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Bereits verlegte Stolpersteine



Rosa Rehfeldt (geborene Goldberger) * 1870

Grindelberg 5-7 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
ROSA REHFELDT
GEB. GOLDBERGER
JG. 1870
EINGEWIESEN 1939
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Rosa Rehfeldt, geb. Goldberger, geb. am 9. 12. 1870 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Grindelberg 5-7

Rosa Goldbergers Eltern heirateten am 18. März 1870 in Hamburg vor einem Rabbiner der Deutsch-Israelitischen Gemeinde. Rosas Vater, der "Lotteriecollecteur" (Losverkäufer) Moises, genannt Moritz, Goldberger stammte aus Böhmen. Er war in Willimow geboren und besaß die österreichische Staatsbürgerschaft. Rosas Mutter Jette, geborene Friedburg, war Hamburgerin von Geburt. Neun Monate nach der Eheschließung kam Rosa zur Welt. Am 22. September 1872 folgte ihr Bruder Isidor, am 30. April 1874 der zweite Bruder Gotthelf. Rosas Schwester Martha kam am 3. Oktober 1875 zur Welt. Eduard, geboren am 8. September 1877, das jüngste Kind von Jette und Moises Goldberger, starb schon nach drei Monaten am 29. Dezember 1877. Die Familie lebte an verschiedenen Adressen in der Hamburger Neustadt, bis sie 1896 in das Gebäude der Samuel-Levy-Stiftung in der Bundesstraße 35 im Stadtteil Rotherbaum einzog. Der Zweck dieser Stiftung war – verkürzt gesagt – die Gewährung von freien Wohnungen an "rechtschaffene", "friedliebende" und bedürftige Israeliten. Hier lebte die Familie und später nur noch das Ehepaar Goldberger viele Jahre.

1907 feierten das Ehepaar Goldberger die Heirat seiner beiden Töchter. Rosa Goldberger ging am 11. Juni die Ehe mit dem Geschäftsreisenden Marcus Rehfeldt ein. Er war am 1. Juni 1866 in Tuchel (früher Westpreußen) geboren worden und bekannte sich wie Rosa Goldberger zum jüdischen Glauben. Marcus Rehfeldt hatte mit seinen Eltern in Berlin gelebt. Wie sich aus dem Hamburger Adressbuch der Jahre ab 1912 ergibt, hatte er sich inzwischen in Hamburg niedergelassen.

Am 1. Oktober 1907 ging auch Martha Goldberger die Ehe ein. Sie heiratete den Reisenden Löb (Leopold) Graff, der 1874 in Altona geboren worden war und sich ebenfalls zum jüdischen Glauben bekannte. Martha und ihr Ehemann wohnten in der Schlachterstraße 47 in Hamburg-Neustadt.

Rosa und Marcus Rehfeldt bekamen am 31. Mai 1908 eine Tochter, Philippine. Die Ehe von Martha und Löb Graff blieb anscheinend kinderlos.

Am 5. Mai 1910 starb Moises Goldberger. Seine Witwe Jette blieb bis zu ihrem Tod am 13. Dezember 1914 Bewohnerin des Samuel Levy Stifts.

Rosa Rehfeldt lebte mit ihrer kleinen Familie viele Jahre – mindestens bis 1933 – in der Straße Grindelberg 5–7 (Hinterhaus). Am 1. Januar 1935 starb ihre Schwester Martha im Alter von 69 Jahren. Rosa selbst war 66 Jahre alt, als sich bei ihr ab etwa 1936 Symptome einer psychischen Erkrankung zeigten, die Anfang 1937 zu ihrer ersten vorübergehenden Aufnahme in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg führten. Nach ihrem zweiten Aufenthalt in Friedrichsberg wurde sie am 16. September 1938 Patientin der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn. Marcus Rehfeldt starb wenige Monate später, am 22. Mai 1939, im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die inzwischen in "Heil- und Pflegeanstalt" umbenannte Einrichtung in Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den bereits länger dort lebenden jüdischen Patienten – unter ihnen Rosa Rehfeldt – am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Wir wissen nicht, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Rosa Rehfeldts Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es dort kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Rosa Rehfeldts Tochter, Philippine, blieb unverheiratet. Als sie den Tod ihres Vaters Marcus beim Standesamt meldete, wohnte sie in der Rappstraße 22 in Hamburg-Rotherbaum. Sie gehörte zu den 1034 jüdischen Menschen, die am 25. Oktober 1941 auf Anordnung der Gestapo von Hamburg in das Getto "Litzmannstadt” (Łódź) deportiert wurden. Ihr weiteres Schicksal ist unklar. Im Gedenkbuch des Bundesarchivs ist vermerkt, dass sie dort am 25. April 1942 ums Leben kam. Anderen Quellen zufolge wurde sie an diesem Tag ohne Angabe des Ziels weiter deportiert.

Leopold, Rosa Rehfeldts Schwager, und seine zweite Ehefrau, Alice Graff, geborene Müller, wurden am 18. November 1941 nach Minsk deportiert und kamen dort ums Leben. Für sie liegen Stolpersteine am Großneumarkt 38 (siehe dort).

Die Schicksale von Rosa Rehfeldts Brüdern Gotthelf und Isidor Goldberger sind nicht bekannt.

Stand: Januar 2020
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-3 Zivilstandsaufsicht A 100 Geburtsregister Nr. 7593/1870 Rosa Goldberger, A 138 Geburtsregister Nr. 6211/1872 Isidor Goldberger, A 176 Geburtsregister Nr. 3068/1874 Gotthelf Goldberger, A 212 Geburtsregister Nr. 7453/1875 Martha Goldberger, B 31 Heiratsregister Nr. 287/1870 Moises Goldberger/Jette Friedburg, 332-5 Standesämter 38 Sterberegister Nr. 3695/1877 Louis Eduard Goldberger, 1103 Sterberegister Nr. 327/1939 Marcus Rehfeldt, 1911 Geburtsregister Nr. 4162/1877 Louis Eduard Goldberger, 8021 Sterberegister Nr. 602/1914 Jette Goldberger, 8650 Heiratsregister Nr. 172/1907 Marcus Rehfeldt/Rosa Goldberger, 8651 Heiratsregister Nr. 275/1907 Löb (Leopold) Graff/Martha Goldberger, 332-8 Meldewesen (Alte Einwohnermeldekartei 1892–1925); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26. 8. 1939 bis 27. 1. 1941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Rosa Rehfeldt der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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