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Walter Medau
Walter Medau
© Privatbesitz

Walter Medau * 1894

Süderstraße 320 (rechts) (Hamburg-Mitte, Hammerbrook)


HIER WOHNTE
WALTER MEDAU
JG. 1894
VERHAFTET 1944
HAMBURG / BERLIN
‚WEHRKRAFTZERSETZUNG’
ZUCHTHAUS
BÜTZOW-DREIBERGEN
TOT AN HAFTFOLGEN
24.6.1945

Walter Medau, geb. 6.1.1894 Geesthacht, Tod an Haftfolgen am 24.6.1945 in Bützow

Süderstraße 320 (früher: Süderstraße 318)

Walter Medau wie auch sein ein Jahr jüngerer Bruder Alphons, geb. 3.1.1895, kamen in Geesthacht zur Welt und wurden dort getauft. Ihr Vater, Hermann Jacob Medau, stammte aus Westpreußen, war 1866 in Groß Bartelsee im Kreis Bromberg geboren und evangelisch getauft worden.

Hermann Medau hatte seine Heimat auf der Suche nach Arbeit verlassen und eine Anstellung bei der 1877 in Betrieb genommenen "Pulverfabrik Rottweil-Hamburg AG" in Düneberg angenommen. Das Gelände gehörte dem damaligen Reichkanzler Otto von Bismarck. Die Fabrik war wie ein Gut organisiert und sorgte durch eine Fülle von sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen, wie Werkswohnungen und einer Schule, für das Wohl ihrer Arbeiter.

Walter Medaus Mutter, Wilhelmine Sophie Magdalene, geb. Twesten, geb. 30.8.1867, war die Tochter eines Zimmermanns aus Besenhorst, einem kleinen Dorf in der Nähe von Geesthacht. Die Eltern hatten am 9. August 1892 in Geesthacht geheiratet.

Als Walter geboren wurde, erhielt er lt. Eintrag im Kirchenbuch der St. Salvatoris-Kirche am 20. Januar 1894 in der Wohnung seiner Eltern die Nottaufe. Offenbar hatte es bei seiner Geburt Probleme gegeben. Die Familie lebte in einer werkseigenen Wohnung in der Düneberger Straße 56 in Besenhorst. Walter und Alphons gingen schon zur Schule, als 1902 die Schwester Hertha geboren wurde. Wahrscheinlich besuchten sie die werkseigene Schule.

Walter Medau erlernte den Beruf eines Zementfacharbeiters. Beide Brüder nahmen von Anfang bis Ende am Ersten Weltkrieg teil. Walter Medau diente bei der Infanterie und wurde als Gefreiter entlassen.

Am 10. Juni 1921 starb die Mutter in ihrem Wohnort Besenhorst. Als Berufsangabe für Walter Medau, der ihren Tod beim Standesamt anzeigte, ist "Friseur" eingetragen. Nach dem Ersten Weltkrieg stellte die Pulverfabrik, die vorzugsweise die Kaiserliche Marine beliefert hatte, ihre Produktion um und entließ einen Großteil der Arbeiterschaft. Arbeitslosigkeit und Inflation ließen Hermann Medau und eventuell auch seinen Sohn Walter ein kleines Einkommen darin suchen, dass sie sich als Friseur betätigten und sich in Naturalien bezahlen ließen. (Allerdings kann bei dem Berufseintrag auch eine Verwechslung vorliegen).

Der Niedergang der Munitionsfabriken in Düneberg und Krümmel (Alfred Nobel) dürfte der Grund dafür gewesen sein, dass Walter Medau auf Arbeitssuche nach Hamburg zog. Dort heiratete er am 9. Juni 1923 Emma Juliane Elvers, geb. 4.4.1892 in Lübeck. Als sein Beruf wurde "Arbeiter" angegeben, als Adresse Luruper Weg 71. Bei Emma Elvers fehlt eine Berufsangabe, doch lässt die Adresse Hansastraße 38 daran denken, dass sie dort "in Stellung" war (Hausangestellte). Der Sohn Hans wurde am 21. Dezember im selben Jahr geboren, die Tochter Käte am 18. August 1927.

Walter Medau fand Arbeit als Bauarbeiter, Eisenflechter und Betonfacharbeiter. Er wohnte mit seiner Familie in der Greifswalder Straße 16 in St. Georg. Die Kinder waren zwei und sechs Jahre alt, als ihre Mutter am 8. Februar 1929 im Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf starb. Wer sich fortan um sie kümmerte, ist nicht bekannt.

Walter Medau ging eine zweite Ehe ein, über die kaum etwas bekannt ist. Sie wurde vor 1943 geschieden. Die Frau stammte von Rügen und kehrte dorthin nach der Scheidung zurück.

Die Familie zog in den Arbeiterstadtteil Hamburg-Hamm, zunächst in den Wichernsweg 28 und später in die Süderstraße 318. Walter Medau war gegen den Krieg eingestellt, hielt aber zu seinem Sohn Hans, als der bei der Wehrmacht war. In der Süderstraße wurden Vater und Tochter Medau am 27./28. Juli 1943 ausgebombt. Sie überlebten den Angriff im Luftschutzkeller des Hauses. Walter Medau kam danach als Untermieter bei Duncker in der Großen Allee 7 unter, die Tochter Käte bei ihrer Tante Hertha in Geesthacht. Am 17. Dezember 43 wurde Walter Medau offenbar noch einmal gemustert und für "kriegsverwendungsfähig" erklärt, aber nicht mehr eingezogen.

Über Walter Medaus Politisierung sind keine Einzelheiten bekannt. Weder sein Vater noch sein Bruder Alphons waren politisch aktiv. Vermutlich hörte er, als er im Wichernsweg 28 wohnte, von Max Blaeser und dessen Schicksal (siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Max Blaeser war bereits 1933 wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" verhaftet und 1936 aus dem Zuchthaus entlassen worden, wusste also über illegale Aktivitäten der Kommunisten, der Verfolgung und Ahndung Bescheid. Er hatte sicher auch Kenntnis vom Schicksal Karl Wolffs aus der Süderstraße 323, der 1933 als angeblich an einem Mord am "Altonaer Blutsonntag" Beteiligter hingerichtet worden war. Beide waren jünger als Walter Medau, der Familienvater und bald 50 Jahre alt war. Aber er verkehrte mit dem fast gleichaltrigen Oswald Laue, ebenfalls Familienvater und Eisenflechter und nahm an einem Gesprächskreis teil, der sich um ihn gesammelt hatte. Oswald Laue war KPD-Funktionär in Hamm und den benachbarten Stadtteilen.

Walter Medau beteiligte sich an der Verteilung von Flugblättern. In die Diskussionen um den Kriegsverlauf brachte er seine Kenntnisse ein, die er aus dem Abhören von Auslandssendern gewonnen hatte. Die Gestapo kam dem Kreis um Oswald Laue auf die Spur, Pfingsten 1944 wurden Walter Medau, Oswald Laue und Walter Behn verhaftet und im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert.

Zur Vorbereitung des Prozesses vor dem Volksgerichtshof wurden sie nach Berlin überstellt und am 7. Dezember 1944 wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" und "Wehrkraftzersetzung" angeklagt. Oswald Laue wurde zum Tode verurteilt und am 15. Januar 1945 in Brandenburg-Görden enthauptet (an ihn erinnert ein Stolperstein), Walter Medau erhielt eine Zuchthausstrafe von sechs Jahren, die er zunächst im Zuchthaus Celle, dann in Bützow-Dreibergen absaß. Dort wurde er von der Roten Armee befreit und "verlaust und zerlumpt" zusammen mit anderen Befreiten von einer Familie Beckmann aufgenommen.

Die Haftbedingungen in dem überbelegten Zuchthaus waren entsetzlich, so dass viele der ehemaligen Häftlinge nach ihrer Befreiung gepflegt werden mussten. Walter Medau sehnte sich nach seinen Kindern, besonders nach der Tochter, konnte aber nicht gleich nach Hamburg reisen. Ausgehungert wie er war, erkrankte er an Ruhr und wurde am 25. Mai 1945 in das in der Mittelschule eingerichtete Lazarett gebracht. Dort starb er am 24. Juni und wurde in Bützow beigesetzt.
Ein Mitglied der Familie Beckmann, die ihn aufgenommen hatte, berichtete 1946 von seinen letzten Tagen.

Am 8. Mai 1985 wurde im Ratssaal des Geesthachter Rathauses eine Ehrentafel für die Widerstandskämpfer, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden waren, eingeweiht. Auf ihr ist auch Walter Medau verzeichnet. Da es sich bei diesen Opfern überwiegend um Angehörige der KPD handelt, ist anzunehmen, dass auch Walter Medau der KPD angehörte.

Stand: August 2021
© Hildegard Thevs

Quellen: VAN-Liste 1968; AB 1933 Wichernsweg 28 Hs. 3, Nr. 1, 1936 und 1938 Süderstr. 318; Ehrenhain, S. 87 (Oswald Laue); VVN M 9; Ursel Hochmuth, Niemand und nichts wird vergessen. Biogramme und Briefe, Hamburg 2005, S. 87; St. Salvatoris in Geesthacht, Archiv, Kirchenbuch 1894; Wehrpass vom 11. Februar 1939, Ummeldeformular 1943 und Fotos aus Privatbesitz; Mitteilungen von Angehörigen, Signe Schuster und Hanno Billerbeck.

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