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Bereits verlegte Stolpersteine



Siegmund Schenk * 1872

Hasselbrookstraße 154 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
SIEGMUND SCHENK
JG. 1872
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Hasselbrookstraße 154:
Siegmund Fiebelmann, Ruth Fiebelmann, Dan Fiebelmann, Clara Schenk

Siegmund Schenk, geb. 8.11.1872 in Marienburg/Westpreußen, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Clara Schenk, geb. Katzenstein, geb. 21.7.1882 in Wetzlar, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk

Hasselbrookstraße 154

Siegmund Schenk ging in Marienburg zur Schule, zuletzt auf die Höhere Handelsschule. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Emden absolvierte er in Hamburg eine kaufmännische Lehre. Bereits im Jahre 1900 – mit 28 Jahren – eröffnete er in Hamburg-Altstadt, Kattrepel 23, ein Herrenkonfektionsgeschäft, das er zeitweise wegen Abbruchs des Gebäudes in die nahe gelegene Niedernstraße verlegen musste.

Siegmund Schenk war in Hamburg bereits gut eingeführt, als er im September 1911 in Berlin die zehn Jahre jüngere Lehrerstochter Clara Katzenstein aus Wetzlar in Mittelhessen heiratete. Beide waren jüdischen Glaubens. Bereits im Adressbuch von 1913 wurde Siegmund Schenk mit der Wohnadresse Hasselbrookstraße 154 in Eilbek vermerkt. Hier wohnte die Familie Schenk fast dreißig Jahre.

Am 26. August 1912 kam die erste Tochter, Betty, zur Welt, am 2. April 1914 die zweite Tochter, Margot. Die Kinder erlebten eine behütete Kindheit. Die Familie unternahm alljährlich Sommerreisen. Beide Töchter besuchten eine höhere Schule und erhielten eine gute Berufsausbildung. Betty absolvierte eine Schneiderlehre bei der Firma Hirsch & Cie., Margot wurde Kontoristin bei derselben Firma. Hirsch & Cie. war ein belgisches Bekleidungsunternehmen. Es wurde mit der Mode der Belle Epoque bekannt und unterhielt neben der Zentrale in Brüssel Zweigbetriebe in Amsterdam, Köln, Dresden und Hamburg.

Die Familie Schenk lebte in sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen. Die Wohnung in der Hasselbrookstraße 154 umfasste 5 Zimmer, darunter ein Ess- und ein Bibliothekszimmer, sehr gut eingerichtet, u. a. mit einer reichhaltigen Bibliothek und einem Bechsteinflügel. Die Familie beschäftigte ein Dienst- und ein Kindermädchen. Quelle dieser wohl situierten Lebensumstände war Siegmund Schenks Konfektionsgeschäft. Aus dem Wiedergutmachungsantrag der Tochter Betty ergibt sich, dass Siegmund Schenks Geschäfte selbst in den 1920er und den frühen 1930er Jahren prosperierten. Er hatte zwei Angestellte. Die finanzielle Situation erlaubte es Siegmund Schenk, die in Hamburg lebenden Waisen seines Bruders Sally und seiner Schwägerin Sara zu unterstützen. Er nahm Meta, geboren am 11. August 1898, und Max Schenk, geboren am 11. Juni 1901, in seiner Wohnung in der Hasselbrookstraße 154 auf.

Was Siegmund Schenk 1932 veranlasste, seine Aktivitäten nach Hammerbrook zu verlegen, ist nicht überliefert. Im Hamburger Adressbuch von 1933 lautete seine Geschäftsadresse Banksstraße 38, als Zweck wurde "Arbeiterbekleidung" angegeben. Wie alle jüdischen Geschäfte wurde auch das Konfektionshaus Schenk ab Anfang 1933 boykottiert. Der Verkauf brach ein. Anscheinend versuchte Siegmund Schenk den antijüdischen Boykottmaßnahmen auszuweichen und mit der Arbeitskleidung eine Nische zu finden. In den ersten beiden Monaten 1933 handelte er in Wandsbek mit Kommissionsware. Die Einnahmen waren so gering, dass er die Miete nicht bezahlen konnte. Ab Mitte März 1933 bezog er laufend Fürsorgeunterstützung.

In dieser Zeit war Siegmund Schenks Gesundheit schon sehr angegriffen. Er litt unter Herzmuskelschwäche und war von März bis Ende 1933 nicht arbeitsfähig. Immer wieder unternahm er bis 1938 Anläufe, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. So begann er Anfang Juli 1935 erneut einen Kleiderhandel, den er aber nach zwei Monaten, in denen er einen Über­schuss von 4,22 RM erwirtschaftete, wieder aufgeben musste. Der damaligen Detaillistenkammer, einer durch Gesetz im Jahre 1904 geschaffenen Interessenvertretung des Einzel-Handels, war offenbar nicht daran gelegen, dass ein Konkurrent Erfolg habe könnte. Sie wandte sich gegenüber der Fürsorgebehörde gegen den Geschäftsbetrieb und schrieb: "Eine weitere Unterstützung aus öffentlichen Mitteln sollte [...] von der Aufgabe des Geschäftes abhängig gemacht werden. Vorstehende Mitteilung ist vertraulich; insbesondere wird gebeten, diese dem Hilfsbedürftigen nicht bekannt zu geben."

Vom Frühjahr 1936 bis März 1937 war Siegmund Schenk arbeitslos. Die Fürsorgebehörde teilte ihm mit, dass er den Handel mit getragener Kleidung wegen Aussichtslosigkeit nicht wieder aufnehmen dürfe, sonst müsse er auf Fürsorgeunterstützung verzichten. Dennoch begann Siegmund Schenk am 1. Juni 1937 erneut einen Handel mit getragener Herrenkleidung, den er bis 1938/39 fortführte. Wesentliche Einkünfte konnte er jedoch nicht erzielen.

Den jüdischen Gebrauchtwarenhändlern wurde die Geschäftstätigkeit von "arischen" Konkurrenten systematisch erschwert. Mit einem undatierten Schreiben, das am 24.1.1938 bei der Fürsorgebehörde einging, übersandte die "Wirtschaftsgruppe Einzelhandel, Zweckgemeinschaft Gebrauchtwarenhandel" "eine Liste der Gebrauchtwarenhändler" mit dem Ansinnen:

"In der Erwartung, dass die Fürsorgebehörde die arischen Altwarenbetriebe mehr als je zur Versorgung der Fürsorgebetreuten mit gebr. Kleidung usw. heranziehen wird, dankt Ihnen im voraus und zeichnet Heil Hitler Frau Martha Menger."

Es folgte eine Liste mit 21 "nichtarischen" Gebrauchtwarenbetrieben in Hamburg und Altona, die auch den Namen Siegmund Schenks enthielt.

Ab 1938/39 übte Siegmund Schenk keine Tätigkeit mehr aus. Als Empfänger von Fürsorgeunterstützung wurde er ab 3. Juli 1939 zu Unterstützungsarbeit verpflichtet, laut Wiedergutmachungsakte in Moorredder. Gemeint ist damit vermutlich die Straße Moorredder in Hamburg-Volksdorf. Dort wurden 1939 jüdische Unterstützungsarbeiter bei der Errichtung eines Schießstandes eingesetzt. Bereits ab 1935 hatte die Hamburger Abteilung Arbeitsfürsorge für jüdische Fürsorgeempfänger gesonderte Unterstützungsarbeitsplätze eingerichtet, um sie von den übrigen Hilfsbedürftigen abzusondern.

Wie alle Juden mussten Clara und Siegmund Schenk 1938 Schmuck und andere Wertgegenstände abliefern.

Tochter Betty wurde am 1. Januar 1939 arbeitslos, Margot etwas später. Spätestens jetzt wurden offensichtlich in der Familie lange Gespräche über ihre Zukunft in Deutschland geführt. Die Töchter Betty und Margot waren entschlossen, das Land zu verlassen. Dazu konnten sich die Eltern anscheinend nicht durchringen. Hinweise auf Auswanderungsvorbereitungen der Eltern sind nicht auffindbar. Ob unterschiedliche Bewertungen der Situation von Jüdinnen und Juden in Deutschland ausschlaggebend waren oder das inzwischen fortgeschrittene Alter der Eltern, ist nicht bekannt. Betty und Margot verließen Deutschland am 3. Juni 1939 in Richtung Bolivien. Sie waren zu der Zeit 25 und 27 Jahre alt. Mit ihnen emigrierten auch Siegmunds Nichte Meta und Neffe Max.

Clara und Siegmund Schenks Einkünfte waren nun so gering, dass sie nach der Auswanderung der beiden Töchter vom Verkauf ihrer Möbel lebten. Siegmund Schenk wurde zehn Tage nach seinem 69. Geburtstag zusammen mit seiner Frau Clara am 18. November 1941 in einem Deportationszug mit insgesamt 407 Jüdinnen und Juden von Hamburg in das Getto Minsk verschleppt.

Tochter Betty berichtete im Wiedergutmachungsverfahren, sie habe von Nachbarn aus der Hasselbrookstraße 154 erfahren, dass ihre Eltern im Jahre 1941 diese Wohnung verlassen mussten und nach Minsk deportiert wurden. "Wir haben später nie wieder etwas von unseren Eltern gehört."

Clara und Siegmund Schenk wurden auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Stand Februar 2014
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; AB; StaH 351-10 I Sozialbehörde I WA 10.18; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 1999, 5865; 522-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Deportationslisten; Lohalm, Uwe, Völkische Wohlfahrtsdiktatur, S. 401ff.; http://de.wikipedia.org/wiki/Hirsch_%26_Cie (Zugriff am 17.8.2013).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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