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Gertrud Leiter * 1893

Hudtwalckerstraße 35 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
GERTRUD LEITER
JG. 1893
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Gertrud Leiter, geb. 13.12.1893 in Altona, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz

Hudtwalckerstraße 35 (Winterhude)

Die Eltern von Gertrud Leiter, Moses "Max" Isser Leiter (1859-1928) und Ernestine, geb. Reich (1855-1921), hatten 1887 in Altona geheiratet. Der Vater stammte aus Brody (Galizien) und lebte zum Zeitpunkt der Heirat als Handelsmann in Ottensen (Papenstraße 3). Dessen Vater David Leiter war Schneidermeister in Brody gewesen, einer Grenzstadt im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn. Die Mutter Ernestine war in der damals dänischen Hafenstadt Tönning im Kreis Eiderstedt geboren worden. Ihre Familie verzog 1867 nach Altona, wo die Eltern, Kürschnermeister Benjamin Reich (geb. 1822 in Krotoschin/Posen, gest. 1885 in Altona) und Cäcilie Reich, geb. Kroh (geb. 1825 in Krotoschin/ Posen, gest. 1904 in Altona), eine Eierhandlung betrieben (1870-1885 in der Königstraße 202). Die Brüder der Mutter, Kaufmann Sigismund Reich (geb. 1854) wohnhaft in Hamburg und Handelsmann Louis Reich (1861-1932) wohnhaft in Altona, waren bei der Heirat 1887 Trauzeugen.

Moses Isser Leiter wurde ab 1888 im Adressbuch der Stadt Altona mit einem "Herren- u. Knaben-Garderobengeschäft" in der Papenstraße 3 verzeichnet, das ab 1891 in der Bahrenfelderstraße 75 geführt wurde, wo die Familie im 2. Stock auch eine Wohnung angemietet hatte. Hier wurden die Kinder Paula (geb. 21.9.1891), Bertha (geb. 23.12.1892), Gertrud (geb. 13.12.1893) und Siegfried (geb. 24.4.1897) geboren. Der Bruder Benno David war 1890 noch in der Wohnung Papenstraße 3 zur Welt gekommen. Als Gertrud neun Jahre alt war, gab der Vater das Geschäft auf und war fortan als "Geschäftsreisender" unterwegs. Kurz darauf zog die Familie in die Stiftstraße 6 Parterre in Altona (heute Mistralstraße).

Gertruds 3 ½ Jahre jüngerer Bruder Siegfried hatte nach Vorschule und Talmud-Tora-Realschule (1906-1912) eine kaufmännische Lehre bei dem Eiergroßhandel B. Reich (gegr. 1867) in der Holstenstraße 165 (Altona) begonnen, wo er auch zur Untermiete wohnte. Inhaber der Firma war sein Onkel Louis Reich. "Der Ausbruch des Weltkrieges zog ihn zu den Fahnen und glückte es ihm, im August 1914 als Freiwilliger eingestellt zu werden", hieß es 1917 in einem Zeugnis der Firma. Als Angehöriger des Infanterie-Regiments 31 (Altona) wurde er zum Unteroffizier befördert und erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse sowie das Verwundetenabzeichen. Auch der Bruder Benno wurde im Ersten Weltkrieg zum Unteroffizier befördert; er arbeitete später in Berlin.

Welche Schule Gertrud 1909 bis 1918 besuchte, ist uns nicht bekannt, ihre letzten vier Schuljahre verliefen zeitgleich mit dem Ersten Weltkrieg. Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1921 und der Heirat ihrer Schwester Bertha 1924 hat Gertrud vermutlich ihrem Vater den Haushalt geführt. 1928 starb der Vater, trotzdem wurde im Altonaer Adressbuch noch bis 1936 sein Name abgedruckt. Möglicherweise blieb Gertrud in der Wohnung Stiftstraße 6 und nahm eine Untermieterin auf.

Gertruds Schwester Bertha (1892-1939) hatte 1924 in Altona den nichtjüdischen Kaufmann Louis Clauss (geb. 25.3.1886) geheiratet. Sie starb im Juli 1939 im Israelitischen Krankenhaus an Krebs.
Ihr Bruder Siegfried (1897-1975) heiratete 1937 in Hamburg und emigrierte im Februar 1939 mit seiner Ehefrau Hedwig, geb. Berliner (1901-1957) über Antwerpen nach New York.

Erst im Januar 1936 wurde für Gertrud Leiter bei der Jüdischen Gemeinde eine Kultussteuerkarte angelegt, ihre Berufsangabe lautete jetzt "Hausangestellte", der Vorname ihres Vaters wurde mit Max angegeben. Möglicherweise war sie, wie ihr Bruder Siegfried, bis 1935 Mitglied der Jüdischen Gemeinde Altonas gewesen. Für 1936 bis 1939 zahlte sie keine Kultussteuer, vermutlich weil ihre Einkünfte so gering waren. Auf der Kultussteuerkarte sind für die folgenden 6 ½ Jahre sieben unterschiedliche Untermietadressen vermerkt. Die Ursache lag in der steigenden Repression gegen Juden sowie ab April 1939 in der Aufhebung der freien Wohnungswahl für Juden. Sie lebte in der Hudtwalckerstraße 35 I. Stockbei Dr. med. Ludwig Mosheim (1898-1948) in Winterhude, Uhlenhorsterweg 49a bei Frau Carla Samuel, Charlotte-Niese-Straße 9 in Nienstedten (gemeldet beim Einwohnermeldeamt EMA 23.9.1938), Uhlenhorsterweg 49a (EMA 27.1.1939), Lenhartzstraße 3 in Eppendorf, Maria-Louisen-Straße 107 bei Walter Hess (EMA Dezember 1939) und Blumenstraße 31a bei Walter Hess (EMA Februar 1941).

Gertrud Leiter wurde am 11. Juli 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.

Stand: Februar 2022
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 332-5 (Standesämter), 5183 u. 2782/1885 (Sterberegister Altona 1885, Benjamin Reich); StaH 332-5 (Standesämter), 5900 u. 852/1887 (Heiratsregister Altona 1887, Moses Isser Leiter u. Ernestine Reich); StaH 332-5 (Standesämter), 6163 u. 142/1890 (Geburtsregister Altona 1890, Benno David Leiter); StaH 332-5 (Standesämter), 6166 u. 934/1891 (Geburtsregister Altona-Ottensen 1891, Paula Leiter); StaH 332-5 (Standesämter), 6169 u. 1300/1892 (Geburtsregister Altona-Ottensen 1892, Bertha Leiter); StaH 332-5 (Standesämter), 6171 u. 1248/1893 (Geburtsregister Altona-Ottensen 1893, Gertrud Leiter); StaH 332-5 (Standesämter), 6178 u. 412/1897 (Geburtsregister Altona 1897, Siegfried Leiter); StaH 332-5 (Standesämter), 5344 u. 1740/1921 (Sterberegister Altona 1921, Ernestine Leiter geb. Reich); StaH 332-5 (Standesämter), 5373 u. 1452/1928 (Sterberegister 1928, Moses Isser Leiter); StaH 332-5 (Standesämter), 1103 u. 460/1939 (Sterberegister 1939, Bertha Clauss geb. Leiter); StaH 332-8 (Meldewesen), K 7364 (Alte Einwohnermeldekartei Altona 1892-1919), Cäcilie Reich geb. Kroh, Louis Reich; StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 20030 (Siegfried Leiter); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Gertrud Leiter, Siegfried Leiter; Adressbuch Hamburg (M. J. Leiter) 1888, 1890, 1891, 1893, 1900, 1901, 1903, 1905, 1910, 1914, 1920, 1928, 1930, 1934-1936; Adressbuch Altona 1913 (B. Reich, Eier-Import, Altona, Holstenstr. 165, Inhaber Berthold Reich und Louis Reich); www.geni.com (Benjamin Reich, Louis Reich); www.stolpersteine-hamburg.de (Louise Hess).

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