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Stolpertonstein

Erzähler: Thomas Karallus
Sprecherin: Constanze Semidei
Biografie: Klaus Möller
Elisabeth Lange, undatiert
© Gedenkstätte Neuengamme

Elisabeth Lange * 1900

Hoppenstedtstraße 76 (Harburg, Eißendorf)

KZ Fuhlsbüttel
in den Tod getrieben 28.1.44

Elisabeth Lange, geb. Höppner, geb. am 7.7.1900 in Detmold, gestorben am 28.1.1944 im KZ Fuhlsbüttel

Stadtteil Eißendorf, Hoppenstedtstraße 76

Anton und Luise Höppner, die Eltern Elisabeth Langes, stammten aus Thüringen und Berlin. Nach ihrer Heirat im Jahre 1890 zogen sie nach Detmold. Dort eröffneten sie zunächst eine Wollmanufaktur. Ihre Kinder verbrachten einen Teil ihrer ersten Lebensjahre in einer "Kinderbewahranstalt", die von Nonnen geführt wurde.

1921 heiratete Elisabeth Höppner den Obersteuersekretär Friedrich Wilhelm Obenhaus. Ihr gemeinsamer Sohn Karl-Friedrich wurde am 1.11.1921 in Geestemünde (heute Bremerhaven) geboren.

Zehn Jahre später heiratete Elisabeth ein zweites Mal. Ihr Mann Alexander Lange, geb. am 8.7.1903 in Eisenach, arbeitete als Handelsvertreter im Dienste der Firma Maggi. Ihr neuer Lebensabschnitt war verbunden mit einem Umzug nach Harburg, wo sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Hoppenstedtstraße 76 eine modern eingerichtete 3½-Zimmer-Wohnung in einer Neubausiedlung bezog. Elisabeth Lange wird von früheren Freunden und Bekannten als eine attraktive, freundliche Frau mit gepflegtem Aussehen beschrieben, die viele Nachbarschaftskontakte unterhielt und immer Rat wusste. Sie haben sie als liebevolle und hilfsbereite Frau in Erinnerung, die am politischen Tagesgeschäft nicht sonderlich interessiert war, aber in menschlichen Grundsatzfragen durchaus klar Stellung bezog.

Unbeeindruckt von der antisemitischen Politik der Nationalsozialisten hielt sie zu ihrer jüdischen Freundin Katharina Leipelt. Die beiden Frauen hatten sich über ihre Kinder kennengelernt, die zeitweilig gemeinsam eine Klasse der Harburger Oberschule für Jungen am Alten Postweg in Heimfeld (ehemals: Stresemann-Realgymnasium, heute: Friedrich-Ebert-Gymnasium) besuchten. Diese Freundschaft der beiden Mütter hatte für Elisabeth Lange tragische Folgen.

Als Hans Leipelt im April 1943 seine Familie zu Ostern besuchte, gelangte auch das sechste Flugblatt der "Weißen Rose" nach Hamburg, das hier bei Freunden und Verwandten lebhafte Diskussionen auslöste. Viele beteiligten sich an der Geldsammlung für die Familie Professor Kurt Hubers, der mit den Geschwistern Scholl zusammengearbeitet hatte und drei Monate später ebenfalls zum Tod verurteilt wurde.

Nachdem Hans Leipelt verhaftet worden war, wurden bald darauf auch viele seiner Ham­burger und Münchener Freunde festgenommen. Elisabeth Lange wurde am 10. Dezember 1943, drei Tage nach der Festnahme ihrer Freundin Katharina Leipelt, verhaftet. Ob sie das Flugblatt der "Weißen Rose" überhaupt kannte und sich an der Geldsammlung für Professor Hubers Familie in irgendeiner Form beteiligt hat, ist ungeklärt. Ihr wurde wie anderen "Vor­bereitung zum Hochverrat, Wehrkraftzersetzung, Feindbegünstigung und das Abhören und Verbreiten" von Nachrichten ausländischer Rundfunksender vorgeworfen. Nach Auffassung des Generalstaatsanwalts reichte der "zersetzende Einfluss" der Verhafteten weit über ihren engeren Kreis hinaus.

Die polizeilichen Voruntersuchungen lagen in den Händen der Gestapo- und SS-Männer Hans Reinhardt und Kurt Stawizki, die beide wegen ihres Zynismus und ihrer Brutalität gefürchtet waren und als erfahrene Spezialisten im Umgang mit politischen Gegnern des NS-Regimes galten. Auch Willi Tessmann, der Kommandant des Polizeigefängnisses Fuhlsbüttel, schaltete sich aktiv in die Ermittlungen ein und beteiligte sich persönlich an zahlreichen Verhören und vielen Misshandlungen.

Nach ihrer Festnahme wurde Elisabeth Lange in das Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel überführt und dort in eine enge Einzelzelle in der Station B2 eingewiesen, in der sich außer einem Holzhocker nur noch das tagsüber hochgeklappte Metallbettgestell befand. Häufig wurden die Frauen tief in der Nacht, wie eine Überlebende später berichtete, aus dem Schlaf gerissen, geschlagen und gefoltert, um weitere Aussagen zu erpressen. Viele wurden in den ersten Wochen Tag für Tag mit der "Grünen Minna" (Polizeiauto) zur Gestapo-Zentrale im Stadthaus gebracht und dort weiter gefoltert und verhört. Unter diesen Haftbedingungen verlor Elisabeth Lange bald auch ihre letzten Hoffnungen. In der Nacht vom 27. zum 28. Januar 1944 erhängte sie sich am Fensterkreuz ihrer Zelle – einen Monat, nachdem ihre Freundin Katharina Leipelt sich das Leben genommen hatte.

Unter den Privatsachen, die seine Mutter in der Zelle zurückgelassen hatte, entdeckte Fritz Obenhaus nachträglich einen Brief, den sie zwei Tage vor ihrem Selbstmord geschrieben hatte.

Elisabeth Lange Leiche wurde anschließend verbrannt, und die Asche später ihrem Sohn in einer Urne übergeben. Sie wurde auf der Grabstätte seiner Großeltern Anton und Luise Höppner auf dem Landfriedhof an der Blomberger Straße in Detmold beigesetzt.

An ihr Schicksal erinnern heute die Gedenktafeln für die Harburger und Wilhelmsburger Opfer des Nationalsozialismus im Harburger Rathaus und für die Detmolder Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft an der Gedenkstätte "Alte Synagoge" in Detmold sowie die beiden Gedenktafeln für die Toten des Hamburger Zweiges der "Weißen Rose" vor der einstigen evangelischen Buchhandlung Anneliese Tuchel am Jungfernstieg 50, einem der damaligen Treffpunkte der oppositionellen Freundesgruppen, und am Weiße-Rose-Mahnmal in Hamburg-Volksdorf. Seit 1987 tragen zwei Straßen in Harburg und in ihrer Geburtsstadt Detmold Elisabeth Langes Namen.

© Klaus Möller

Quellen: StaH, 331-5 Polizeibehörde, unnatürliche Todesfälle, 3 1944, 148; StaH, 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 070700; VVN-BdA Hamburg (Hrsg.), humanity; Brunckhorst u. a., Elisabeth Lange, Prüter-Müller, Elisabeth Lange, S. 849ff.

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