Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Sophie Sterrn * 1870

Schillerstraße 13 (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
SOPHIE STERRN
JG. 1870
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Schillerstraße 13:
Marianne Sterrn

Sophie Sterrn, geboren am 21.5.1870 in Altona, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert nach Treblinka am 23.9.1942, ermordet

Marianne Sterrn, geboren am 7.5.1875 in Altona, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert nach Treblinka am 23.9.1942, ermordet

Schillerstraße 13

Die Schwestern Sophie und Marianne Sterrn stammten aus einer kinderreichen jüdischen Altonaer Familie. Schon ihre Eltern, der Kaufmann Mendel Sterrn (geb. 1827) und Henriette (Jette), geb. Italiener (geb. 1837), waren in Altona geboren worden. Sie hatten 1864 geheiratet und insgesamt sieben Kinder bekommen, nämlich Jenny (1867), Sophie (1870), Cäcilie (1872), Adolph (1873), Marianne (1875), Selly (1877) und Helene (1879). (Die jüngste, Helene, starb bereits nach einem Monat.)

Der Familienvater Mendel verstarb 1882, und Jette blieb mit den sechs Kindern zurück, von denen das älteste damals knapp 15 Jahre war. Die Familie wohnte in der heutigen Struenseestraße (damals kleine Mühlenstraße).

Ob Vater Mendel seiner Familie etwas hinterlassen konnte, wissen wir nicht. In seiner Todesanzeige, aber auch zahlreichen weiteren Urkunden der Familie taucht aber immer wieder ein Rudolf Italiener auf, womöglich ein Bruder von Jette. Dieser besaß eine Kutschenvermietung und Posthalterei sowie Grundbesitz an der Palmaille und in der heutigen Sägemühlenstraße (damals Röperstraße). Vermutlich unterstützte er seine verwitwete Schwester mit ihren Kindern.

Nach und nach machten die Kinder sich selbständig:

Die älteste, Jenny, reiste mit knapp 20 Jahren im Juni 1888 auf dem HAPAG-Dampfer Moravia nach New York City (NYC). Dort heiratete sie 1890 einen Anthony Pontecorvo und bekam mit diesem drei Kinder. Sie starb bereits im April 1918 mit 51 Jahren in der Bronx, NYC.

Ebenfalls nach NYC zog es einige Jahre nach seiner Schwester den einzigen Sohn der Familie, Adolph. Er kam im März 1901 auf dem Dampfer Batavia dort an. Aus seiner Musterungskarte für den Ersten Weltkrieg geht hervor, dass er als Kellner in Brighton Beach arbeitete. Mit seiner aus Russland stammenden Frau Rose hatte er vier Kinder. 1932 starb er mit 58 Jahren in NYC.

Cäcilie Sterrn, die die Klosterschule St. Johannis besucht hatte, legte 1892 die Lehrerinnenprüfung ab und unterrichtete ab 1893 an der Israelitischen Gemeindeschule in Altona.

Sophie Sterrn war ab 1895 als Handarbeitslehrerin berufstätig, wie aus dem Eintrag in das Altonaer Adressbuch hervorgeht.

Was Marianne Sterrn gearbeitet hat, ließ sich nicht herausfinden. Sie dürfte aber ebenfalls berufstätig gewesen sein, denn in späteren Urkunden wird sie als Rentnerin bezeichnet, auch sind eigenständige Beiträge zur Jüdischen Gemeinde von ihr verbucht.

Selly (auch Selma) Sterrn firmierte zumindest in ihrer Heiratsurkunde als Buchhalterin. Sie war die nächste, die die Familie verließ. 1906 heiratete sie den 22 Jahre älteren nichtjüdischen Friedrich Krenz aus Stavenhagen, einen Witwer mit vier Kindern. Krenz war bei der Reichsbahn beschäftigt und brachte es dort bis zum "Rechnungsrat".

Nun lebte Jette Sterrn noch mit den drei Töchtern Sophie, Cäcilie und Marianne zusammen, ab 1907 für einige Jahre in der Kirchenstraße und ab Oktober 1911 in der heutigen Schillerstraße, (damals Mathildenstraße) 23, 1. Stock. Sozial dürfte dieser Umzug in ein relativ neues Gründerzeithaus ein Aufstieg gewesen sein; denn ihr vorheriges Wohngebiet, das heruntergekommene Altstadtviertel, wurde dann auch abgerissen.

1916 starb die Mutter und "Geschwister Sterrn", wie es im Adressbuch hieß, wohnten viele Jahre noch zusammen in der heutigen Schillerstraße.

Selly hingegen lebte mit ihrem Mann und dessen Kindern ab 1916 im heutigen Riemenschneiderstieg 4 (seinerzeit Emmichstraße), in einem Haus in der sogenannten Steenkampsiedlung in Bahrenfeld. Als Friedrich Krenz 1931 starb, vererbte er ihr das Haus.

Im Juni 1930 war auch Cäcilie Sterrn mit knapp 58 verstorben. Sophie und Marianne wohnten zunächst weiter in der Schillerstraße, gaben diese Wohnung aber im Juni 1933 auf und zogen in das Leja-Stift in der Thadenstraße 120 (damals Große Gärtnerstraße). In diesem 1869 von Benjamin Leja gegründeten paritätischen Wohnstift wurden Freiwohnungen an "respektable", vor allem allein stehende ältere Frauen gegeben, die keine Armenunterstützung bezogen und sich selbst unterhalten konnten. Die 43 Freiwohnungen gingen zu 2/3 an Angehörige der christlichen und zu 1/3 an solche der jüdischen Religion.

1934 war Sophie 64 und Marianne 59 Jahre alt. Es kann sich noch um einen ihrer Lebensplanung entsprechenden Umzug gehandelt haben, zumal die ehemals von vier Familienmitgliedern bewohnte Wohnung für sie zu zweit vielleicht zu groß und zu teuer gewesen sein mag. Aber wir wissen über die Motive nichts.

Ihre verwitwete Schwester Selly lebte, inzwischen allein, weiter in dem 4 1/2 Zimmer-Haus in der Steenkampsiedlung, hatte aber aufgrund ihrer schlechten Gesundheit zunehmend Probleme damit, Haus und Garten hinreichend zu versorgen. Sie hatte in einem Testament aus dem Mai 1937 ihre Schwestern zu Erbinnen des Hauses eingesetzt, vermietete dieses ab 1937 aber und zog nach Hamburg, zunächst in die Klosterallee 5, später in ein "Damenheim" in der Hochallee 66. Diese Wohnorte, aber auch der Umstand, dass Selly bis 1941 jährlich rund 20 RM Kultussteuer an die Jüdische Gemeinde zahlte, legen nahe, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht gänzlich verarmt war.

Ihre frühere Ehe mit Friedrich Krenz, nach der NS-Terminologie eine "privilegierte" Mischehe, erlaubte ihr die Übertragung des Eigentums an nichtjüdische Verwandte. So verkaufte Selly Krenz im November 1938 das Haus an ihren "arischen" Stiefsohn Walter Krenz. Wie eine ehemalige Schulfreundin von ihr später bezeugte, unterstützte dieser sie und auch die Schwestern Sophie und Marianne in den Jahren danach finanziell. (Selly Krenz starb am 28.11.1941 im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee 54. Ihre Schwester Marianne zeigte den Todesfall an.)

Im Februar 1939 mussten Sophie und Marianne Sterrn das Leja-Stift verlassen: In Hamburg war im Dezember 1938 zwischen der Sozialbehörde und verschiedenen Stiftungsvertretern eine Vereinbarung "bezüglich der Trennung von deutschen und jüdischen Stiftsbewohnern in jüdischen Wohnstiften" getroffen worden. Danach waren alle Wohnstifte jüdischer Stiftungen bis auf drei zu "arisieren". Eine der Ausnahmen war das John R. Warburg Stift in der Bundesstraße 43, wohin Sophie und Marianne umzuziehen hatten.

Am 15. Juli 1942 wurden Sophie und Marianne Sterrn mit dem Transport VI/1 zusammen mit weiteren 923 jüdischen Hamburgerinnen und Hamburgern nach Theresienstadt verschleppt.

Am 23. September 1942 wurden sie von dort mit dem Transport Bq ins Vernichtungslager Treblinka gebracht, dem Ort ihrer Ermordung.

Stand: Juni 2021
© Carola von Paczensky

Quellen : 1; 2; 5; StaH 332-5 Standesämter, 5168 (Eintrag Nr. 540), 5313 (Eintrag Nr. 124), 5962 (Eintrag Nr. 203), 6197 (Eintrag Nr. 1770), 6208 (Eintrag Nr. 2503), 8174 (Eintrag Nr. 400); StaH 332-8 Meldewesen, A 34/1 (Alphabetische Meldekartei von Groß-Altona = 741-4 Fotoarchiv, K 4561); A 51/1 (Hamburger Hausmeldekartei - 741-4 Fotoarchiv K 2440); StaH 424-4 Personalakten Altona, St 135 (Sterrn, Cäcilie); StaH 213-13 Landgericht Hamburg Rückerstattungssachen 2341 (Krenz); www.ancestry.de (Moritz 1 family tree; Passagierlisten; www.holocaust.cz/de/Opferdatenbank; https://collections.arolsen-archives.org Kartei des Ghetto Theresienstadt (sämtlich letzter Abruf 17.05.2021); Lorenz/Berkemann, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39, Band VI Dokumente (S.572 - 575); Hamburger und Altonaer Adressbücher 1882 bis 1934; Beate Meyer, "Jüdische Mischlinge" - Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933-1945, Hamburg 1999. Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang