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Stolpersteine in Hamburg
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Porträt Dr. Herbert Samson
Dr. Herbert Samson
© Privatbesitz

Dr. Herbert Siegfried Samson * 1898

Sierichstraße 102 (Hamburg-Nord, Winterhude)

1942 Bergen-Belsen /aus Niederlanden
ermordet am 5.1.1945 Bergen-Belsen

Dr. Herbert Samson, geb. 26.3.1898 in Hamburg, deportiert am 1.2.1944 ins KZ Bergen-Belsen, dort am 5.1.1945 gestorben

Sierichstraße 102 (Winterhude)

Herbert Siegfried Samson wurde 1898 in Hamburg als Sohn des Kaufmanns Adolf (Abraham) Samson (1868-1929) und seiner Frau Johanna Samson, geb. Bauer (1875-1967), in der Hochallee 41 geboren. Seine Eltern hatten 1897 in Frankfurt/Main, dem Geburts- und Wohnort der Braut geheiratet. Deren Vater David Bauer war dort Kaufmann. Vier Jahre nach Herbert wurde der Bruder Ernst geboren.

Der Vater Adolf Samson betrieb seit 1891 mit seinem Bruder Martin Samson (1865-1932) zusammen die Im- und Exportfirma Gebrüder Samson. Daneben gründeten sie im September 1921 auch die Aluminium Kokillen-Guss GmbH.

Herbert Samson besuchte nach der privaten Vorschule von Dr. Theodor Wahnschaff (Rotherbaum) von 1907 bis 1916 das Wilhelm-Gymnasium (Rotherbaum). Ab Sommersemester 1916 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Berlin und beteiligte sich aktiv in der studentischen Korporation der Berliner Freien Wissenschaftlichen Vereinigung (FWV).

Im November 1916 wurde er als Soldat eingezogen. Wenige Wochen zuvor hatte der preußische Kriegsminister eine "Judenzählung" beim Heer angeordnet, da es im Offizierskorps die Unterstellung gab, Juden würden sich vor dem Kriegsdienst drücken, was – wie die Zählung ergab – mitnichten der Fall war. Herbert Samson nahm im März 1917 in Lothringen an Stellungskämpfen der Armeeabteilung A teil, bei denen er schwer verletzt wurde. Im April 1917 wurde er in ein Feldlazarett, dann in ein Etappenlazarett und zuletzt in das Reservelazarett Saargemünd/ Lothringen eingeliefert. Erst im Oktober 1917 wurde er wieder dem IX. 42 – 5. Landsturm Infanterie Ersatz Bataillon Hamburg zugeteilt.

Nach dem Ersten Weltkrieg setzte er das Jura-Studium an den Universitäten Göttingen (Zwischensemester 1919), Heidelberg (1919) und Hamburg (1919-1920) fort und engagierte sich in studentischen Verbindungen. Im Taschenbuch der FWV von 1931 wurde in der Korporationschronologie für das Jahr 1919 vermerkt: "Gründung der Freien Wissenschaftlichen Vereinigung an der Hamburgischen Universität (30. Okt.) und eines Altherrenbundes Hamburg: erster Präside der F.W.V. Hamburg: Bbr. (Bundesbruder) Herbert Samson. Eintritt beider Verbände in den B.F.W.V. (Bund der Freien Wissenschaftlichen Vereinigungen)".
Am 10. November 1919 stellte Herbert Samson an den Universitätssenat ein "Gesuch der Freien Wissenschaftlichen Vereinigung an der hamburgischen Universität um Zulassung als Verbindung", dem elf Tage später stattgegeben wurde. Auch durfte die FWV ein Schwarzes Brett für Informationen einrichten. Die FWV Hamburg hatte zu diesem Zeitpunkt lediglich sechs Mitglieder. Außer Herbert Samson waren dies der Jurastudent Hans Feldmann, der Jurastudent Josef Koppel (1897-1977), der Jurastudent Herbert Mendel (1899-1952), der Philosophie-Student Heinz Gutmann (geb. 1895 in Dessau) und der Student Walter Scherk. Das Vereinslokal befand sich in den ersten drei Jahren im Hotel Aué (Inhaber Emil Fahrenheim) in der Dammtorstraße 29 I. Stock.

Im Juni 1921 schrieb Herbert Samson in einer vertraulichen Beilage zu den Monatsberichten des B.F.W.V. über seine Reise zu verschiedenen angeschlossenen Vereinigungen. In seinem kritischen Bestandsbericht erwähnte er auch Nürnberg: "(…) Die dortige Vereinigung tritt bewußt als Kampfvereinigung auf den Plan. In Nürnberg, der liberalen Handelsstadt, war Radauantisemitismus bisher unbekannt, jetzt versucht ihn eine Couleurverbindung an der dortigen Handelshochschule zu verbreiten. Dagegen will die neue F.W.V. auftreten und findet dabei allem Anschein auch das Interesse eines großen Teils der Bürgerschaft bis zu den Spitzen der Stadtverwaltung (…). Wir sollten Nürnberg alle nur mögliche Unterstützung gewähren (…)". 1925 bis 1927 gehörte der Jurastudent Ludwig Hecht (geb. 1904 in Babenhausen) dem dreiköpfigen Vorstand an.

Herbert Samson legte die 2. juristische Prüfung im Dezember 1922 in Hamburg ab. Zuvor hatte er schon im Februar 1921 seine Promotion zum Thema "Der Kommissionsagent" bestanden. Im Januar 1923 wurde er als Rechtsanwalt beim Hanseatischen Oberlandesgericht sowie dem Hamburger Landgericht und Amtsgericht zugelassen. Von 1923 bis 1924 praktizierte er am Rathausmarkt 5 bei den Rechtsanwälten Albert Wulff und Herbert Fischer. 1925 bis 1933 unterhielt er gemeinsam mit Dr. Manfred Zadik (1887–1965) und Dr. Hans Levien (1900–1967) eine Kanzlei in der Bergstraße 16.

Bis Anfang 1926 wohnte Herbert Samson in der Hochallee 25 (Harvestehude) bei seinen Eltern. Im April 1926 heiratete er Ilse Hochfeld (geb. 1907 in Hamburg-2000 in Seattle). Sie hatte bis zur Hochzeit bei ihrem Vater, dem Kaufmann Gustav Hochfeld (Mitinhaber des 1896 in Palermo und 1904 in Hamburg gegründeten Familienunternehmens Giulio Hochfeld, Import u. Export von Südfrüchten, Oberhafenstraße 5) sowie der Mutter Gertrud, geb. Simonsohn (geb. 23.7.1885) und der Schwester Ursula in der Brahmsallee 27 (Harvestehude) gewohnt. Gustav Hochfeld (geb. 17.5.1876 in Lemgo) war Mitglied im liberalen jüdischen Kultusverband "Tempelverband".

Herbert und Ilse Samson zogen nach der Hochzeit in den zweiten Stock des fünfgeschossigen Hauses Gryphiusstraße 12, Ecke Dorotheenstraße (Winterhude). Ihren Sohn Werner schulten sie im April 1934 in der Volksschule Vossberg 21 beim Stadtpark ein (heute Heinrich-Hertz-Schule). Aufgrund der vom NS-Staat vorangetriebenen Ausgrenzung von Juden musste Werner die Schule im Herbst 1937 verlassen, ebenso die anschließende Bertram-Schule am Harvestehuderweg 65-67 (Harvestehude) im November 1938.

Im September 1935 wechselte die nunmehr vierköpfige Familie (mit den Kindern Werner, geb. 1928 und Irene, geb. 1935) in eine nahegelegene Sieben-Zimmer-Parterrewohnung des Hauses Sierichstraße 102. Das Mietshaus war 1912/1913 nach einem Entwurf des Architekten Semmy Engel (1864-1946) erbaut worden.

Der Familie ging es gut, und in jährlichen Raten zahlte der Schwiegervater (auch noch 1938) zudem die Mitgift von 1.250 RM. Die Eheleute waren sowohl sportlich aktiv (z. B. beide besaßen ein Fahrrad und eine Tennis-Ausrüstung, er auch Wanderstiefel und sie auch eine Skiausrüstung) als auch kulturell interessiert. Über eine Liste des Umzugsgutes von 1939 lassen sich weitere Hobbies erkennen, so besaß Herbert Samson eine Briefmarkensammlung und in der Wohnung gab es einen Bridgetisch. Das Vermögen von Herbert und Ilse Samson belief sich im Dezember 1938 auf rund 60.000 Reichsmark.

Am 27. April 1933 wurde aus "rassischen" Gründen eine Rücknahme der Rechtsanwalts-Zulassung von Herbert Samson geprüft. Als anerkannter Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs durfte er sie jedoch zunächst behalten. Anders erging es seinem Kanzlei-Kollegen: Rechtsanwalt Dr. Hans Levien wurde die Zulassung im April 1933 entzogen (er emigrierte 1935 nach Palästina). Der andere Sozius Dr. Manfred Zadik arbeitete bis 1938 als Rechtsanwalt, dann durfte er nur noch als "jüdischer Konsulent" tätig sein.

In der Zeit von 1935 bis 1938 betrieb Herbert Samson eine eigene Kanzlei in der Großen Theaterstraße 34 (Neustadt). Aufgrund der antisemitischen Politik der NS-Diktatur hatte er für seine Klienten zunehmend auch mit den umfangreichen Ausreiseformalitäten der Devisenstelle zu tun, darunter (ab Dezember 1938 als Nachfolger von Rechtsanwalt Henry Minden) für Kaufmann Ernst de Haas, der im Juli 1938 in die Niederlande emigrierte (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) und ab September 1938 die treuhänderische Vermögensverwaltung für die Firma Giulio Hochfeld des Schwiegervaters. Herbert Samson wurde von der Devisenstelle auch als Vermögensverwalter des emigrierten Rechtsanwalts Dr. Henry Minden (1890-1971) eingesetzt; dieser schrieb ihm am 4. November 1938 aus Amsterdam: "(…) Nützen Sie im übrigen die Vollmacht so aus, wie Sie es für richtig halten, ich habe restliches Vertrauen zu Ihnen."

Am 30. November 1938 erhielt Herbert Samson als jüdischer Rechtsanwalt Berufsverbot; ab 1. Dezember 1938 wurde er nur noch als "jüdischer Konsulent" zugelassen, d. h., er durfte nur noch für jüdische Mandanten tätig sein. Für diese Zulassung verlangte der NS-Staat eine "Konsulentenabgabe", die an die Ausgleichskasse bei der Reichsrechtsanwaltskammer zu zahlen war (für 3 1/2 Monate belief sich diese Abgabe auf rund 5500 RM). Das Büro übernahm im April/Mai 1939 Dr. Edgar Haas (1877–1946), der seit Februar 1939 als Hilfskraft bei Herbert Samson angestellt gewesen war und als einer von drei "jüdischen Konsulenten" während der ganzen NS-Zeit in Hamburg tätig sein konnte. Auf seinem Firmenstempel musste er den Zusatz "Zugelassen nur zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden" einfügen.

Im Zuge der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurden auch gezielt wohlhabende Juden in Konzentrationslagern interniert, die Hamburger wurden ins KZ Sachsenhausen eingewiesen. Herbert Samson saß dort vom 9./10. bis 22. November 1938 als Häftling 8548 im Block 20 ein. Sofort nach seiner Entlassung versuchte er, seine Familie in Sicherheit zu bringen. Im Dezember 1938 wurde der zehnjährige Sohn Werner mit einem Kindertransport nach Großbritannien geschickt. Die übrige Familie hoffte weiterhin auf ein Visum für die USA. In der Kultussteuerkartei war bereits der Vermerk "März 39 U.S.A." eingetragen, doch die Ausreise dorthin kam nicht zustande.

Im April 1939 emigrierte Herbert Samson mit Ehefrau und vierjähriger Tochter sowie Teilen des Hausrats in die Niederlande, für die zu dieser Zeit kein Visum erforderlich war. Hierher zog im April 1939 auch der Schwiegervater Gustav Hochfeld (dessen Firma Giulio Hochfeld OHG war am 15. Februar 1938 von Wilhelm Schlüter übernommen worden), der im November 1938 mit Ehefrau und Tochter Ursula nach Messina/ Italien ausgereist war. Die mittlerweile "arisierte" Möbeltransportfirma Berthold Jacoby (Inhaber Paul Meier) erhielt den Auftrag, das Umzugsgut zu verpacken und nach Rotterdam zu transportieren. Vorher hatten Beamte der Zollfahndungsstelle im Wohnhaus die Transportlisten und die Gegenstände abgeglichen. Einige Silbergegenstände waren von Juwelier Clasen (Kleine Johannisstraße 2) aufgelistet, verpackt und versiegelt worden – nur so konnten diese Gegenstände gegen Zahlung einer Abgabe ausgeführt werden. Schmuck und weitere Silbersachen mussten bei der "Öffentlichen Ankaufsstelle" abgegeben werden, wofür eine Gutschrift von 99 RM auf das Sperrkonto von Herbert Samson erfolgte. Für ein Ölbild (Hafenmotiv von Lukas), neun Aquarelle (darunter sechsmal von Feirl) und vier Radierungen wurde vom stellvertretenden Referenten der Fachgruppe Maler und Grafiker in der Reichskulturkammer der bildenden Künste, Willy Habl (geb. 1888, seit 1933 Mitglied der NSDAP), eine Bescheinigung eingeholt, dass die Bilder "nicht als hochwertiges deutsches Kulturgut" einzustufen seien. Zuvor hatte Herbert Samson allerdings an den NS-Staat 9.750 RM "Judenvermögensabgabe" und 2.600 RM "Dego-Abgabe" für die Mitnahme seines Eigentums ins Ausland zu zahlen. Das eigentliche Fluchtziel der Familie Samson blieben aber weiterhin die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Vater ließ im August oder September 1939 den Sohn per Schiff in die Niederlande nachkommen – so war die Familie in dieser Station des Exils wieder vereint.

Zeitgleich mit den eigenen Ausreisevorbereitungen regelte Herbert Samson auch die Emigration seiner Mutter nach Havanna/Kuba. Dort lebte ihr jüngerer Sohn Ernst (Ernesto) Samson (geb. 3.7.1920 in Hamburg), ein Exportkaufmann, bereits seit Ende der 1920er Jahre. Die mitzunehmenden Gegenstände wurden in der Wohnung Sierichstraße 102 durch Zollsekretär Marquardt kontrolliert, er verfasste darüber den erforderlichen Bericht. Die für die Ausreise gekauften Kleidungsstücke (Sommerkostüm 75 RM, Sommermantel 29 RM, Abendkleid 98 RM) wurden in Höhe des Kaufpreises mit Strafsteuern (Dego) belegt. Ende März 1939 gelang ihre Ausreise. Das Umzugsgut folgte vier Wochen später in einem Container. Die Verfolgung als Jüdin in Deutschland und die Entwurzelung in der Fremde verursachten bei ihr eine schwere Depression – ein Selbstmordversuch scheiterte. Nach der kubanischen Revolution und den militärischen Interventionen der USA wanderte die mittlerweile 86jährige im Oktober 1961 in die USA nach Miami aus, wo sie 1967 starb.

Edgar Haas regelte nach Herbert Samsons Emigration u. a. Zahlungen von dessen Sperrguthaben an die in Deutschland verbliebenen Familienmitglieder: an Hermann Epstein, den Schwiegervater des Onkels Bernhard Samson, an Siegfried Hochfeld (geb. 12.2.1873 in Lemgo), den Münchner Onkel der Ehefrau und an Elsa Hochfeld, geb. Wassermann (geb. 24.3.1880 in Neu-Ulm), die Münchner Tante der Ehefrau.

Für den auf Wochen oder wenige Monate veranschlagten Aufenthalt in den Niederlanden wählte Herbert Samson die Residenzstadt Den Haag, ganz in der Nähe der Hafenstadt Rotterdam und Sitz der Botschaft der USA. Hier lebten seit April 1939 auch die Schwiegereltern. Von Juni 1939 bis Dezember 1940 wohnte Familie Samson in Den Haag in der Zijdelaan 25. Im Haus lebten weitere deutsche Flüchtlinge, darunter der Kaufmann Hermann Stern (geb. 21.4.1881 in Gelsenkirchen), der im März 1938 mit einem sechs Monate zuvor ausgestellten Reisepass Essen verlassen hatte. Das in rotem Klinker errichtete zweigeschossige Haus mit Spitzdach war 1929 in der Zijdelaan errichtet worden. Für Familie Samson war es die zweite Wohnadresse im niederländischen Exil, zuvor hatten sie für sechs Wochen in der van Alkemadelaan 32 gewohnt.

Der Schwiegervater Gustav Hochfeld (1876-1948) gründete zusammen mit seinem Neffen Kurt Hochfeld (geb. 2.7.1900 in Lemgo) und mit Herbert Samson die Firma Giulio Hochfeld in Rotterdam. Dies war ihm in Italien verwehrt worden, weshalb er in die Niederlande emigriert war. Für die drei Firmeninhaber waren die Niederlande aber nur eine Zwischenstation auf dem Weg in die USA. Gustav Hochfeld besaß bereits die entsprechenden Papiere, die jedoch bei der Bombardierung Rotterdams im Mai 1940 im dortigen US-Konsulat verbrannten; es gelang ihm aber Palästina-Zertifikate für eine Emigration zu bekommen.

Ihre finanzielle Situation verschlechterte sich dennoch zusehends. So schrieb Rechtsanwalt Haas am 19. April 1940 an die zuständigen deutschen Behörden: "Herr Dr. Samson schreibt mir, daß durch den Kriegsausbruch die Verhältnisse in Holland noch schwieriger geworden sind. Er selbst hat nicht viel Mittel; sein Schwiegervater ist angesichts des schlechten Geschäfts schon so beansprucht, daß er nicht weiter in Vorlage treten kann." Am 1. April 1940, noch kurz vor der deutschen Besetzung der Niederlande im Mai 1940, erhielten die Ehefrau und die Tochter von Herbert Samson in Rotterdam ein "Immigration Visa" für die USA. Sie fuhren nach England und verließen im Mai 1940 mit dem Dampfer "Britannic" Liverpool in Richtung New York. Von dort fuhren sie weiter mit der Bahn nach Seattle. Herbert Samson und sein Sohn warteten in Den Haag weiter vergeblich auf ein USA-Visum. Im Dezember 1940 mussten sie auf Anordnung der deutschen Behörden Den Haag verlassen und in den Osten der Niederlande nach Ermelo oder Nunspeet umziehen. Rund 7 km von Ermelo und rund 11 km von Nunspeet entfernt lag die Schule für den 12jährigen Werner Samson: die Hogere Burgerschool (HBS) in Harderwijk. Nach Nunspeet mussten auch die Schwiegereltern Hochfeld umziehen, im Harderwijkerweg 5 fanden sie Unterkunft.

Über Rechtsanwalt Haas verhandelte Herbert Samson im September 1940 über Reisekostenzahlungen von seinem in Deutschland verbliebenen Geld: "Als Vertreter von Herrn Dr. Samson teile ich höflichst mit, daß dieser mit seinem kleinen Sohn noch in Holland ist. Er beabsichtigt über Russland nach U.S.A. weiterzureisen; das Visum wird demnächst erteilt werden. Er möchte die in Reichsmark zahlbaren Beträge, d. h. also die Strecke von der holländischen Grenze bis Japan, von seinem Sperrkonto zahlen." Dieser Antrag wurde abgelehnt. Im April 1941 erreichte der Anwalt Haas, dass Schul- und Universitätszeugnisse aus der Personalakte bei der Hamburger Justizverwaltung nach Holland geschickt wurden.

Ab Januar 1941 erfasste die deutsche Besatzungsregierung unter Reichskommissar Seyß-Inquart die jüdischen Bürger mit Hilfe von detaillierten Meldebögen. Ab 1942 begannen die Deportationen der Juden aus den Provinzen. Im April 1942 zog Herbert Samson deshalb mit seinem Sohn nach Amsterdam in die Zuider Amstellaan 89 III. Stock (ab 1946 Rooseveltlaan 89) des Stadtteils Scheldebuurt. Vermutlich wohnten sie dort bei Heinrich Martin Heilbut (geb. 28.5.1891 in Hamburg) und seiner Familie. Der selbständige Wechsel- und Fondsmakler Heilbut war bereits im April 1933 nach Amsterdam gereist, seine Ehefrau und die Söhne folgten im September 1933. Seit 1935 wohnten sie in der Zuider Amstellaan 89 III. Stock. Auch das Amsterdamer Adressbuch von 1939/1940 verzeichnete H. M. Heilbut unter dieser Adresse. Er war der Schwager des Hamburger Rechtsanwalts Dr. Henry Minden, der vermutlich den Kontakt hergestellt hatte. Heilbut und Minden kannten sich vom Realgymnasium des Johanneums – "mein bester Freund" pflegte Minden über Heilbut zu sagen. Heinrich M. Heilbut und sein Sohn Walter waren einstweilen vom "Joodse Raad" (Judenrat) Amsterdam wegen ihrer Aufgaben in der Jüdischen Gemeinde von Internierung und Deportation zurückgestellt. Die Flucht in die Großstadt wählten notgedrungen viele Emigranten, so stieg die Zahl der jüdischen Einwohner Amsterdams 1942 von rund 80.000 auf rund 100.000. Die Aussicht in einer Großstadt eine Tätigkeit aufnehmen zu können oder Unterstützung zu erhalten, schien größer als in einer kleinen Gemeinde. Die deutsche Besatzungsmacht untersagte ab 1. September 1941 den gemeinsamen Schulunterricht von jüdischen und nichtjüdischen Kindern. Werner Samson besuchte in Amsterdam das Joods Lyceum. Diese Oberschule im Stadtteil Jodenbuurt war für jüdische Schülerinnen und Schüler neu gegründet worden und bestand lediglich von September 1941 bis September 1943. Die Ausgrenzung von Juden wurde mit immer neuen Vorschriften vorangetrieben. Seit Sommer 1941 war Juden das Betreten von öffentlichen Plätzen verboten. Ab Mai 1942 musste auch in den okkupierten Niederlanden der Judenstern an der Kleidung getragen werden. Zudem galt ab Juni 1942 für Juden eine abendliche Ausgangssperre von 20 Uhr bis 6 Uhr morgens.

Am 19. Dezember 1942 wurden Herbert Samson und sein Sohn verhaftet und im niederländischen Durchgangslager Westerbork unweit der deutschen Grenze interniert, das seit Juli 1942 der SS unterstand. Im Januar 1944 folgte die Deportation aus den besetzten Niederlanden zurück ins Deutsche Reich in das KZ Bergen-Belsen, in das die jüdischen Häftlinge am 1. Februar 1944 eingeliefert wurden. Herbert Samson erhielt die Häftlings-Nr. 2656, Sohn Werner die Nr. 2664 des "Sternlagers". Deren Insassen mussten auf ihrer Zivilkleidung den Judenstern tragen und wurden bei schlechter Ernährung zu kräftezehrenden Arbeitseinsätzen gezwungen.

Auch die Schwiegereltern Gustav Hochfeld und Gertrud Hochfeld, geb. Simonsohn wurden zeitgleich mit ihnen nach Bergen-Belsen deportiert. Sie kamen am 1. Februar 1944 an und wurden ebenfalls dem "Sternlager" zugeteilt, wo sie statt der gestreiften Häftlingskleidung ihre Zivilkleidung mit einem gelben Stern trugen. Hier wurde, laut Aussage der Schwiegermutter, "durch unhygienische Zustände im Lager und Verweigerung oder Vernachlässigung ärztlicher Behandlung" ihre Gesundheit nachhaltig geschädigt. Die Schwiegereltern konnten das Lager mit einem Austauschtransport ("Transport 222") nach Palästina am 29. Juni 1944 verlassen. Sie wurden gegen deutsche Templer ausgetauscht, die in Palästina interniert waren. Gustav und Gertrud Hochfeld kamen am 10. Juli 1944 in Haifa an.

Herbert Samson starb im KZ Bergen-Belsen am 5. Januar 1945 an Hunger und Entkräftung, offiziell wurde als Todesursache "Herzschwäche" angegeben.

Sein Sohn wurde am 10. April 1945 mit einem Bahntransport vor den anrückenden britischen Truppen aus dem Lager "evakuiert". Am 15. April 1945 wurde das Lager befreit. Am 23. April 1945 wurde Werner Samson von Einheiten der Roten Armee in sehr schlechtem gesundheitlichen Zustand aus dem Transportzug (der der "verlorene Zug" genannt wurde, weil er Theresienstadt nicht erreichte und stattdessen zwei Wochen herumirrte) bei Tröbitz Nähe Frankfurt (Oder) befreit.

Werner Samson reiste im November 1946 in die USA aus.

Herbert Hochfeld hatte im Auftrag von Ilse Samson am 1. Mai 1945 aus London an den "Supreme Commander, Allied Expeditionary Force (Main), A.P.O. 757, U.S.Army” geschrieben und um Auskunft zum Verbleib von Herbert und Werner Samson gebeten. Die angeschriebene Einheit konnte zu diesem Zeitpunkt nur eine ungefähre (und falsche) Angabe machen: "The last report we had from them is dated December last." Für eine genauere Überprüfung wurde die Anfrage deshalb an "Headquarters 21 Army Group" weitergeleitet. Deren Recherche ergab am 4. Juni 1945: "Our Search Officier in Belsen reports that both left this camp about 25.3.45 not for Frankfurt/Oder; destination unknown.”
1979 erstellte die Cousine seiner Ehefrau, Elisabeth Levy, geb. Hochfeld, für ihn ein Gedenkblatt ("Page of Testimony") bei der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem.

Im März 2005 wurde für Herbert Samson in Hamburg ein Stolperstein in der Sierichstraße 102 verlegt.

Stand: Oktober 2025
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 231-7 (Handelsregister), A 1 Bd. 27 (A 6783, Samson Gebrüder); StaH 231-7 (Handelsregister), A 3 Bd. 53 (C 3846, Aluminium Kokillen-Guss GmbH); StaH 241-2 (Justizverwaltung Personalakten), A 1820 (Herbert Samson); StaH 221-11 (Entnazifizierung), Misc 10743 (Willy Habl); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), F 2074 (Auswandererakte Herbert Samson); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 3946 (Auswandererakte Johanna Samson); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), F 1086 (Auswandererakte Gustav u. Gertrud Hochfeld); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), F 1755 (Dr. Henry Minden); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), R 1938/3356 (Vermögenssperre Herbert u. Ilse Samson); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), F 920 (Dr. Ludwig Hecht u. Hilde Hecht geb. Goldschmidt); StaH 332-5 (Standesämter), 9143 u. 659/1898 (Geburtsregister 1898, Siegfried Herbert Samson); StaH 332-5 (Standesämter), 8097 u. 392/1929 (Sterberegister 1929, Abraham genannt Adolf Samson); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Bd. 40 (Bürgerregister 1896-1898 L-Z, Abraham Samson, 15.4.1898 Bürgerrecht Nr. L 901); StaH 332-8 (Meldewesen), Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925, Ilse Sophie Hochfeld; StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 21267 (Herbert Samson); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 48944 (Werner Samson); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 2838 (Johanna Samson); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 8319 (Gertrud Hochfeld geb. Simonsohn); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 916 (Robert Heinrich Heilbut); StaH 364-5 I (Hamburgische Universität I), 0 30.05.153 (Freie Wissenschaftliche Vereinigung); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Herbert Samson, Ernst Samson, Martha Samson, Gustav Hochfeld, Heinrich M. Heilbut; Bundesarchiv Berlin, R 1509 (Reichssippenamt), Volks-, Berufs-, u. Betriebszählung am 17. Mai 1939 (Siegfried Hochfeld, München, Ohmstr. 20 EG links; Elsa Hochfeld geb. Wassermann, München, Ohmstr. 20 EG links; Hermann Stern, Essen, ohne Straßenangabe u. Datum; Dr. Heinz Gutmann, Berlin-Schöneberg, Hohenstaufenstr. 50); Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Archiv (Herbert Siegfried Samson); Gedenkstätte Bergen-Belsen (E-Mail vom 13.3.2007 und 13.10.2025); Arolsen Archives (Dokumente zur Suche nach Herbert Samson, 1945/46; niederländische Karteikarten von Heinrich M. Heilbut u. Walter Heinrich Heilbut); Yad Vashem, Page of Testimony (Herbert Samson); Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Heiratsregister Frankfurt/ Main 1897 (Abraham genannt Adolf Samson u. Johanna Bauer); Stadsarchief Amsterdam (Indexen, nachträglich erstellte Einwohnermeldekarte für Siegfried Herbert Samson u. Heinrich Martin Heilbut); Stadsarchief Amsterdam, Adresboeken Amsterdam 1939-1940 (S. 1545, Amstellaan, Zuider, 89); Archief Gooi en Vechtstreek (Indexen von Hilversum, nachträglich erstellte Einwohnermeldekarte für Hermann Stern); Handelskammer Hamburg, Handelsregisterinformationen (Giulio Hochfeld, HR A 4962); Hamburger Börsenfirmen 1910/11, S. 565 (Samson Gebrüder, gegr. 1891, Inhaber M. u. A. Samson, Freihafen Hamburg Pickhuben 9, Niederlassung in London E.C.: Samson Brothers, No. 9 Water Lane); Hamburger Börsenfirmen 1926, S. 22 (Aluminium Kokillen-Guss GmbH, gegr. 1921, Geschäftsführer Martin Samson, Prokurist Ad. Samson, Pickhuben 9), S. 892 (Samson Gebrüder, gegr. 1891, Inhaber M. u. A. Samson, Im- u. Export, Freihafen Hamburg Pickhuben 9); Hamburger Börsenfirmen 1935, S. 378 (Giulio Hochfeld, gegr. 1904, Im- u. Export von Südfrüchten, Inhaber Willy und Gustav Hochfeld, Fruchthof Oberhafenstr. 5); Adressbuch Hamburg 1898, 1926, 1932, 1936 (Samson); Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1924–1926, 1928, 1935, 1937 (Samson); Adressbuch Hamburg (Emil Fahrenheim, Dammtorstr.29) 1924, 1926, 1928; Adressbuch Hamburg (A. & M. Heilbut, Wechsel- u. Fondsmakler, Inhaber Martin M. Heilbut u. Heinrich M. Heilbut, Königstr. 7/9) 1930; Franz Bömer (Hrsg.), Wilhelm Gymnasium Hamburg 1881-1956, Hamburg 1956, S. 121 (Herbert Samson); Michael Buchholz/ Manfred Voigts (Hrsg.), Einigkeit, Recht, Freiheit. Die liberale Studentenkorporation Freie Wissenschaftliche Vereinigung (1881-1933). Eine Textedition, Würzburg 2022, S 37, 263 (Herbert Samson); Björn Eggert, Dr. Herbert Samson, in: Ulrike Sparr, Stolpersteine in Hamburg-Winterhude. Biografische Spurensuche, Hamburg 2008, S. 229-231; Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg. Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat, Hamburg 2003, S. 132 (Edgar Haas), 133 (Ludwig Hecht), 141 (Hans Levien), 147 (Henry Minden), 155 (Herbert Samson), 168 (Manfred Zadik); Ulrike Puvogel, Martin Stankowski, Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus, Band I, Bonn 1995, S. 383 (Bergen-Belsen); Manfred Voigts (Hrsg.), Freie Wissenschaftliche Vereinigung. Eine Berliner anti-antisemitische Studentenorganisation stellt sich vor – 1908 und 1931, Potsdam 2008, S. 155 (Herbert Samson); Deutsche Nationalbibliothek, Herbert Samson, Der Kommissionsagent (Doktorarbeit mit Lebenslauf), 1921; Deutsche Nationalbibliothek, Hans Levin, Die Stellung der Ehrenstrafen im modernen Strafsystem (Doktorarbeit mit Lebenslauf), 1922; Deutsche Nationalbibliothek, Ludwig Hecht, Die Prozeßführung des nicht rechtsfähigen Vereins (Doktorarbeit), 1929; www.joodsmonument.nl (Siegfried Herbert Samson, Hermann Stern, Ernst de Haas, Heinrich Martin Heilbut, eingesehen am 8.2.2007, 23.5.2024 u. 29.6.2024); https://oorlogsbronnen.nl (Karteikarten mit Wohnungsadressen von Herbert Samson u. Gustav Hochfeld in den Niederlanden); https://www.annefrank.org/de/timeline/219/fur-juden-verboten/ (antijüdische Maßnahmen in den Niederlanden 4.1941-9.1942); www.ancestry.de (Passagierliste der "S. S. M. V. Britannic", eingesehen am 22.9.2007); www.geni.com (Gustav Hochfeld, Ilse Samson/Hochfeld, Herbert Siegfried Samson, eingesehen 9.5.2024); www.stolpersteine-hamburg.de (Martha Samson, Kurt Hochfeld, Hermann Epstein, Ernst de Haas, Heinrich M. Heilbut).

Stolpersteine in Hamburg
Stand: © 31.10.2025 11:19:30