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Bereits verlegte Stolpersteine



Curt Justus Neisel * 1910

Beim Schlump 2 A (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
CURT JUSTUS
NEISEL
JG. 1910
EINGEWIESEN 1939
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 28.11.1941
HEILANSTALT TIEGENHOF
ERMORDET 5.2.1942

Curt Justus Neisel, geb. am 20.6.1910 in Hamburg, eingewiesen am 13.7.1939 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, "verlegt" am 27.11.1941 aus der "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" in die "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" bei Gnesen (Gniezno/Polen), ermordet am 5.2.1942.

Beim Schlump 2a

Curt Neisel, geboren am 20. Juni 1910 in Hamburg, war das zweite Kind der Eheleute Johann Justus Neisel (geboren 25. Juli 1871, gestorben 4. April 1954) und Anna Dorothea (Dora), geborene Huse, verwitwete Düwel (geboren 11. Mai 1872). Nachdem Curts ältere Schwester Wally im Jahre 1909 geboren worden war, heirateten seine Eltern am 2. Dezember desselben Jahres in Hamburg.

Der Vater stammte aus Frankfurt am Main und arbeitete als Laternenwärter. Er hatte aus erster Ehe einen 1903 geborenen Sohn, der nach der Scheidung bei seiner Mutter lebte. Curts Mutter kam aus Mühlhausen in Thüringen und war die Tochter eines Kirchhofdieners. Nachdem ihr erster Mann Johannes Amandus Carl Theodor Düwel 1904 im Alter von 34 Jahren verstorben war, betrieb sie in der Hegestraße 6 eine Maschinenstrickerei und hatte noch ihre zwei kleinen Kinder aus der ersten Ehe zu versorgen.

Als Curt am 20. Juni 1910 geboren wurde, wohnten seine Eltern in der Löwenstraße 10. Wie sich seine Kindheit und Jugendzeit gestaltete, ist nicht überliefert. Am 13. Juli 1939 wurde der inzwischen 29jährige Curt in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) eingewiesen. Bei Curt Neisels Aufnahme wohnte er mit seinen Eltern in der Straße Beim Schlump 2a Haus 3 (zweiter Stock) in Eimsbüttel. Hier erinnert ein Stolperstein an ihn.
Vielleicht war seine Mutter 1939 bereits erkrankt, sie verstarb am 21. Oktober 1940 nach einem Herzinfarkt.

Das Wenige, das wir über Curt Neisel wissen, ist einer Karteikarte entnommen, die für das ab 1934 aufgebaute Hamburger Gesundheitspassarchiv zum Zwecke der "erbbiologischen Bestandaufnahme" der Bevölkerung angelegt worden ist. Sie enthält die Diagnose "Imbezillität untere Grenze, Blindheit". Der "Krankheitsverlauf" wird folgendermaßen beschrieben: "Es handelt sich um einen geistig tiefstehenden, unheilbar kranken Pat.[ienten], der nur primitive Beziehungen zu seiner Umwelt besaß, der völlig besorgt werden musste. Er bereitete infolgedessen pflegerische Schwierigkeiten. War nicht arbeitsfähig."

Curt Neisel wurde am 15. Oktober 1940 im Rahmen der T4-Fragebogenaktion, mit der die potentiellen Opfer der Krankenmorde erfasst wurden, der "Euthanasie"-Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 gemeldet. Auf Grund der Angaben im Fragebogen entschieden "Ärzte", ohne die Patientinnen und Patienten je gesehen zu haben, wer nach der nationalsozialistischen Ideologie "behandelt" werden sollte. Diese Bewertung war ein Todesurteil, das in einer der mit Gaskammern eingerichteten Tötungsanstalten vollstreckt wurde. Eine Entscheidung der "Euthanasie"-Zentrale über Curt Neisel ist nicht bekannt.

Curt Neisel wurde am 28. Juli 1941 in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" – der Sammel- und Durchgangsanstalt der "T4"-Aktion im norddeutschen Raum – verlegt und am 27. November 1941 mit etwa 60 bis 70 Personen in die "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" bei Gnesen (Gniezno/Polen) weiterverlegt.

Wie in anderen Anstalten wurde in der 1894 gegründeten Psychiatrischen Anstalt im besetzten Polen die staatlich organisierte Ermordung von Menschen mit Behinderung und psychischer Erkrankung durch Hungerrationen und überdosierte Medikamente auch dem offiziellen Stopp der "Euthanasie"-Morde im August 1941 fortgesetzt. Curt Neisel fand am 5. Februar 1942 in Tiegenhof den Tod.

Stand: Januar 2020
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 5422 u 1450/1940; StaH 332-5 Standesämter 9534 u 637/1909; StaH 332-5 Standesämter 6422 u 120/1900; StaH 332-5 Standesämter 5422 u 1450/1940; StaH 332-5 Standesämter 13503 u 175/1901; StaH 332-5 Standesämter 8561 u 366/1893; StaH 332-5 Standesämter 6858 u 907/1904; Archiv der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, Erbgesundheitskarteikarte über Curt Neisel; Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, 3. Aufl. Hamburg 2016.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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