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Max Markus * 1882

Wandsbeker Chaussee 5 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
MAX MARKUS
JG. 1882
FLUCHT 1939
HOLLAND
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Max Markus, geb. am 27.12.1882 in Pyritz/Pommern, emigriert am 10.1.1939 in die Niederlande, deportiert am 24.9.1943 nach Auschwitz

Wandsbeker Chaussee 5

1920 eröffnete Max Markus in einem kleinen Ladenlokal in der Wandsbeker Chaussee 154/156, Ecke Beckersweg (zwischen Ruckteschellweg und Roßberg) in Eilbek einen Manufakturwarenladen. (Dieser Standort wurde Ende Juli 1943 bei einem Luftangriff zerstört und nach dem Zweiten Weltkrieg in ein Wohngebiet umgewandelt.) Durch Zukäufe von zwei angrenzenden Läden mit den dahinter liegenden Wohnungen baute er ihn im Laufe von 15 Jahren zu einem Textilkaufhaus mit einer Geschäftsfläche von 500 m² und 35 Angestellten aus. Im ersten Stockwerk richtete er Büro- und Lagerräume ein. Er nannte das Kaufhaus "AMLES". Der ungewöhnliche Name des Kaufhauses war in Eilbek als Umkehrung des Namens seiner Schwester Selma bekannt. Max Markus führte sein Kaufhaus erfolgreich durch die Wirtschaftskrisen der Weimarer Zeit.

Max Markus, geboren am 27. Dezember 1882, hatte außer der Schwester Selma, geboren am 12. März 1886, vier Brüder: Georg (geb. 7.12.1881), Otto (geb. 6.7.1884), Hugo (geb. 8.1.1889) und Alfred (geb. 31.3.1894). Sie alle waren in Pyritz in Pommern geboren und hatten ebenso wie ihre Eltern Isidor Markus und Johanna, geborene Grünberg, Pyritz verlassen. Georg zog nach Vorpommern, heiratete und hinterließ bei seinem Tod – er starb 1923 in Anklam – die Witwe mit der zehnjährigen Tochter Gerda. Hugo heiratete Minna Schubert, lebte zunächst in Stettin, wo 1926 der Sohn Hans Horst geboren wurde, und zog mit ihnen nach Berlin. Dort starb er am 2. Januar 1938, dem zwölften Geburtstag seines Sohnes.

Max Markus kam 1900 nach Hamburg. Die Eltern und übrigen Geschwister zogen zu unterschiedlichen Zeiten nach, traten der Deutsch-Israelitischen Gemeinde bei, Max und Selma schlossen sich dem liberalen Tempel-Verband an. Selma hatte den in Anklam geborenen Wäschehändler Arthur Neumann geheiratet. Aus ihrer Ehe gingen eine Tochter und ein Sohn hervor. Sie wohnten in der Carolinenstraße 6 und betrieben ihr Geschäft im Alten Steinweg 47. Max’ Bruder Alfred kam 1920 nach Hamburg und baute ein Wäschehaus in der Hamburger Straße 26 in Barmbek auf. Er war mit Meta, geborene Aronsohn, geboren am 15. Juni 1894 in Gnesen, verheiratet und wohnte in der Hamburger Straße 38. Ihre Ehe blieb kinderlos. Max Markus’ Eltern erwarben 1923 das Grundstück Hagenau 3 in Eilbek. Zu dieser Zeit war der Vater, Isidor, von Beruf Zigarrenmacher, bereits im Ruhestand und lebte als Rentier. Er starb am 3. September 1931 im Alter von 75 Jahren und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Hamburg-Ohlsdorf beerdigt.

Bereits 1928 hatte Max Markus eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Wandsbeker Chaussee 5 bezogen, nachdem er bis dahin in seinem Geschäft gewohnt hatte.

Als die Nationalsozialisten ihre Macht gesichert hatten, war die erste öffentliche antijüdische Maßnahme der Aufruf zum Boykott jüdischer Waren am 1. April 1933. Davon war Max Markus’ Kaufhaus Amles jedoch nicht betroffen. 1935 ließ er sein Unternehmen ins Handelsregister eintragen. Seit dem Ende der Inflationszeit waren Umsatz und Gewinn stetig gestiegen. Sein gesamtes Vermögen bestand in dem Unternehmen, er besaß weder Wertpapiere noch eine wertvolle Wohnungseinrichtung, weder Gold noch Schmuck.

Max Markus war inoffiziell mit einer 28 Jahre jüngeren "Arierin" verlobt und plante, sie zu heiraten, was aber seit der Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze 1935 in Deutschland nicht mehr möglich war. 1938 begann er genauso wie seine Geschwister mit Vorbereitungen für eine Auswanderung. Im Hinblick auf Max Markus’ Auswanderungspläne erließ die Zollfahndungsstelle im September 1938 eine vorläufige "Sicherungsanordnung". Sie entzog Max Markus die Verfügungsgewalt über sein privates Vermögen, wegen der "arischen" Angestellten und der bevorstehenden "Arisierung" nicht aber die über das Geschäftsvermögen. Der Oberfinanzpräsident gestattete Max Markus, über einen monatlichen Freibetrag von 1500 RM aus dem Geschäft zur Deckung seines eigenen Lebensunterhalts und zur Unterstützung von Angehörigen zu verfügen.

Auch die Führung seines Unternehmens wurde Max Markus weitgehend entzogen. Als mitverantwortlich für die Geschäftsführung wurde die erfahrene "arische" Kontoristin Anny Mair, die wegen ihrer Zugehörigkeit zur NSV und zur DAF als zuverlässig galt, in die Pflicht genommen. Sie verwaltete den gesamten Zahlungsverkehr und besaß Bankvollmacht.

Die Verwaltung für "Handel, Schiffahrt und Gewerbe" setzte im November 1938 den Kaufpreis für das Kaufhaus AMLES auf 170.000 RM fest, der sich aus ca. 160.000 RM Warenbestand und ca. 10.000 RM Inventar zusammensetzte. Aus diesem Betrag wollte Max Markus die "Reichsfluchtsteuer" und die "Judenvermögensabgabe" in Höhe von ca. 86.000 RM entrichten, die vom Finanzamt als Voraussetzung für die Erteilung der für die Auswanderung erforderlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung verlangt wurde. Doch die Zahlung des Kaufpreises auf ein Sperrkonto verzögerte sich. Der Oberfinanzpräsident genehmigte nun auf Antrag von Max Markus’ Bruder Alfred, dass die das Sperrkonto führende Bank die Zahlung der "Reichsfluchtsteuer" und der "Judenvermögensabgabe" vorstreckte.

Daraufhin erhielt Max Markus die Unbedenklichkeitsbescheinigung. Er erstellte nun eine Liste seines Umzugsgutes, in die er auch Gegenstände seiner Verlobten aufnahm. Für die neu gekauften Güter musste er zusätzlich zu dem bereits entrichteten Kaufpreis fast 3000 RM an die "Deutsche Golddiskontbank" überweisen, die Degoabgabe. Hiervon entfielen allein 480 RM auf eine Schreibmaschine mit einem Neuanschaffungswert von 240 RM, also 200 %; auf einen Elektrola-Koffer[radio]apparat im Wert von 90 RM wurde sogar eine 300 %ige Abgabe erhoben. Das Umzugsgut wurde nach Los Angeles geschickt, die Frachtkosten beliefen sich auf ca. 3000 RM.

Vor Weihnachten 1938 beantragte Max Markus ca. 38.000 RM für Weihnachtsgratifikationen für seine Angestellten und Geschenke sowie für weitere Anschaffungen für seine Auswanderung und die seiner Mutter, die frei gegeben wurden. Aus diesen Mitteln wurde auch Joseph Nathan, ein mittelloser, schwerkriegsbeschädigter Bekannter, der in der Lübecker Straße wohnte, vorsorglich unterstützt.

Inzwischen befanden sich Max Markus’ Schwester Selma, ihr Ehemann Arthur Neumann und ihre Kinder Ilse und Ernst auf dem Weg in die USA. In Amsterdam machten sie Zwischenstation, wo sich bereits der Bruder Otto Markus aufhielt. Dieser befand sich mit seiner Frau auf dem Weg von Berlin nach Montevideo. Am 31. Dezember 1938 stieß Johanna Markus zu ihm. Im Alter von 84 Jahren begab sich Johanna Markus gemeinsam mit der Familie ihrer Tochter Selma auf die Reise nach Los Angeles. Dort ließ sich die Familie nieder. Johanna Mar­kus starb am 11. Juni 1941 in Los Angeles.

Um die Jahreswende 1938/1939 gingen Max Markus, sein Bruder Alfred und dessen Frau Meta in die Niederlande, um von dort weiter zu emigrieren. Sie wurden am 13. Januar 1939 offiziell als Einwohner Amsterdams registriert. Alfred und Meta Markus hatten bereits ihre Passagen in die USA für den 11. April 1939 gebucht und bezahlt. Sie traten ihre Ausreise aus unbekannten Gründen nicht an und bekamen die dafür bereits gezahlten Aufwendungen von 3640,80 RM auf ihr Sperrkonto erstattet.

Anfang Januar 1939 beantragte Max Markus von den Niederlanden aus die Freigabe einer weiteren Summe von 15000 RM für Abgaben an den Jüdischen Religionsverband und das Zollamt. Er zahlte auch eine zusätzliche Dego-Abgabe von annähernd 3000 RM für die Mitnahme von "besonderem Umzugsgut".

Restliche Warenrechnungen, das Honorar für den Bevollmächtigten und Weiteres im Zusammenhang mit der Auswanderung beliefen sich auf zusätzliche 5000 RM.

Karl Lindner, über den Näheres nicht bekannt ist, übernahm durch Entscheid der Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Verkehr vom 8. November 1938 das Kaufhaus. Helmut und Loki Schmidt erwähnen in ihren Erinnerungen "Kindheit und Jugend unter Hitler" über den Novemberpogrom: "Und von dem Kaufhaus Amles in der Wandsbeker Chaussee hieß es, daß Polizisten davorstünden, um Diebstähle und Plünderungen zu verhindern." Lindner führte den Namen "AMLES" nicht weiter. Wegen angeblich nachträglich festgestellter Mängel am Warenlager behielt er eine Summe von ca. 20.000 RM ein. Durch einen Vergleich im Januar 1939 ermäßigte sich dieser Betrag auf die Hälfte. Max Markus besaß neben dem bisherigen Firmenkonto nun ein "Ausländer-Sperrkonto" bei der Bank M. M. Warburg & Co. K. G., auf das der ausstehende Betrag eingezahlt wurde. Seine Interessen vertrat der Rechtsanwalt Herbert Samuel, bis dieser 1939 den Bücherrevisor Franz Hermann Ruckick als Generalbevollmächtigten einsetzte. Ruckick nahm auch Alfred Markus’ Interessen wahr. Max Markus hielt nicht nur durch diese Bevollmächtigten Kontakt zu Hamburg, sondern auch durch die ehemaligen Nachbarn, Emil Jacobson und Paul Naschke, die ihn in der Beethovenstraße in Amsterdam besuchten. Seine Verlobte trug die für ihre Heirat nötigen Unterlagen zusammen und schickte sie nach Amsterdam. Heirat und gemeinsame Auswanderung scheiterten jedoch am Ausbruch des Krieges.

Franz Ruckick verlor seine Generalvollmacht, als er nach der Besetzung Polens, ohne Wehrmachtsangehöriger zu sein, im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht in Polen an wechselnden Orten tätig wurde. Bei der Regelung der finanziellen Belange seines Vollmachtgebers mit dem Jüdischen Religionsverband blieb er eine Abrechnung schuldig, woraufhin ihm Max Markus die Vollmacht entzog und den "Konsulenten" Alexander Bachur als neuen Generalbevollmächtigten einsetzte. Dieser führte die Auseinandersetzung zwischen Ruckick und dem Jüdischen Religionsverband zu einem gütlichen Ende.

Am 24. März 1940 betrug Max Markus’ Vermögen noch 18.000 RM. Reichsstatthalter Karl Kaufmann "gestattete" den Verkauf des Grundstücks in der Hagenau 3 am 27. April 1940 zu Gunsten der von Max Markus vertretenen Erbengemeinschaft zu einem Preis von 21.500 RM. Der Erlös wurde nach Abzug der Abwicklungskosten auf Max Markus’ gesperrtes Girokonto eingezahlt, sein Gesamtvermögen erhöhte sich auf ca. 30.000 RM. Der Betrag wurde auf das bereits erwähnte Ausländersperrkonto übertragen.

Im Mai 1940 besetzte die Deutsche Wehrmacht die Niederlande, was keine unmittelbaren Folgen für die dorthin geflüchteten oder emigrierten deutschen Juden hatte.

Die Zeit bis November 1941, als sich Max Markus erneut an seinen Bevollmächtigten in Hamburg wandte, liegt im Dunkel. Er erbat von ehemaligen Geschäftspartnern für sich und seinen Bruder Alfred fünf Empfehlungsschreiben auf Spanisch für eine eventuelle Ausreise zu ihrem bereits in Montevideo lebenden Bruder Otto. Max Markus fügte eine Liste von elf ehemaligen Geschäftspartnern bei, von denen Alexander Bachur zehn anschrieb. Auf diesem Wege erhielten die Brüder Markus in Amsterdam sechs Empfehlungsschreiben. Die erhofften Visa für sich und Meta Markus erlangten sie jedoch nicht.

Alfred und Meta Markus wurden am 25. März 1943 in das Durchgangslager Westerbork eingeliefert und am 4. Mai 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert, wo sie gleich nach ihrer Ankunft am 7. Mai ermordet wurden. Max Markus lebte bis zum 18. September 1943 in der relativen Freiheit Amsterdams, bis auch er in Westerbork interniert wurde. Er wurde bereits drei Tage später in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort im Alter von 58 Jahren ermordet. Sein Umzugsgut lagerte in Los Angeles. Schließlich wurde es versteigert, um mit dem Erlös die Einlagerungskosten zu begleichen.

Stand Februar 2014
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 4; AB; StaH 213-13 Landgericht Wiedergutmachung Z 1553; 314-15 OFP Oberfinanzpräsident F 1638, R 1938/1980, Abl. 1998, M 24; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 6182, 6183, 6185; 621-1 Firmenarchive 82/7; Joodsmonument, José Martin – Gedenkstätte Westerbork, E-Mail 27.3.2012; Schmidt, Helmut und Loki, Kindheit und Jugend unter Hitler, S. 143.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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