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Bereits verlegte Stolpersteine



Adolf Laser * 1918

Vogelhüttendeich 40 (Harburg, Wilhelmsburg)

1941 Riga
danach: Bergen-Belsen oder Buchenwald

Weitere Stolpersteine in Vogelhüttendeich 40:
Clara Cohn, Rudolph Michael Laser

Adolf Leo Laser, geb. am 21.8.1918, am 6.12.1941 nach Riga, nach dem 9.3.1945 im KZ Bergen-Belsen verstorben
Rudolf Michel Laser, geb. 12.6.1920, am 11.7.1942 nach Auschwitz deportiert

Vogelhüttendeich 40

Der Vater von Adolf und Rudolf Laser, Hermann Laser, geboren am 21.12.1875, und mehrere seiner Geschwister kamen vor dem Ersten Weltkrieg nach Hamburg und Harburg. Hermann war in Wongrowitz in Posen (heute: Wa¸growiec, Polen) geboren worden. Wie seine Brüder und seine Schwager in anderen Stadtteilen Hamburgs oder Harburgs betrieb er ein Textilwarengeschäft.

Hermann Laser hatte sich am 29. Juni 1907 zusammen mit seiner Frau Regina, geb. Zielinski am 19.9.1879 in der Pro­vinz Posen (heute Poznán, Polen), in Wilhelmsburg am Vogelhüttendeich niedergelassen. Einen Tag später, am 30. Juni 1907, eröffnete er unter dem Namen "Vulkan" ein Konfektionsgeschäft und verkaufte Schuhe, Herren-, Knaben- und Arbeiterbekleidung. Das Ehepaar hatte vier Kinder: Margot, geboren am 19.12.1910, Ernst, geboren am 16.4.1912, Adolf Leo und Rudolf Michel. Alle Kinder kamen in Wilhelmsburg zur Welt. Regina Laser starb am 22. Juli 1922 vermutlich an einem Lungenleiden in Nordrach im Schwarzwald. Dort befand sich die Rothschildsche Lungenheilanstalt, ein Sanatorium für jüdische weibliche Lungenkranke (1905–1942), das im Sinne der Stifterin, der Baronin Adelheid de Rothschild (1853–1935), streng jüdisch orthodox geführt wurde.

Zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Hermann Laser die Schneiderin Frieda Simon, geboren am 25.10.1887 in Usch (heute: Ujs´cie, Polen). Sie führte bis kurz vor ihrer Heirat ein eigenes Geschäft in Berlin und arbeitete dann im Geschäft ihres Mannes in Wilhelmsburg mit.

Die Familie lebte in einer 6-Zimmer-Wohnung im Haus Vogelhüttendeich 65, Ecke Annastraße, im selben Haus wie das Geschäft (heute: Vogelhüttendeich, Ecke Ilenbuller). Im Geschäft arbeiteten zwei Verkäuferinnen, ein Verkäufer, ein Dekorateur und ein Lehrmädchen. Die Angestellten mussten nach 1933 aufgrund der Boykottmaßnamen gegen jüdische Geschäfte nach und nach entlassen werden. Ende 1934 gab Hermann Laser seine Geschäftsräume auf und zog am Vogelhüttendeich in sein eigenes Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite (Nr. 62, heute: Nr. 40). Das Geschäft bestand sodann "nur noch in ganz verringertem Masse" bis es schließlich 1938 "arisiert" wurde. Nach der Pogromnacht wurde Hermann Laser ins KZ Sachsenhausen deportiert. Dort war er vom 11. November 1938 bis 1. Dezember 1938 inhaftiert.

Schon im Januar 1939 war das Grundstück Vogelhüttendeich 62 (heute: Nr. 40) verkauft worden. Die Löschung der Firma "Vulkan" wurde schließlich am 30. Juni 1939 in das Handelsregister beim Amtsgericht Harburg eingetragen.

Einen Monat später verließ Hermann Laser mit seiner Familie Wilhelmsburg und lebte ab 1. August 1939 in Hamburg. Hermann und Frieda Laser hatten keine Einnahmen mehr. Sie griffen auf die wenigen ihnen verbliebenen Ersparnisse zurück und lebten von der Unterstützung ihrer Kinder Margot, die mittlerweile mit Kurt Finkels verheiratet war, und Rudolf. Hermann Laser bemühte sich fortwährend um die Auswanderung für die beiden Söhne, seine Frau und sich. Frieda und Hermann Laser gelang schließlich noch am 22. Januar 1941 die Auswanderung nach Argentinien zu ihrem Sohn Ernst, der schon am 4. November 1938 nach Südamerika emigriert war. "Unter unglaublich schweren Umstaenden hat er [Hermann Laser] dann seine letzten 10 Jah­re hier [in Buenos Aires] verlebt. Er verlor seine Tochter und zwei seiner Soehne in den Konzentrationslagern." Im Alter von 76 Jahren starb Hermann Laser am 25. März 1951 in Buenos Aires, Frieda Laser verstarb dort am 23. November 1958.

Adolf Leo wurde als drittes Kind von Regina und Hermann Laser in Wilhelmsburg geboren. Nach dem Besuch der Talmud Tora Schule im Grindelviertel ging er von Ostern 1931 bis Ostern 1933 auf das Realgymnasium an der Lessingstraße (heute: Rotenhäuser Damm) in Wilhelms­burg. Als Schüler der Klasse 8 (Untertertia) verließ er im Alter von 14 Jahren am 9. Mai 1933 die Schule. Er begann eine kaufmännische Ausbildung im Herrenkonfektionsgeschäft seines Onkels Joseph Juda an der Süderstraße 162 in Hamburg-Hamm. Joseph Juda war mit Rosa verheiratet, einer Schwester seines Vaters Hermann.

In dem Herrenbekleidungsgeschäft arbeiteten neben Joseph Juda und Adolf Laser auch der Schwiegersohn Judas, Oskar Salomon.

Am 9. Juli 1938 wurden der 53-jährige Juda, der 28-jährige Oskar Salomon und der 21-jährige Adolf Laser von einem Lagerarbeiter wegen "Rassenschande" bei der Polizei angezeigt. Erst sagte der Lagerarbeiter aus, dass er gesehen habe, wie "der Sohn von Juda [vermutlich Adolf Laser]" auf die "arische Verkäuferin" gewartet und sie dann geküsst habe. Im Verlauf der Ermittlungen gab der Arbeiter später an: "Ich habe nicht gesehen, daß die beiden Leute sich geküsst haben. Dieses hat eine Frau gesagt, die dort zufällig dabei war, als ich dem Pol[izei] Beamten diese Sache erzählte. Ich kann auch nicht genau sagen, ob das der Sohn des Juda ist, ich habe es nur angenommen. Das Mädchen kenne ich nicht mit Namen, ich kenne es nur von Ansehen, d. h. ich kenne es wieder wenn ich es sehen werde. Nach meiner Meinung ist es bestimmt keine Jüdin. … Ich kann weiter keine sachdienlichen Angaben machen."

Aufgrund dieser fragwürdigen Anzeige wurden die drei Männer am 13. Juli 1938 verhaftet und bis zum Urteilsspruch im Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Angeklagt wurden sie der "Rassenschande mit einer arischen Angestellten". Im Urteil vom 4. November 1938 sprach das Gericht den Kaufmann Joseph Juda frei; Oskar Salomon und Adolf Laser jedoch verurteilte es zu je drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus. Das Herrenbekleidungsgeschäft an der Süderstraße wurde nachfolgend "arisiert". Einen Tag nach dem Urteilsspruch wurde Adolf Laser in das Zuchthaus Bremen-Oslebshausen verlegt.

Während Adolf Laser im Untersuchungsgefängnis auf die Verhandlung wartete, bereitete sich sein Bruder Ernst auf die Emigration nach Südamerika vor. Ernst versuchte kurz vor seiner Abreise, seinen Bruder im Gefängnis zu besuchen, doch dieses Gesuch wurde vom Oberstaatsanwalt abgelehnt.

Ab März 1939 wandte sich der Vater von Adolf Laser, Hermann Laser, mit "inständigen Bitten" an den Oberstaatsanwalt. Er bemühte sich um Auswanderungsmöglichkeiten für seine Familie. Im März 1939 hätten die Lasers nach Paraguay auswandern können. Im Mai 1939 wurde Hermann Laser von der Kriminalpolizei befragt. Er erklärte, dass er "innerhalb von 10–12 Tagen die Auswanderung fertig habe. Die Zusage vom Konsulat von China habe ich, daß ich sofort dorthin gehen kann. Auch habe ich die Papiere zur Auswanderung nach Paraguay fertig und der Konsul hat mir gesagt, daß ich das Visum bekomme, wenn wir fahren wollen. Ich kann also nach 2 Ländern auswandern und muß natürlich bindende Zusagen machen können. Aus diesem Grunde habe ich das Gesuch gemacht. Die Möglichkeit, daß ich später nicht mehr dorthin kommen kann, besteht und deshalb wollen wir jetzt diese Sache ausnutzen und möglichst schnell auswandern. Ich kann mich verpflichten, daß mein Sohn [Adolf Laser] etwa 3 Wochen nach seiner Haftentlassung bestimmt aus Deutschland ausgewandert ist. Diese Zeit habe ich als lang bemessen, ich kann es auch in kürzerer Zeit schaffen, wenn es erforderlich ist. Ich will aber noch einmal betonen, daß es eine Gelegenheit ist, die wir vielleicht nicht wieder bekommen und aus diesem Grunde bitte ich noch einmal um die Freilassung meines Sohnes Adolf." Doch schon auf dem Protokoll dieser Befragung im Mai 1939 notierte der Kriminalrat handschriftlich: "Einer Strafentlassung schon jetzt kann nicht zugestimmt werden. Für Laser ist die Rückführung gesichert, er wird voraussichtlich bei einer Haftentlassung in einem Konzentrationslager untergebracht werden."

Hermann Laser bemühte sich jedoch weiter mit aller Kraft um die Freilassung seines Sohnes sowie um die gemeinsame Auswanderung für die beiden Söhne, seine Frau und sich. Leider vergeblich. Alle Gnadengesuche wurden abgelehnt. Noch im Oktober 1940 begründete der Vorstand des Zuchthauses Bremen-Oslebshausen die Ablehnung eines Gnadengesuches wie folgt: "Das Strafende ist auf den 11.1.42 festgesetzt. Führung und Arbeitsfleiß des L[aser] haben anfänglich zu wünschen übrig gelassen, sind aber seit längerer Zeit nicht mehr zu beanstanden. Laser ist Erstbestrafter und hat die Tat in noch sehr jugendlichem Alter begangen. Bei der Art und Schwere seine Straftat wäre ein Gnadenerweis aber zumindest verfrüht. Das Gesuch wird nicht befürwortet."

Am 13. November 1941 beorderte die Staatsanwaltschaft Hamburg den "in Strafhaft befindliche[n] Jude[n] Adolf Leo Laser" wegen Deportation nach Hamburg zurück. Am 17. November 1941 wurde er aus dem Zuchthaus Bremen-Oslebshausen in das Polizei-Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel überführt. Nachweislich vom 18. November 1941 bis 29. November 1941 war er in "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert.

Am 6. Dezember 1941 wurde der 22-jährige Adolf Leo Laser zusammen mit 967 Hamburger Jüdinnen und Juden von Hamburg nach Riga deportiert. Dort wurden sie im Konzentrationslager Jungfernhof "unter schwierigsten Bedingungen" interniert. Nur wenige arbeitsfähige Juden gelangten dann wie Adolf Laser (Häftlingsnummer: 13075) am 22. November 1943 in das Konzentrationslager Riga.

Mit dem Vorrücken der Sowjetarmee begann die SS, die KZ-Häftlinge zurück zu verlegen. In Gewaltmärschen wurden die Häftlinge gen Westen getrieben. So erreichte Adolf Laser vermutlich zu Fuß am 6. August 1944 das Konzentrationslager Stutthof (Häftlingsnummer: 60204), am 16. August 1944 das Konzentrationslager Buchenwald (Häftlingsnummer: 82506), am 8. oder 9. September 1944 das Außenlager des KZ Buchenwald in Rehmsdorf und schließlich am 27. Februar oder 9. März 1945 das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Das Ende des Krieges erlebte der 27-jährige Adolf Laser nicht mehr.
Er wurde mit Datum des 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Der zwei Jahre jüngere Bruder von Adolf Leo Laser, Rudolf Michel, wurde am 12.6.1920 in Wilhelmsburg geboren, Ostern 1926 eingeschult, und ab Ostern 1931 ging er auf das Wilhelmsburger Gymnasium. Am 5. April 1935 verließ er die Schule und begann eine Berufsausbildung im Büro der Im- und Export-Firma Rudolf van der Walde, Brandsende 15/17 in Hamburg. Später arbeitete und lebte Rudolf Laser im jüdischen Altersheim in der Schlachterstraße 40/42 (Nordheim Stift I).
Er wurde am 11. Juli 1942 im Alter von 22 Jahren nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Aus dem Buch "zerbrochene Zeit":
"Ein Freund des Bruders erinnert sich an die Familie [Laser]: "Mit der Familie Hermann Laser haben wir direkt zusammengewohnt. Verbindung hatten wir bis zuletzt, bis die Nazis kamen. Die Familie bestand aus dem Chef Hermann, seiner Ehefrau, der ältesten Tochter Margot, dem ältesten Sohn Ernst und dann kamen noch Adolph und Rudi. Laser hatte ein Konfektionsgeschäft am Vogelhüttendeich, Ecke Ilenbuller. Das war wohl das größte hier am Ort, es nannte sich ,Vulkan’.

Er war an und für sich sehr beliebt hier in der Bevölkerung, denn die nicht sehr begüterten Leute, die ja zum größten Teil Arbeiter und Handwerker waren, konnten bei ihm kaufen, ohne daß gleich darauf gedrungen wurde, zu bezahlen. Das, was man heute Abzahlungsgeschäfte nennt, das hat er bei sich schon stillschweigend geduldet, ohne großes Aufheben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das mit dem Bezahlen immer so reibungslos vonstatten gegangen ist. Es gab wohl mitunter Schwierigkeiten, er hat das aber irgendwie immer geregelt.

Mein Vater war ganz gut mit ihm befreundet, wie überhaupt mit den jüdischen Mitbürgern hier. Wir Kinder haben zusammen gespielt und mit Ernst war ich immer zusammen, von der Volksschule an bis hin zum Gymnasium. Wir haben manche kleine Streiche ausgeheckt und waren immer froh, wenn die alten Lasers zur Synagoge gingen. Das weiß ich hundertprozentig, daß sie nach Harburg zur Synagoge gegangen sind. Hermann Laser war Kriegsteilnehmer im 1. Weltkrieg und hatte das Eiserne Kreuz. Er war ein rechtschaffener Mann und gehörte – wie überhaupt die Geschäftsleute hier – zur ,haute volee’ von Wilhelmsburg.

Im April 1933 standen eines Tages SA-Leute vor den jüdischen Geschäften in Wilhelmsburg und es hieß ,Kauft nicht bei Juden’. Trotz des Boykotts sind viele Stammkunden weiter in die Läden gegangen. Nach diesem ganzen Rabbatz mit ,Kauft nicht bei Juden’ hat Laser sein großes Geschäft aufgegeben und es unten im Haus weitergeführt, jedoch sehr verkleinert. Dort hat er gewohnt mit seiner Frau und den Kindern bis er weggeholt worden ist. Ernst Laser aber konnte schon 1933 aus Deutschland flüchten. Das weiß ich genau, denn wir haben noch ungefähr vier Wochen vorher zusammen gesprochen. Da haben wir uns getroffen am Veringplatz, das war das letzte Mal – das vergesse ich nie wieder. Ich sagte zu ihm: ,Bislang hast du ja nichts zu befürchten gehabt, aber jetzt, sieh dich vor! Die Nazis, die bislang hier ziemlich klein und häßlich waren und still, die machen sich jetzt mausig mit ihrer verrückten Rassenverfolgung und ihrem sogenannten Deutschtum. Da haben sie euch sowieso auf dem Kieker, du weißt ja, wir haben alle Kreuze und Striche bei denen. Da zeigte er mir plötzlich einen kleinen Revolver und sagte: ,Na, zur Not, wenn gar nichts hilft ...’

Wir ahnten ja überhaupt nicht, was da noch kommen sollte. Wir wußten, daß sie die Juden verfolgten, aber was dann geschah, da hat kein Mensch dran gedacht. Am allerwenigsten hier in Wilhelmsburg, wo die Nazis ja praktisch noch nach ihrer sogenannten Machtübernahme überhaupt nichts zu sagen hatten. Und dann war Ernst Laser weg."


So erinnerte sich Wilhelm Hövermann, ein Schulkamerad 1991/1992 in einem Interview der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen an das letzte Treffen mit Ernst Laser. Seine Erinnerung, dieser hätte schon 1933 Deutschland verlassen, ist allerdings falsch. Es muss 1938 gewesen sein.

© Barbara Günther

Quellen: 1; 5; 2 (FVg 8595) (R 1938/982); StaH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 256/39; StaH, 331-1 II Polizeibehörde II, Abl. 18.9.1984, Bd. 1; AfW, 211275 Laser, Hermann; AfW, 251087 Laser, geb. Simon, Frieda; AfW, 210918 Laser, Adolf Leo; StaH, 430-64 Amtsgericht Harburg, VII B-643; StaH, Wilhelmsburger Adressbücher; Thevs, Stolpersteine Rothenburgsort, S. 67–72; Kändler/Hüttenmeister, Friedhof, S. 244; zur M. A. von Rothschild’schen Lungenheilanstalt in Nordrach (Bad Schwarzwald) siehe: www.alemannia-judaica.de/nordrach_synagoge.htm#Zur%20Geschichte%20der%20M.A.%20von%20Rothschild%27schen%20 Lungenheilanstalt (eingesehen am 7.12.2011); Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg (Hrsg.), Zeit, S. 130–132.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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