers Isidor Rosentreter und seiner Frau Sara, geb. Marcus, geboren. Bis zum 14. Lebensjahr besuchte er die Volksschule in Gollantsch, absolvierte anschließend eine Schneiderlehre und war nach der Gesellenprüfung als Schneidergeselle beschäftigt. 1912 wurde er zum Militär einberufen und diente im Ersten Weltkrieg bei einem Bataillon in Posen und bei einer Munitionskolonne der Artillerie in Frankreich, bis er 1915 an die russische Front versetzt wurde. Ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz II und dem Ehrenkreuz für Frontkämpfer kehrte er aus dem Krieg zurück und war wieder als Schneider tätig.

Am 26. Mai 1921 heiratete er die am 4. April 1898 im bayrischen Passau geborene Fanny Weinberger, deren Vater sich als Textilhändler in Altona niedergelassen hatte. Auch das Ehepaar Rosentreter lebte nach der Heirat in der Altstadt von Altona im ersten Stock der Bäckerstraße 22 (heute Hoheschulstraße). Samuel Rosentreter wurde Teilhaber im Herrenkonfektionsgeschäft seines Schwiegervaters Alfred Weinberger in der Großen Bergstraße 128. Im Jahr 1927 gingen die Grundstücke Große Bergstraße 99/101 und Unzerstraße 4 in Rosentreters Besitz über; im Erdgeschoss das Hauses Große Bergstraße 99/101 führte er schon seit zwei Jahren ein eigenes Herrenkonfektionsgeschäft.

Das Ehepaar Rosentreter bekam vier Kinder. Der älteste Sohn Siegfried Josef wurde am 9. Februar 1923 geboren, es folgten Ingbert am 15. März 1924, Betti am 16. Januar 1926 und Alfred am 4. Juni 1934. Im Jahr 1927 wohnte die Familie zeitweise in der Großen Bergstraße 170 und noch vor der Geburt des jüngsten Sohnes Alfred, 1931, bezog die Familie ein eigenes Haus in der Behnstraße 37 in Altona.

Im Februar 1935 starb Samuel Rosentreters Mutter; sein Vater war bereits verstorben.

Der nationalsozialistische Terror gegen die jüdische Bevölkerung eskalierte. Bei dem Pogrom am 9./10 November 1938, der "Reichskristallnacht", wurde die Altonaer Synagoge verwüstet, jüdische Geschäfte wurden geplündert, Familien terrorisiert und jüdische Männer verhaftet. Auch Samuel Rosentreter kam in "Schutzhaft", in der Nacht vom 10. auf den 11. November wurde er zusammen mit fast 900 Hamburger Juden im KZ Fuhlsbüttel festgehalten und von dort ins KZ Sachsenhausen verlegt. Erst am 14. Dezember kam er wieder frei.

Nun geriet die vermögende jüdische Familie ins Visier der Behörde des Oberfinanzpräsidenten, die im Dezember 1938 Samuel Rosentreters Konten und Lebensversicherungen mit einer "Sicherungsanordnung" sperrte. Als Grund dienten die standardisierten Sätze: "Die Eheleute Samuel Rosentreter sind Juden. Es ist damit zu rechnen, dass sie in nächster Zeit auswandern werden." Möglicherweise trug sich die Familie tatsächlich mit Emigrationsabsichten.

Im Januar 1939 verkaufte Samuel Rosentreter das Grundstück Behnstraße 37. Am 24. Januar vermerkte die Devisenstelle: "Die Eheleute Rosentreter haben Vermögenswerte: Grundstück Behnstraße, verkauft, Grundstück Große Bergstraße 99/101 und Unzerstraße 4 noch nicht verkauft, Herrengarderobengeschäft in Gr. Bergstraße 99 soll liquidiert werden." Allerdings waren die Grundstücke mit Hypotheken belastet und es gab Schulden. Über die Grundstücke bzw. Forderungen aus dem Verkauf durfte Samuel Rosentreter nun nur noch mit Genehmigung der Devisenstelle verfügen. Das Textilgeschäft der Familie Weinberger in der Großen Bergstraße 128, dessen Teilhaber er immer noch war, wurde "arisiert", d. h. enteignet und in nichtjüdischen Besitz überführt.

Am 9. Februar 1939 wurde Samuel Rosentreter erneut festgenommen und saß im Gefängnis Fuhlsbüttel in Untersuchungshaft ein. Er war als Jude wegen "Rassenschande" angezeigt worden. Nachdem die Nürnberger Gesetze sexuelle Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Menschen unter Zuchthausstrafe gestellt hatten, häuften sich Denunziationen. Verurteilte jüdische Männer wurden im Anschluss an die Strafverbüßung meist in ein Konzentrationslager eingewiesen oder (später) deportiert.

Am 24. Februar beschlagnahmte die Gerichtskasse das Vermögen von Samuel Rosentreter zur Sicherstellung der entstehenden Gerichts- und Strafvollstreckungskosten. Die Grundstücke wurden mit einer Sicherungshypothek belegt. Bis Mitte März wurde sein Textilgeschäft abgewickelt, Geschäftseinkünfte und Guthaben pfändete die Gerichtskasse Hamburg. Fanny Rosentreter versuchte vergebens, einen Teil der beschlagnahmten Werte zurückzuerlangen; sie gab an, über keinerlei Mittel für den Lebensunterhalt für sich und ihre vier Kinder zu verfügen.

Sie erfuhr, dass ihr Mann eine uneheliche Tochter hatte. Er hatte eine Fünfzehnjährige, die seit 1927 in seinem Geschäft eine Lehre absolvierte, geschwängert; am 13. Januar 1929 war die Tochter Else Broecker geboren worden. Die monatlichen Unterhaltszahlungen, zu denen Samuel Rosentreter vom Jugendamt Hamburg verpflichtet worden war, sollten nun mit Genehmigung des Oberfinanzpräsidenten für die nächsten fünf Monate vom ansonsten gesperrten Konto der "Altonaer Sparcasse von 1799" abgehen.

Am 17. Juni 1939 beantragte Fanny Rosentreter bei der Devisenstelle 1000 Reichsmark (RM) für sich und die vier Kinder. "Durch die Inhaftnahme meines Mannes seit Februar bin ich leidend geworden und muss viel für Kräftigungsmittel ausgeben. Mein zweiter Sohn soll Dienstag zur Ausbildung nach Berlin (Pankow). Für die Ausrüstung […] u. evt. Krankheit soll ich aufkommen. Außerdem hat mein Mann ein uneheliches Kind für dessen Unterhalt rückwirkend ich aufkommen soll. Belege dafür habe ich nicht in Händen. Jedoch sagte dies mir mein Mann in Gegenwart eines Beamten bei meinem letzten Besuch. Er bekam von einem Gerichtsvollzieher einen Zahlungsbefehl für die Unterhaltskosten." Einmalig wurden 1.000 RM bewilligt, der monatliche Freibetrag für die Familie wurde von 350 auf 500 RM erhöht.

Am 1. August 1939 richtete Fanny Rosentreter an die Devisenstelle die Bitte, die Überschüsse aus den Grundstücken Große Bergstraße 99 und Unzerstraße 4 auf ihr Konto zu überweisen statt auf das gesperrte Konto ihres inhaftierten Mannes, "damit ich mit meinen 4 unmündigen Kindern, da der Ernährer fehlt u. wir doch keine Verdienstmöglichkeiten haben, wenigstens in der nächsten Zeit vor Not bewahrt sind." Durch die Verhaftung ihres Ehemannes war sie in eine psychische Krise geraten. "Ich bin durch die Aufregungen nicht fähig mich auf den Beinen zu halten. Alle Kräftigungsmittel und Medizinen, die ich brauchte, haben keinen Erfolg gehabt." Doch die Behörde reduzierte den monatlichen Freibetrag auf 450 RM.

Ein Gnadengesuch Fanny Rosentreters für ihren Mann wurde von der Oberstaatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg im August 1939 negativ beschieden; Samuel Rosentreter musste in Untersuchungshaft bleiben.

Am 30. Oktober teilte Fanny Rosenberger der Finanzbehörde mit, sie brauche den auf ihrem Konto befindlichen Betrag dringend "zum Zwecke des Lebensunterhalts und wenn möglich zu Auswanderung od. Schiffskarten. […] Meine Kräfte sind durch die ganzen Aufregungen aufgezehrt. […] Ich möchte versuchen mit meinen Kindern und später mit meinem Mann auszuwandern und darf wohl hoffen, daß Sie mir behilflich sein werden. Bemerken möchte ich, daß ich Jüdin bin, Kennkarten No.: A 00 608."

Doch nach Beginn des Zweiten Weltkrieges im September des Jahres war eine legale Ausreise allenfalls noch nach Lateinamerika und Shanghai möglich.

Im Herbst 1939 kam es vor dem Landgericht Hamburg zum Prozess gegen Samuel Rosentreter. Er gab zu, in den 1920er Jahren mit minderjährigen nichtjüdischen Lehrlingsmädchen in seinem Textilgeschäft Geschlechtsverkehr gehabt zu haben – einige dieser Taten galten vor Gericht als verjährt. Samuel Rosentreter bestritt aber die ihm von Belastungszeuginnen vorgeworfenen sexuellen Belästigungen in der Zeit nach der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze. Das Gericht kam jedoch zu dem Schluss, er habe sich 1938 und 1939 "der versuchten Rassenschande gemäß § 2.5 Absatz 2 des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935, § 43 StGB." schuldig gemacht.

In der Hauptverhandlung am 29. November 1939 verurteilte das Landgericht Hamburg den Angeklagten wegen "versuchter Rassenschande in zwei Fällen" und wegen "Unzucht mit zwei minderjährigen Lehrlingen in zwei Fällen" zu einer Gesamtstrafe von sechs Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Die bürgerlichen Ehrenrechte wurden ihm für die Dauer von sechs Jahren aberkannt.

Am 19. Januar 1940 wurde Samuel Rosentreter aus dem KZ Fuhlsbüttel in das Zuchthaus Bremen-Oslebshausen verlegt.

Unterdessen wurde Fanny Rosentreter zusammen mit den Söhnen Siegfried, Ingbert, dem zehnjährigen Alfred und der Tochter Betti in das "Judenhaus" Sonninstraße 14 (heute Biernatzkistraße) einquartiert, dem ehemaligen Wohnstift der Salomon Joseph und Marianne Hertz-Stiftung. Von dort aus wurde die Familie am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz im deutsch besetzten Polen deportiert. Siegfried Rosentreter wurde am 17. November 1941 im Alter von 18 Jahren aus dem Getto abgemeldet und angeblich zu einem Arbeitseinsatz verbracht. Er kam ums Leben.

Fanny, Ingbert, Alfred und Betti Rosentreter wurden am 5. Mai 1942 ins nahegelegene Vernichtungslager Chelmno transportiert und ermordet.

Samuel Rosentreter wurde am 14. Januar 1943 aus dem Zuchthaus Bremen-Oslebshausen in das Vernichtungslager Auschwitz überstellt, wo er am 15. Februar 1943 ermordet wurde.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: 1; 2 (R 1939/184, Rosentreter) 4; 5; AB Altona und Hamburg; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 13921 (Rosentreter, Samuel), 49499 (Heyden, Else); StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 608/40 (Samuel Rosentreter); StaH 213-8 (General-) Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451a E 1, 1 c und Ablieferung 2, 451a E 1, 1d; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 16 (Untersuchungshaftzeiten Rosentreter Samuel); StaH 424-13 Liegenschaftsverwaltung Altona, 941; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 1 Band 1 (Deportationsliste Litzmannstadt, 25.10.1941); Bajohr, "Arisierung", S. 369.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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