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Bereits verlegte Stolpersteine




Stolpertonstein

Erzählerin: Christine Jensen
Sprecher: Thomas Fitschen
Biografie: Hildegard Thevs
Jonny Rummel als Konfirmand, 1934
© Privatbesitz

Jonni (Jonny) Rummel * 1924

Horner Landstraße 416 (Hamburg-Mitte, Billstedt)


HIER WOHNTE
JONNI RUMMEL
JG. 1924
VERHAFTET
’WEHRKRAFTZERSETZUNG’
ERSCHOSSEN FEB. 1945
KÖNIGSBERG

Weitere Stolpersteine in Horner Landstraße 416:
John Trettin

Jonny Rummel, geb. 15.12.1924 in Hamburg, erschossen am 8.2.1945 in Königsberg

Horner Landstraße 416 (Horner Landstraße 492)

Mit stumpfem Bleistift schrieb Jonny Rummel am 8. Februar 1945, schwer leserlich, einen Abschiedsbrief an seine Mutter:

"Liebe Mutter,
heute will ich Dir noch ein paar Zeilen schreiben. Wie Dir wohl bekannt, haben wir uns im Osten abgesetzt bis vor Königsberg. Ich war versprengt gewesen und wusste nicht, wo meine Einheit sich befindet. Da bin ich in Königsberg zur Stadt gelaufen und suchte mir ein Privatquartier bei einer Frau und hielt mich einige Tage bei ihr auf, da ich kaputt mit den Nerven war. Es waren noch zwei Kameraden bei mir, die auch bei der Frau einige Tage wohnten.

Am 3. Februar kam die Wehrmachtsstreife durch die Häuser und nahm uns alle Drei fest. Wir kamen zum Kriegsgericht und wurden da verhört. Das Kriegsgericht hat uns Drei wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt. Wir haben ein Gnadengesuch eingereicht, was uns aber abgelehnt wurde. Wir werden heute, den 8.2.45, 10 Uhr 30, erschossen.

Nur wegen ein paar Tagen, die wir uns ausgeruht haben, müssen wir nun unser Leben lassen.
Liebe Mutter, tut mir ja leid, dass ich Dir es schreiben muss, denn ganz ohne Wissenheit will ich es Dir auch nicht zumuten. Du wirst auch ein Schreiben vom Kriegsgericht bekommen.
Möge Euch Gott beschützen, dass Ihr den Krieg überleben und noch lange in Gesundheit und recht lange in Frieden leben werdet.

Und nun, liebe Mutter, zum Schluss meines letzten Briefes sei recht herzlich gegrüßt und geküsst, von Deinem Sohn Jonny. Halte Dich tapfer und möge Dich Gott behüten."


Jonny Rummel, dessen Leben so früh endete, war nach seiner am 20. Februar 1922 geborenen Schwester Else als zweites Kind seiner Mutter Katharina am 15. Dezember 1924 in Hamburg zur Welt gekommen. Katharina Rummel, geb. Janzen, geboren am 20. Januar 1895, stammte aus Chortitza, einer mennonitischen Kolonie am Dnjepr in der Ukraine, ohne selbst Mennonitin zu sein. Ihre Ehe mit Emil Rummel wurde geschieden. Sie ging am 15. September 1928 eine zweite Ehe ein und heiratete den Bauarbeiter John Trettin. Zu den beiden Geschwistern Else und Jonny gesellten sich 1928 und 1929 zwei Halbbrüder, Walter und Karl-Heinz.

Jonny Rummels Stiefvater gehörte der KPD an und arbeitete für sie als Kassierer im Stadtteil Horn. Wegen dieser Tätigkeit und illegalen Waffenbesitzes wurde er am 10. September 1933 verhaftet und acht Wochen später, am 6. November 1933, in seiner Zelle im KZ Fuhlsbüttel tot aufgefunden.

Jonny erlebte das als knapp neunjähriger Junge. Er beendete die Volksschule und trug als Arbeitsbursche zum Familienunterhalt bei, bis er zur Wehrmacht eingezogen wurde. Sein "Ausruhen von ein paar Tagen" in Königsberg, nachdem er seine Einheit verloren hatte, bewertete das Militärgericht als "Wehrkraftzersetzung" und verurteilte ihn zum Tode. Das Urteil wurde am 8. Februar 1945 vollstreckt.

Bedauerlicherweise trägt der Stolperstein den Namen "Jonni". Es ist die in der Wiedergutmachungsakte seines Stiefvaters benutzte Schreibweise, die erst durch den Abschiedsbrief korrigiert wurde.

© Hildegard Thevs

Quellen: Zentralregister der Standesämter; StaH, 351-11 AfW, 200195; mündliche Mitteilungen der Angehörigen Else Wulf, Yvonne und Rolf Trettin, 23. und 29. Okt. 2009; http://chortiza.heim.at/kolonie.htm, Zugriff am 13.2.2010.

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