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Herbert Schönmann * 1922

Hasselbrookstraße 169-173 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
HERBERT SCHÖNMANN
JG. 1922
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
TOT 7.1.1945
DACHAU

Herbert Edgar Schönmann, geb. 17.7.1922 in Hamburg, nach Inhaftierung am 9.6.1943 deportiert nach Theresienstadt, über Auschwitz weiter deportiert nach Dachau, dort verstorben am 27.1.1945

Hasselbrookstraße 169

Herbert Schönmann war der Sohn des jüdischen Kaufmanns Moritz Schönmann, geboren am 12. September 1878 in Kaminiec, Kreis Brest-Litowsk, und seiner Ehefrau Helene, geborene Kösling, geboren am 21. Mai 1889 in Königsberg.

Herberts Vater Moritz diente im Ersten Weltkrieg von 1917 bis 1918 als Armierungssoldat. So wurden Soldaten der deutschen Armee bezeichnet, die nicht aktiv an den Kampfhandlungen teilnahmen, sondern im rückwärtigen Bereich mit dem Bau, der Instandhaltung und dem Betrieb der Befestigungsanlagen (Armierungen) beschäftigt waren.

Moritz Schönmann hatte neun Geschwister, von denen zwei im Holocaust umkamen. Das Schicksal der anderen Geschwister ist nicht bekannt. Moritz Schönmanns Eltern lebten in Königsberg und sind dort gestorben. Moritz Schönmann, der ein Maklerunternehmen in Königsberg betrieben hatte, folgte seinem Bruder Max Schönmann (siehe ders.) nach Hamburg. Dieser hatte schon 1902 in Hamburg ein Maklergeschäft gegründet, das 1909 in das Handelsregister eingetragen worden war. Moritz Schönmann trat laut Handelsregister im Oktober 1921 als Gesellschafter in dessen Unternehmen in der Lübecker Straße 15 ein. 1922 wurde die Haus- und Hypothekenmaklerfirma als "Max Schönmann & Co." im Hamburger Telefonbuch vermerkt. Moritz Schönmann zahlte erstmalig im Jahre 1923 Kultussteuer an die Deutsch-Israelitische Gemeinde.

Herbert Schönmanns Eltern heirateten am 30. September 1921. Seine nichtjüdische Mutter trat vor ihrer Eheschließung zum jüdischen Glauben über. In der Wählerliste der jüdischen Gemeinde von 1930 ist sie aufgeführt. Das Ehepaar bekam zwei Söhne: Herbert Edgar, geboren am 17. Juli 1922, und Hans-Joachim (genannt Hans), geboren am 22. Februar 1927 wie Herbert in Hamburg.

Die Familie Schönmann wohnte zunächst in der Borgeschstraße 73 (heute: Soester Straße) in Hamburg-St. Georg, von 1924 bis 1927 in der Straße Blumenau 119 in Hamburg-Eilbek. Ein Jahr nach der Geburt von Herberts Bruder Hans-Joachim zog die Familie im Jahre 1928 in eine 4 ½ Zimmer-Wohnung in der Hasselbrookstraße 169, ebenfalls in Hamburg-Eilbek. Die Zimmer waren etwa 12–13 qm groß, während das halbe Zimmer etwa 6 qm maß. Die Wohnung verfügte über Zentralheizung, Bad, Parkettfußboden und zwei Balkone. Die Miete betrug 97 RM monatlich.

Herbert Schönmanns Vater Moritz war als Hausmakler erfolgreich. Zu seinen Kunden zählte auch eine der beiden Hamburger Sparkassen. Nach seinem Ausscheiden aus der gemeinsamen Maklerfirma "Max Schönmann & Co." im März 1923 arbeitete er eigenständig als Makler, zunächst jedoch nicht als Vollkaufmann. Erst ab April 1930 war Moritz Schönmanns Maklergeschäft in das Hamburger Handelsregister eingetragen, und zwar als ein Unternehmen, das von Königsberg nach Hamburg verlegt worden war. Nach den Erklärungen im späteren Wiedergutmachungsverfahren betrug sein jährlicher Nettoverdienst fast 7000 RM. Bereits im Mai 1932 wurde Moritz Schönmanns Firma im Handelsregister von Amts wegen wieder gelöscht. Die Gründe hierfür sind nicht überliefert. Dessen ungeachtet war Moritz Schönmann weiterhin als Hausmakler tätig.

Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten verschlechterten sich die Geschäftsergebnisse infolge der Boykotte rapide. Die Familie musste nach und nach ihre Wertgegenstände weit unter Wert veräußern, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das von der NS-Regierung 1938 allen jüdischen Maklern erteilte Berufsverbot und die formale Auflösung des Restgeschäftes zum Beginn des Jahres 1939 bildeten den Abschluss eines jahrelangen von den Machthabern herbeigeführten Entzugs der wirtschaftlichen Grundlagen.

Währenddessen besuchten die Brüder Herbert und Hans-Joachim Schönmann zunächst die Privatschule Moosengel in der nahe gelegenen Papenstraße, später die Oberrealschule Eilbek in der Uferstraße 9.

Herbert, ein guter Schüler, wollte das Abitur ablegen und studieren. Er musste die Schule jedoch wegen seiner jüdischen Herkunft im März 1938 vorzeitig mit noch nicht 16 Jahren verlassen. Anschließend begann er eine kaufmännische Lehre bei dem in Hamburg alteingesessenen jüdischen Handelshaus Siegmund Robinow & Sohn im Kontorhaus Barkhof in der Mönckebergstraße. Nach der "Arisierung " am 31. Dezember 1938 existierte die Firma nicht mehr. Herbert Schönmann konnte die Lehre nicht beenden, denn er wurde vom Firmennachfolger nicht übernommen. Es erwies sich als unmöglich, die Lehre bei einer anderen Firma fortzusetzen. So genannte arische Firmen stellten Juden nicht mehr ein, und jüdische Unternehmen waren bzw. wurden liquidiert. Herbert Schönmann wurde nun Hilfsarbeiter und trug mit seinem Einkommen zum Familienunterhalt bei.

Am 29. Juli 1938 trat Herbert Schönmanns Mutter Helene aus dem "Jüdischen Religionsverband in Hamburg" aus, noch bevor Hermann Göring an die "deutschblütigen" Frauen, die Juden geheiratet hatten und zum Judentum konvertiert waren, appellierte, diesen Schritt rückgängig zu machen und sich scheiden zu lassen. Wie die meisten Betroffenen folgte auch Helene Schönmann diesem "Rat", aber scheiden ließ sie sich nicht. Wahrscheinlich wollte sie mit dem Austritt aus der Gemeinde drohende Gefahren für sich und ihre Familie verringern. Vielleicht hoffte sie, dass durch den damit geschaffenen Status einer "privilegierten Mischehe" die Familie möglicherweise von einigen gravierenden Diskriminierungsmaßnahmen verschont bleiben würde. Doch zu einer "privilegierten Mischehe" gehörten nichtjüdisch erzogene Kinder, so genannte Mischlinge ersten Grades. Da ihre Söhne zum Zeitpunkt der Geburt jedoch sowohl einen jüdischen Vater wie eine solche Mutter gehabt hatten, blieben sie in der "rassischen Einstufung" der Nationalsozialisten "Geltungsjuden", d. h. Halbjuden, die aus diesem Grund wie Juden behandelt wurden. Die Rekonversion der Mutter änderte am Status der Kinder somit nichts.

Helene Schönmann versuchte nun, Herbert und Hans-Joachims Einstufung auf dem Antragsweg zu "verbessern", doch der Polizeipräsident, bei dem die Eingabe eingereicht werden musste, lehnte ihren Antrag im Juni 1941 ab. Darüber hinaus verfügte die Behörde, für Hans Joachim sei unverzüglich beim zuständigen Polizeirevier und beim Standesamt, bei dem die Geburt beurkundet worden war, anzuzeigen, dass er den zusätzlichen Vornamen "Israel" angenommen habe. Er habe zudem beim zuständigen Polizeirevier unverzüglich eine "Juden-Kennkarte" zu beantragen.

Helene legte Widerspruch ein: "Da mein Junge [Hans] noch Schüler an der Oberschule ist, müsste er, sobald er den zusätzlichen Namen Israel führen muss, die Schule verlassen." Doch Begründungen dieser Art akzeptierte die Polizeibehörde nicht, schließlich war es genau das, was der Staat mit der Maßnahme erreichen wollte: Die Trennung von Juden und Nichtjuden. Helene Schönmann fügte noch hinzu: "Ich kann mich damit nicht abfinden, dass mein Junge, der nie etwas mit dem Judentum zu tun hatte, nur wegen meiner Gedankenlosigkeit nun zeitlebens Jude sein soll. Hätte ich selbst die rechtliche Gleichstellung nicht angestrebt, so wäre der Beschluss auch nicht erfolgt und mein Junge wäre Mischling ersten Grades geblieben, was ja auch bluts- und erziehungsmäßig zu Recht besteht." Der Widerspruch blieb erfolglos.

Im Oktober 1941 erhielt Moritz Schönmann einen Strafbefehl des Amtsgerichts Hamburg in Höhe von zweimal 15 RM weil er
1. "nicht unter Hinweis auf die Eigenschaft als Jude bis zum 31.12.1938 bei der zuständigen Polizeibehörde die Ausstellung einer Kennkarte für den Sohn Hans Joachim "Israel" Schönmann beantragt" habe,
2. nicht ab 1.1.1939 für sich und die beiden Söhne Herbert "Israel" und Hans Joachim "Israel" Schönmann zusätzlich den weiteren Vornamen "Israel" angenommen und es unterlassen habe, den Standesbeamten zu informieren.
Moritz Schönmann zahlte die angesetzte Strafe.

Inzwischen bzw. in der Folgezeit musste die Familie – wie alle Juden – Wertgegenstände abliefern: am 23. September 1939 zwei Radioapparate in der Rothenbaumchaussee 38, dem Sitz des Sachgebiets II B 2 der Gestapo (dem sog. Judenreferat), am 22. Juni 1942 eine Schreibmaschine, zwei Fahrräder und ein Grammophon in den Räumen der Jüdischen Gemeinde in der Hartungstraße 9–11.

Im August 1940 wurde zudem die jüdische Familie Einstein in die Wohnung der Familie Schönmann in der Hasselbrookstraße 169 eingewiesen. Ab 19. September 1941 lebten hier Max Einstein, geboren am 6. März 1872 in Heilbronn (jüdisch), Antonie Einstein, geborene Kittsteiner, geboren am 11. Juli 1875 in Hamburg (evangelisch), und der Sohn Erich, geboren am 23. Mai 1910 in Hamburg-Rahlstedt. Deren weitere Söhne Rudolf, geboren am 5. August 1907, und Walter, geboren am 31. Dezember 1908, lebten nicht mehr bei den Eltern. Das Ehepaar Einstein hatte offiziell den Status einer "privilegierten Mischehe". Die Söhne galten als "Mischlinge ersten Grades". Der Familie Einstein war es bereits vor 1933 wirtschaftlich nicht gut gegangen. Sie hatte überwiegend von staatlicher Fürsorge gelebt, bis diese für Juden gestrichen wurde. Der Sohn Erich trug zum Lebensunterhalt bei.

Ab 19. September 1941 musste die Familie Schönmann wie alle Juden einen gelben "Judenstern" sichtbar auf der linken Brustseite tragen. 1942 war ein "Judenstern" an der Wohnungstür anzubringen. In dem Hause Hasselbrookstraße 169 waren Familie Schönmann und ihre Untermieter die einzigen jüdischen Familien. Bis zum 14. September 1942, dem Datum des zwangsweisen Umzugs der Schönmanns in die Bornstraße 22, einem so genannten Judenhaus, lebten beide Familien zusammen.

In seinem Antrag auf Wiedergutmachungsleistungen erwähnte Max Einstein, er sei mehrmals "von der Gestapo aus der Wohnung herausgesetzt" worden. Und: "Abtransport nach Theresienstadt wurde wegen völliger Hinfälligkeit unterlassen." Max Einstein hat den Nationalsozialismus überlebt. Über das Schicksal der anderen Familienangehörigen ist nichts bekannt.

Vom 2. Mai 1943 bis 3. Juni 1943 befand sich Herbert Schönmann in Fuhlsbüttel in Haft. Anlass und Hintergrund dieser Inhaftierung liegen im Dunkeln. Im Jahr 1943 ging das NS-Regime dazu über, auch "Geltungsjuden" in die Deportationen einzubeziehen, die bis dahin weitgehend zurückgestellt worden waren. Am 9. Juni 1943, wenige Tage nach Herbert Schönmanns Entlassung aus Fuhlsbüttel, wurden er und sein Bruder Hans Joachim aufgrund ihres "arischen Blutanteils" in das "Vorzugslager" Theresienstadt deportiert. Sie trafen dort am 11. Juni 1943 ein.

Helene Schönmann versuchte von Hamburg aus, ihren Söhnen das Leben in Theresienstadt mit Lebensmittelpaketen zu erleichtern. Als Ende September 1944 Häftlinge mit den so genannten Herbsttransporten nach Auschwitz überstellt wurden, stand auch Herbert Schönmanns Name auf der Liste. Hans-Joachim Schönmann musste mit ansehen, wie sein Bruder am 28. September 1944 abtransportiert wurde. Herbert wurde in Auschwitz "zur Arbeit selektiert" und gelangte am 10. Oktober 1944 in das Konzentrationslager Dachau bzw. in eines der Dachauer Außenlager Kaufering I bis IX. Dort mussten Tausende Häftlinge unter der Regie der Organisation Todt unterirdische Fabriken für den Jagdflugzeugbau in Betonbunkern errichten. Hier starb Herbert Schönmann unter nicht bekannten Umständen am 7. Januar 1945.

Hans-Joachim Schönmann wurde am 8. Mai 1945 in Theresienstadt befreit. Er war einer der laut Theresienstädter Gedenkbuch 542 Befreiten. Aus Hamburg waren mit 11 Transporten 2490 Menschen nach Theresienstadt deportiert worden, von denen 1947 umkamen, während das Schicksal einer Person ungeklärt blieb.

Nach einer Umschulung zum Elektrotechniker im Jahre 1948 wanderte Hans-Joachim Schönmann 1950 in die USA aus. Auch seine Eltern überlebten den Holocaust. Moritz Schönmann eröffnete in Hamburg erneut ein Maklergeschäft. Als die Eltern aufgrund ihres hohen Alters auf die Unterstützung ihres Sohnes angewiesen waren, kehrte Hans Joachim Schönmann im Mai 1951 nach Hamburg zurück und übernahm das Geschäft seines Vaters.

Stand Februar 2014
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 213-11 2080/11 Strafakte Moritz Schönmann; StaH 332-8 Einwohnermeldekartei; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 1911, 4009, 11493 (Einstein), 38354; 522-1 Jüdische Gemeinden 992 d Bd. 7 (Steuerakte Max Einstein), 992 d Bd. 30 (Einspruchsverfahren Herbert Schönmann); Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1931; KZ-Gedenkstätte Dachau, email vom 25.5.2011; Schmidt, Hamburger Schulen im "Dritten Reich", Band 2: Anhang; http://www.digizeitschriften.de/dms/toc/?PPN=PPN514401303 (Zugriff 15.1.2014).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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