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Bereits verlegte Stolpersteine



Simon Laser * 1882

Billstedter Hauptstraße 8 (Hamburg-Mitte, Billstedt)


HIER WOHNTE
SIMON LASER
JG. 1882
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Billstedter Hauptstraße 8:
Paula Laser

Simon Laser, geb. 18.10.1882 in Wongrowitz, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Paula Laser, geb. Schleimer, geb. 8.1.1881 in Kahlbude, deportiert 6.12.1941 nach Riga

Billstedter Hauptstraße 8 (Hamburger Straße 4)

Simon Laser, geboren am 18. Oktober 1882, zog wie vier seiner ebenfalls in Wongrowitz in der Provinz Posen geborenen Brüder und die Schwestern Rosa und Clara um 1910 in den Raum Hamburg. Ihre Eltern, Michael Laser und Dorothea, geb. Lipinski, gehörten zu den assimilierten, aber doch traditionsbewussten preußischen Juden. Als Simon Laser, der zweitjüngste Sohn, seine Heimat verließ, war er bereits verheiratet und Vater eines Sohnes. Seine Ehefrau Paula, geb. Schleimer, stammte aus Kahlbude in Westpreußen, wo sie am 8. Januar 1881 und ihr ältester Sohn Max am 18. April 1908 geboren wurden. Die Familie ließ sich in Schiffbek nieder, wo am 19. November 1915 ihr zweiter Sohn Rudi und am 31. März 1919 die einzige Tochter Lieselotte zur Welt kamen.

Der Ort erhielt seinen Charakter durch die Arbeiterschaft, deren Arbeitsplätze im südlich anschließenden Industriegebiet Billbrook und bei "der Jute", der Norddeutschen Jute-Spinnerei und Weberei, in Schiffbek lagen. Schiffbek wurde 1928 mit den Gemeinden Kirchsteinbek und Öjendorf zu Billstedt vereinigt und 1937 aufgrund des Groß-Hamburg-Gesetzes zu einem hamburgischen Stadtteil. Familie Simon Laser gehörte bis 1937 der jüdischen Gemeinde in Wandsbek an und wechselte nach der Eingemeindung Wandsbeks nach Hamburg zur dortigen jüdischen Gemeinde.

Noch vor dem Ersten Weltkrieg gründete Simon Laser, von Haus aus wie seine Brüder Schneider, ein Einzelhandelsgeschäft für Herren- und Berufskleidung unter dem Namen "Bekleidungshaus Vulkan" an der Ecke Hamburger Straße/heutige Legienstraße. Wie in Arbeiter­gegenden üblich, führte er es als Abzahlungsgeschäft.

Rudi Laser wurde trotz des weiten Schulwegs, den er mit der Straßenbahn bewältigte, 1921 in die Talmud Tora Schule am Grindelhof, damals eine reine Jungenschule, eingeschult. Als nach dem Ende der Inflationszeit das Geschäft wieder florierte, erkrankte 1924 sein Bruder Max an einer "Kopfgrippe", die ihn zeitlebens erwerbsunfähig machte, was die Familie zwar nicht direkt finanziell belastete, aber seine Mitarbeit einschränkte und ihn als möglichen Nachfolger des Vaters im Geschäft ausschloss.

Mit seiner großen Branchen- und Kundenkenntnis erweiterte Simon Laser sein Geschäft und kaufte 1925 auf der gegenüberliegenden Straßenseite, Hamburger Straße 4, der heutigen Billstedter Hauptstraße, das gesamte Erdgeschoss des Gebäudes. Es umfasste eine 5–6-Zimmerwohnung und ausreichend Geschäfts- und Lagerräume, die er aufwändig aus- und umbauen und den Laden mit drei großen Schaufenstern ausstatten ließ. Außer den Familie­mitgliedern arbeiteten ein oder zwei Angestellte im Geschäft und eine Hausgehilfin bzw. Köchin im Haushalt mit. Das Geschäft sicherte der Familie für einige Jahre ein bürgerliches Leben. Dazu gehörten Sommerreisen der Familie, bevorzugt in die Nord- und Ostseebäder, und der Erwerb von Kunstgegenständen. Als Paula Laser kränkelte, verbrachte sie einen Kuraufenthalt in Wiesbaden.

Welche Schule die Tochter Lieselotte besuchte, ließ sich nicht klären; wahrscheinlich wurde sie 1925 in die jüdische Mädchenschule in der Carolinenstraße eingeschult, wohin auch ihre Cousinen Erna, Frieda und Felicia Laser aus Rothenburgsort gingen. Rudi Laser beendete 1929 die Volksschule und trat in eine kaufmännische Lehre beim Warenhaus Rudolf Karstadt in Wandsbek ein. Nach einem Jahr brach er die Lehre ab, um die Staatliche Handelsschule, Fachschule für Einzelhandel, zu besuchen, was seinem Vater und ihm als bessere Vorbereitung auf die Mitarbeit im väterlichen Geschäft und dessen mögliche spätere Übernahme erschien. Als er die Schule 1933 abschloss, erging gerade der Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte. Lieselotte erhielt nach Abschluss ihrer Schulzeit 1934 eine kaufmännische Ausbildung, ob im elterlichen Geschäft oder bei einer Lehrfirma, ließ sich nicht klären. Jedenfalls ermöglichte ihr ihre Qualifikation 1938 eine Anstellung als Kontoristin bei Gebr. Gans am Neuen Wall 10. Sie endete jedoch bereits nach einem Monat infolge des Novemberpogroms.

Ab 1933 erlitt das Geschäft zunehmend Einbußen, besonders das Abzahlungsgeschäft ging zurück. Viele Kunden zahlten ihre Raten nicht mehr, und die Außenstände ließen sich weder eintreiben noch kompensieren. Rudi Laser machte sich 1936 als Vertreter für Konfektion und Stoffe selbstständig und richtete sein Büro im väterlichen Geschäft ein, dessen Bekanntheit ihm zunächst einen hinreichend großen Kundenkreis sicherte. Bald jedoch scheiterte dieses Unterfangen, und im Juli 1938 wanderte Rudi Laser nach Argentinien aus. Vermutlich im Mai 1939 wurde das Geschäft geschlossen und das Gebäude im Zuge der Straßenerweiterung abgebrochen.

Als Jude erhielt Simon Laser keinerlei Entschädigung und konnte aus rechtlichen wie materiellen Gründen nirgendwo neu beginnen. So verzog die Familie in die Heinrich-Barth-Straße 17. Simon Laser fand bei der Firma Blöcker in Altona eine Beschäftigung als Erdarbeiter. Sein Lohn reichte nicht zum Unterhalt der Familie, sodass Max Laser am 28. September 1939 bei der Fürsorgebehörde Hamburg einen Antrag auf laufende Beihilfe zum Unterhalt und eine einmalige Zuwendung zur Begleichung einer Zahnarztrechnung stellte. Die beantragten Leistungen wurden ihm gewährt, nachdem er versichert hatte, vom Fürsorgewesen des Jüdischen Religionsverbandes keinerlei Mittel zu erhalten. Ab 1939 erhielt die gesamte Familie Wohlfahrtsunterstützung, vermutlich aus Krankheitsgründen. Verwandte konnten ihnen nicht helfen, weil sie ebenfalls in ärmlichen Verhältnissen lebten oder bereits im Exil waren.

Lieselotte Laser starb am Abend des 17. Februar 1940 an Lungentuberkulose zuhause bei ihren Eltern, Max Laser in der Nacht zum 25. Juni 1941 im Israelitischen Krankenhaus an Schüttellähmung und Lungenentzündung. Beide wurden auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt. Bald darauf begannen die "Aussiedlungen" in den Osten. Als erste von Simon Lasers Geschwistern traf es am 8. November 1941 Clara, verheiratete Cohn, mit ihrem Mann Bruno aus Harburg, die in das Getto von Minsk deportiert wurden. Simon und Paula Laser erhielten die Aufforderung zur "Evakuierung" zum 6. Dezember 1941 nach Riga. Zu ihrem Transport gehörten ihre Nichte Felicia Laser, 23 Jahre alt, und ihr sechsjähriger Großneffe Manfred Laser (s. "Stolpersteine in Hamburg-Hamm), Tochter und Enkel von Max Laser, dem ältesten der fünf Brüder. Von ihnen fehlt jede weitere Spur.

© Initiative Stolpersteine in Hamburg-Billstedt

Quellen: 1; 4; 5; 6; StaH, 351-11 AfW, 191115; 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2, Bde 2 u. 3; Ziegenbalg, Schiffbek.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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