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Bereits verlegte Stolpersteine



Julius Schwabe * 1883

Brahmsallee 17 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
JULIUS SCHWABE
JG. 1883
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
28.10.1941

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 17:
Leopold Appel, Henny Schwabe

Henny Schwabe, geb. Josephs, geb. am 22.10.1888 in Jever, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiter deportiert am 6.10.1944 nach Auschwitz
Julius Schwabe, geb. am 29.5.1883 in Jever, gestorben am 28.10.1941 in Hamburg (Suizid)

Brahmsallee 17

Henny Schwabe wurde am 22.10.1888 in Jever als Tochter von Joseph C. Josephs (1857–1919) und seiner Frau Rosa (Röschen) Wolf Josephs, geb. Josephs (1861–1906), geboren. Rosa Wolf Josephs war die älteste Schwester von Siegfried Josephs, dem späteren zweiten Ehemann ihrer Tochter Elise. Henny Schwabes Geschwister waren: Elise (Lisbeth) (1887–1944 Auschwitz), Louis (1891–1916 Frankreich) und Helene (Leni) (1893–1942 Auschwitz), sie kamen ebenfalls in Jever zur Welt. Nachdem die Mutter verstorben war, heiratete Joseph C. Josephs in zweiter Ehe die 15 Jahre jüngere Paula, geb. Josephs (1872–1923). Die Ehe blieb kinderlos. Paula war die Cousine von Hennys Mutter Rosa Wolf Josephs.

Hennys späterer Ehemann, der Kaufmann Julius Schwabe, wurde am 29.5.1883 als Sohn des Uhrmachers Adam Isaak Schwabe (1861–1903) und seiner Frau Clara, geb. Israel (1868 Nakel/ Preussen – heute Naklo nad Notecia/Woiwoschaft Kujawien/Polen), in Jever geboren, das sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem Zentrum jüdischen Lebens entwickelt hatte.

Das erste Zeugnis einer jüdischen Ansiedlung fand sich im Jahre 1698, als die Stadt zum kleinen Fürstentum Anhalt-Zerbst an der Elbe gehörte. 1802 weihte die Gemeinde die neu gebaute Synagoge feierlich ein. 1855 lebten 125 jüdische Bewohner in der Stadt und 1890 zählte man 219, sodass eine Neue Synagoge gebaut und 1880 eingeweiht wurde. Im gleichen Jahr eröffnete, direkt daneben, die Religionsschule.

Henny und Julius Schwabe entstammten beide alteingesessenen Familien in Jever. Sie verlebten dort ihre Kindheit, gingen zur Schule, lernten sich kennen und lieben. Am 1. September 1911 heirateten sie. In dieser Ehe wurden keine Kinder geboren. Julius Schwabe wurde in der Familie "Onkel Ju" genannt. Er galt als musischer und poetischer Mensch. Gleichzeitig spielte er begeistert Skat, wozu sich die Ehepaare Schwabe und Josephs häufig verabredeten, wie uns der Enkel von Elise Josephs, Gideon Schmuel de Beer und seine Familie, mitteilten.

Über viele Jahre war Julius Schwabe in Jever erfolgreich als Schuhhändler tätig. Der Ort galt als liberal, doch bereits in den 1920er-Jahren hörte man nationalkonservative Parolen. Julius Schwabe gehörte seit einigen Jahren dem "Albani-Pütt" an. "Pütts" gingen auf eine Zeit zurück, in der sich Anwohner und Geschäftsleute in ihrem Stadtteil zusammenschlossen, um "ihren" Trinkwasserbrunnen zu schützen. Eine Tradition, die fortlebte und gefeiert wurde. Aber ab 1933 gab es dieses Leben nicht mehr. Der Sparkassendirektor war nicht mehr zu sprechen, die beiden Beamten grüßten nicht mehr und drei weitere Pütt-Mitglieder engagierten sich in der NSDAP. Der Juden-Boykott am 1.April 1933 dürfte auch Julius Schwabes Geschäft getroffen haben. Das führte dazu, dass die Juden weniger Einnahmen hatten und schließlich ihr Gut, Geschäfte und Häuser in der Regel weit unter Wert verkaufen mussten. Langjährige Kunden, die weiterhin dort einkaufen wollten, wurden fotografiert und öffentlich an den Pranger gestellt. Die Jeveraner Juden wurden bereits Mitte der 1930er-Jahre aus ihrer Heimat vertrieben, viele von ihnen siedelten sich in den norddeutschen Großstädten an. Die Nationalsozialisten wollten Jever so schnell wie möglich "judenrein" machen.

Das Ehepaar Schwabe zog nach Hamburg. Am 20. April 1937 registrierte die Jüdische Gemeinde sie als Mitglieder. Vom 1. April 1937 bis zum 15. April 1938 wohnte das Ehepaar in der Heinrich-Barth-Straße 3. Gemäß dem Hamburger Adressbuch von 1938 handelte Julius Schwabe zu dieser Zeit mit Bürobedarf, bis zum 31. Dezember 1938. Dann mussten jüdische Geschäfte "arisiert" bzw. liquidiert werden, je nachdem wie es eine Kommission aus Beamten und Kaufleuten beschloss. Julius Schwabes Geschäft wurde liquidiert. Ab Mitte April 1938 fanden Henny und Julius Schwabe Unterkunft bei dem Ehepaar Emma und Julius Lewandowski (s. Biographien www.stolpersteine-hamburg.de) in der Hansastraße 57.

Aus der Beurkundung eines Jeveraner Notars vom 9. Februar 1939 ging hervor, dass Julius Schwabe sein Grundstück Albani-/Große Burgstraße an den Zahnarzt Adolf Gottfried Behrends in Jever verkaufen musste. Grundlage hierfür war ein Kaufvertrag vom 14. Oktober 1938. Die notwendigen Formalitäten regelte der Versteigerer als Bevollmächtigter in Abwesenheit von Julius Schwabe. Wir gehen davon aus, dass das Grundstück weit unter Wert verkauft wurde.

Wenige Tage zuvor hatte der Oberfinanzpräsident das Vermögen von Henny und Julius Schwabe durch die erlassene "Sicherungsanordnung" vom 4. Februar 1939 gesperrt. Gleichzeitig erteilte er die Genehmigung, ausstehende Forderungen der Landessparkasse Oldenburg, Oldenburgische Landessparkasse Jever, an zwei Privatpersonen sowie an die Treuhand AG Oldenburg zu zahlen. Zudem bekam Julius Schwabe die Auflage, bei der Neuen Sparkasse Hamburg ein Sperrkonto zu eröffnen, auf welchem der Restverkaufserlös abzüglich "Reichsfluchtsteuer" und "Judenvermögensabgabe", somit 4544 RM, verblieb. Monatlich durfte das Ehepaar Schwabe über 600 RM zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfügen. Im September 1939 erhielten sie von der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten erneut einen Fragebogen zur Ermittlung der Vermögensverhältnisse. Anstelle der ursprünglichen 600 RM genehmigte die Devisenstelle nur noch 340 RM monatlich, von denen 60 RM für Miete, 280 RM für Lebenshaltungskosten zur Verfügung standen. Henny Schwabe unterstützte ihre Schwester Elise in Oldenburg monatlich mit 40 RM. Ob sie ihrer Schwester weiterhin finanziell half, wissen wir nicht.

Erst spät, Anfang 1940, entschlossen sich Henny und Julius Schwabe zur Auswanderung in die USA.

Dazu war es erforderlich, einen umfangreichen Fragebogen hinsichtlich der persönlichen Daten auszufüllen. Aus diesem erfuhren wir, dass sich das Einkommen von Julius Schwabe in den Jahren 1937 und 1938 auf jeweils 1500 RM, für das Jahr 1939 auf 1800 RM belief und 1940 auf 622 RM absank. Das Vermögen des Ehepaares betrug 7750 RM. Hierin enthalten war ein kleiner Betrag, der aus dem Nachlass von Henny Schwabes verstorbener Mutter Rosa stammte. Die finanzielle Situation der Schwabes war angespannt. Sie hatten Schulden bei vier verschiedenen Personen, in Höhe von 8500 RM. Daraus folgerte der Oberfinanzpräsident, dass die Forderungen der Gläubiger an das Deutsche Reich übergegangen seien, da Juden kein Vermögen mehr besitzen durften. Als letzten Wohnort in Jever gab Julius Schwabe die Adresse an, unter der er vom Tag seiner Geburt bis zum 1. April 1937, zu Hause gewesen war.

Am 2. Dezember 1940 beantragte Julius Schwabe beim Oberfinanzpräsidenten Geldmittel in Devisen für Fahrkarten nach Yokohama/Japan. Er bat darum, diese in Reichsmark zahlen zu dürfen. Nachdem sich das zuständige Hapag-Reisebüro bereits damit einverstanden erklärt hatte, lehnte die Devisenstelle am 5. Dezember 1940 ab.

Für Umzugsgut, Bekleidung, Gebrauchsgegenstände etc. war ein weiterer Antrag erforderlich. Hierin wurde alles fein säuberlich aufgelistet: ob der Regenschirm eine Neuanschaffung war und wenn ja, zu welchem Preis er gekauft wurde; sollte es jedoch ein alter Schirm gewesen sein, musste das Anschaffungsjahr vermerkt werden; das galt auch für sechs Staubtücher. Nachdem alles auf mehreren Seiten notiert war, prüfte der Sachverständige, Gerichtsvollzieher Fuhrmann, die Unterlagen auf Vollständigkeit. Gleichzeitig nahm er das Umzugsgut in Augenschein und vermerkte Auffälligkeiten, so etwa, "dass alles gebraucht, stark abgetragen und teils defekt sei". Die Unterlagen wurden dem Oberfinanzpräsidenten vorgelegt und dieser erteilte am 5. September 1941 die Genehmigung. Ein handschriftlicher Vermerk verwies auf die Auswanderung für die Monate September/Oktober 1941. Wir wissen nicht, wieso die Auswanderung nicht zustande kam. Gründe könnten – kriegsbedingt – fehlende Reisemöglichkeiten oder das Verbot der Emigration am 23. Oktober 1941 gewesen sein.

Am 25. Oktober 1941 fand die erste Deportation Hamburger Juden, die u.a. in der Hansastraße sowie der Brahmsallee wohnten, statt, was den Nachbarn nicht verborgen blieb.

In dieser Situation sah Julius Schwabe keinen Ausweg mehr. Die Nachbarn, Julius Gröschler und Prof. Adler (s. www.stolpersteine-hamburg.de), fanden am 28. Oktober 1941 den leblosen Julius Schwabe auf dem Dachboden des Wohnhauses vor. Die Polizei wurde telefonisch informiert. Der verständigte Prosektor (Pathologe) Holzknecht vom Hafenkrankenhaus stellte den Tod von Julius Schwabe fest. Da sich in der Wohnung ein Abschiedsbrief für Henny Schwabe befand, ging die Polizei von Selbstmord aus. Den Grund hierfür sah der zuständige Kriminal-Obersekretär in der drohenden "Evakuierung". Der Wortlaut des Briefes wurde ins Protokoll übernommen, den wir mit Erlaubnis des Verwandten Gideon Schmuel de Beer hier wiedergeben: "Geliebtes Mutti Herz. Ich bin oben auf dem Boden. Grüße die Kinder, Liese, Leni und Kinder. Drehe Du den Gashahn auf, es ist kein Leben. Besser so. Ich dank Dir herzl. für alle alle Liebe, Ich küsse Dich innigst Papi."

Die Beerdigung von Julius Schwabe richtete die Jüdische Gemeinde aus. Zuvor musste sich Henny Schwabe eine Beerdigungserlaubnis geben lassen. Julius Schwabe wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Hamburg beigesetzt.

Jetzt war Henny Schwabe auf sich allein gestellt. Unterstützung erhielt sie möglicherweise von ihrer Schwester Elise, die mittlerweile mit ihrer Familie in der Rothenbaumchaussee 217 wohnte. Mitte November 1941 erhielt Henny Schwabe einen Brief des Oberfinanzpräsidenten, der ihr unter der Adresse Rothenbaumchaussee 213 zugestellt wurde. Demnach durfte sie nur noch über 250 RM zur Begleichung der Lebenshaltungskosten verfügen. Für eine Augenoperation ihres Neffen Claus Josephs im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee zahlte Henny Schwabe 200 RM. Die dafür notwendige Genehmigung des Oberfinanzpräsidenten vom 30. Juni 1942 erreichte sie bereits in der Beneckestraße 6, einem Gebäude, das die Jüdische Gemeinde als "Judenhaus" nutzte.

Henny Schwabe wurde mit dem Transport VI/1 am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt und von dort mit dem Transport Eo am 6. Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.

Auch Hennys Schwester Elise (1887), in zweiter Ehe mit Siegfried Josephs (1885) verheiratet, und die in dieser Ehe geborenen Kinder Hannelore (1920) und Claus (1925) wurden aus Oldenburg vertrieben. Karl Heinz und Herbert Stein, die Söhne aus der ersten Ehe von Elise mit Levy Moses Stein (1866–1914), waren 1938 bzw. 1935 in die USA und nach Palästina ausgewandert. Hannelore Josephs emigrierte 1939 über Schweden nach Palästina, wo sie 1941 eintraf.

Familie Josephs lebte ab Mitte 1940 zunächst in der Rothenbaumchaussee 217, 1942 wurde sie in dem Haus der Jüdischen Gemeinde Beneckestraße 6 einquartiert. Mit dem Transport am 15. Juli 1942 wurden Elise, Siegfried und Claus Josephs (s. Biographien www.stolpersteine-hamburg.de) nach Theresienstadt deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet.

Die jüngere Schwester Helene (1893–1942 Auschwitz) war seit 1914 mit dem Holländer Hermann de Levie (1890–1942 Auschwitz) verheiratet. Sie lebten viele Jahrzehnte in Oldenburg, wo die beiden Kinder Ruth (1915–1975 Tilburg/Holland) und Hans-Ludwig (1918–1942 Auschwitz) zur Welt kamen. Ruth und Hans-Ludwig emigrierten 1933 nach Groningen/Holland, die Eltern folgten 1935. Später verzog die Familie nach Amsterdam und s‘Hertogenbosch. Aus dem Durchgangslager Westerbork wurden Helene und Hermann de Levie am 30.Oktober 1942 mit dem 32. Transport nach Auschwitz deportiert. Wenige Tage später, am 10. November 1942, folgte Hans-Ludwig mit dem 35. Transport. Das Ziel: Auschwitz. Die Familie wurde ermordet und später für tot erklärt.

Die Tochter Ruth hatte am 26. Mai 1940 Robert van Oss (1914–1978 Oisterwijk) geheiratet. Nachdem das Ehepaar bereits auf der Deportationsliste eingetragen war, flüchteten sie 1942 über Belgien und Frankreich in die Schweiz. Die Behörden in Genf registrierten Ruth und Robert van Oss als anerkannte Flüchtlinge. Deren Tochter Marijke kam 1944 in Montreux zur Welt.

Nach Kriegsende kehrte die Familie nach Holland zurück. Marijkes Bruder Marcel wurde 1947 in Oisterwijk geboren. Marijke Wagenaar, seit 1972 verheiratet, lebt mit ihrer Familie (ein Sohn und eine Tochter) in Holland. Marcel van Oss lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Israel.

In Oldenburg sind die Schwestern von Henny Schwabe, Elise Josephs und Helene de Levie und ihre Familien nicht vergessen. Im Erinnerungsbuch Oldenburg wird ihrer gedacht.
Für die Zusammenarbeit an dieser Biographie bedanken wir uns ganz herzlich bei den Familien de Beer, van Oss und Wagenaar, die uns mit wertvollen Hinweisen und Details unterstützten.

Stand: September 2016
© Sonja Zoder

Quellen: 1; 2; 4; 5; 7; 8; StaH 314-15 OFP Oberfinanzpräsident R 1939-358 und FVG 2184; 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle 3 Akte 1941/ 1630 und Journal 331-5/1941-3120 Az: 13 Js 1699/41; 332-5 Standesämter 8173-464/1941; Gideon Schmuel de Beer diverser Mailverkehr 2014; Hamburger Adressbücher; Peters, "Reichskristallnacht"; Tel. Auskunft Pastor Volker Landig, Jever, v. 15.4.2014; Peters, Wilhemshaven, Telefonat und div. Mails Juni 2014; Obenaus, (Hrsg): Historisches Handbuch, Teil 2, S. 924; Smiatacz, Stolpersteine in Hamburg-Barmbek/Uhlenhorst u. Mail von Carmen Smiatacz v. 26.5.2014; URL: http://erinnerungsbuch-oldenburg.de/jeo.php am 17.7.2014; http://www.alemannia-judaica.de/jever.htm am 13.3.2014; http://digital.lb-oldenburg.de/ihd/content/pageview/162367?query=josephs am 3.8.2014.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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