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F. K. Heinrich Schrage * 1893

Hofweg 6 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)

KZ Fuhlsbüttel
ermordet am 12.9.1944

Heinrich Friedrich Karl Schrage, geb. 30.9.1893, am 12.9.1944 im Konzentrations­lager Fuhlsbüttel erhängt aufgefunden

Hofweg 6

Karl Schrage wurde am 30. September 1893 als Sohn des Schneiders Carl Ludwig und dessen Ehefrau Emma, geb. Arend, geboren. Die Familie wohnte in Kassel in der Schäfergasse 39. Mit 18 Jahren verließ Karl Schrage sein Elternhaus und lebte vorübergehend zur Unter­miete. Seinen Unterhalt verdiente er als Schlosser und Monteur. 1913 zog er nach Saarlouis. Dort erlebte er den Beginn des Ersten Weltkrieges und wurde Soldat. Nach einer Verwun­dung kam er 1915 ins Lazarett und kehrte dann zu seinen Eltern in die Gießbergstraße 38 in Kassel zurück. Am 17. September 1921 heiratete er die vier Jahre jüngere Annemarie Thies­sen aus Marne in Schleswig-Holstein in ihrem Heimatort. Das Ehepaar lebte zunächst in Kassel.

Am 1. März 1929 zogen Annemarie und Karl Schrage nach Hamburg. Sie wohnten anfangs in Ro­then­burgs­­ort, in der Vierländer Straße 39. Ganz in der Nähe, in der Markmannstraße 125, eröffnete Karl Schra­ge im Jahr 1935 eine Tankstelle. Im Februar 1940 bezog das Ehe­paar, das inzwischen die beiden verwaisten Kinder einer Cousine von Annemarie Schra­ge aufgenommen hatte, eine größere Woh­nung in der ersten Etage des Hauses Hofweg 6.

Am 9. September 1944 wurde Karl Schrage auf seiner Tankstelle verhaftet und in das Konzentra­tions­lager Fuhlsbüttel gebracht. Der gleiche Schlag traf seinen Bruder Adolf, der in Wellingsbüttel lebte (von ihm wird in einer weiteren Stolperstein-Broschüre die Rede sein). Am 12. September 1944 wurde Karl Schrage er­hängt in seiner Zelle aufgefunden. Genau einen Mo­nat später, am 12. Oktober 1944, wurde sein Bruder unter den gleichen Umständen entdeckt. In beiden Fällen konstatierte der Lagerarzt als Todesursache: "Strangulation, Selbst­mord".

Karl Schrages Witwe berichtete nach dem Krieg, dass er erst kurz zuvor nach einer schweren Nieren-Operation aus dem Krankenhaus entlassen worden sei. Sie selbst sei am Tag der Ver­haftung bei Bekannten in Marne gewesen und unruhig geworden, als sie ihren Mann an diesem und dem folgenden Tag nicht telefonisch erreichen konnte. Daraufhin sei sie nach Ham­burg zurückgekehrt, habe Nachforschungen angestellt und bald darauf von seinem Tod er­­fahren. Gegenüber dem Wiedergutmachungsamt führte sie (nach dem Krieg wieder verheiratet) die Verhaftung ihres Mannes auf seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zu­rück und brachte auch schriftliche Zeugenaussagen von Bekannten ihres damaligen Mannes bei, die be­stätigten, dass er sich ihnen gegenüber abfällig über das Regime geäußert hatte. Das Amt be­zweifelte jedoch, dass dies der Verhaftungsgrund gewesen sei und verweigerte die An­er­ken­nung der politischen Verfolgung Karl Schrages und damit eine Entschädi­gungs­zahlung.

Die erhaltene Akte über die Todesumstände gibt ebenfalls keinen Hinweis auf einen politischen Verhaftungsgrund – einschlägige Vorwürfe hätten etwa auf "Wehrkraftzersetzung", "Heimtücke" oder "Defaitismus" lauten können. Stattdessen heißt es in der Akte: "Der Inhaber der Grosstankstelle Hamburg-Rothenburgsort, Karl Schrage, geb. 30.9.93 in Kassel, wohnhaft in Hamburg, Hofweg 6, wurde am 9.9.44 von der Geheimen Staatspolizei wegen Treibstoff-Sabotage festgenommen. In der Vernehmung am 11.9.44 gab Schrage zu, durch Vermittlung seines Bruders Adolf Schrage, der technischer Angestellter bei der Firma Klöck­ner [...] ist, wiederholt größere Mengen Benzin erhalten zu haben, das er an verschiedene Personen gegen bezugsbeschränkte Lebensmittel abgegeben habe. Karl Schrage [...] hat sich in der Nacht vom 11. zum 12. 9.44 in seiner Zelle erhängt."

Es bleibt unklar, wie weit diese Vorwürfe zutrafen. Auch kann ein politischer Kontext der hier genannten Delikte nicht völlig ausgeschlossen werden, den die Gestapo vielleicht nicht er­kannt hat.

Klar ist jedoch, dass Karl und Adolf Schrage nicht nach rechtstaatlichen Grundsätzen behandelt wurden. Was wirklich mit ihnen geschah, ist nicht mehr sicher aufzuklären. Emil Schacht, der spätere Ehemann der Witwe, berichtete von einem ihm namentlich nicht bekannten Zeu­gen, der 1950 in der Wohnung am Hofweg 6 auftauchte: "Der Zeuge gab sich als Auf­sichts­beamter des Konzentrationslagers Fuhlsbüttel aus und erklärte, daß dort in seinem Bereich auch die Zelle mit dem inhaftierten Herrn Schrage vorhanden war. [...] Der Zeuge teilte mit, daß er eines Tages den Häftling Herrn Schrage an einem Türpfosten an einer Schnur erhängt vorfand. Der Tod muß kurz vorher eingetreten sein. Auf meine Frage, ob die Häftlinge mißhandelt worden sind, versicherte der Zeuge, daß Mißhandlungen vorgekommmen sind, er daran aber nicht aktiv beteiligt gewesen sei. Vielmehr hätten andere [...] die Gefangenen im Keller zusammengetrieben und schwer mit Knüppeln mißhandelt. Unter den Mißhandelten sei auch Herr Schra­ge gewesen. [...] Die Todesursache konnte der Zeuge auf mein Befragen nicht erklären. Auf meine Frage nach der Herkunft der Schnur, an der der Tote hing, blieb der Zeuge die Antwort schuldig. Es fiel auf, daß Gefangene nicht selbst im Besitz einer Schnur sein konnten."

Vielleicht hat es sich so oder so ähnlich abgespielt. Extreme Misshandlungen waren im Kon­zen­trationslager Fuhlsbüttel an der Tagesordnung. Vielleicht wurde Karl Schrage durch eine solche Erfahrung in den Tod getrieben. Genauso ist aber möglich, dass er von den dort Wäch­terdienste versehenden Schlägern ermordet wurde.

© Carmen Smiatacz/Ulrike Sparr

Quellen: StaHH 332-5, Personenstandsunterlagen, 9953 und 1373/1944; Diercks, Herbert, Gedenkbuch "KOLA-FU", S. 37; Stadtarchiv Kassel; StaHH 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 19217; StaHH 331-5, Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle, 3 1944 1420; StaHH 331-5, Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle, 1193; Bajohr, Parvenüs und Profiteure; Garbe, Institutionen des Terrors; Hochmuth, Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel.

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