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Jacob Rhein, Kriminalbiologische Sammelstelle, 1941
© Staatsarchiv Hamburg

Jacob Rhein * 1883

Reeperbahn 141 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


HIER WOHNTE
JACOB RHEIN
JG. 1883
INHAFTIERT
KZ NEUENGAMME
ERMORDET 2.1.1943

Jacob Rhein, geb. 21.1.1883, inhaftiert 1927, 1928, 1936 und 1939, gestorben am 2.1.1943 im KZ Neuengamme

Reeperbahn 141

Jakob Rhein wurde 1883 in Viernheim geboren; er war das drittälteste von vier Kindern. Bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres besuchte er die Volksschule. Im Anschluss arbeitete er zwei Jahre in einer Fabrik. Von 1903 bis 1905 diente er bei der Infanterie. Krankheitsbedingt wurde er vorzeitig entlassen.

Jacob Rhein ließ sich in einem Zirkus als Balancekünstler ausbilden. Zwischen 1915 und 1918 nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Nach dem Krieg lebte er von Auftritten als selbstständiger Balancekünstler. 1922 heiratete er; die Ehe wurde 1926 geschieden. Der wegen einiger Eigentumsdelikte und Bettelns vorbestrafte Jacob Rhein musste sich im Juni 1927 zum ersten Mal wegen homosexueller Handlungen verantworten. Das Amtsgericht Lübeck verurteilte ihn zu zwei Monaten Gefängnis wegen "widernatürl. Unzucht". Im selben Jahr wurde über Rhein als vorbestrafter "Hundertfünfundsiebziger" ein gewerbepolizeiliches Berufsverbot verhängt, d. h. er erhielt keinen Gewerbeschein mehr.

Im Mai 1928 folgte vor dem Amtsgericht Hamburg eine weitere Verurteilung – dieses Mal zu fünf Monaten Gefängnis. Wieder in Freiheit schlug sich Rhein bis zu seinem nächsten Prozess im Jahr 1936 mit einem Bauchladen für Spielwaren durch und lebte von der Vorführung von Artistenkunststücken in Schankwirtschaften.

Am 15. Oktober 1936 bestrafte das Landgericht Hamburg Jacob Rhein mit drei Jahren Gefängnis wegen Verbrechens nach § 175 a Ziffer 3 und Vergehen nach § 175 RStGB in drei Fällen.

Rhein hatte drei Jugendliche auf St. Pauli, u. a. in dem Lokal Monte Carlo, kennengelernt. Im Falle des 15-jährigen Werner D., der bereits seit zwei Jahren im Monte Carlo verkehrte, verzichteten die Richter auf eine Anklage nach § 175 a RStGB. Aus dem Urteil: "Es gehöre ja zu dem Begriff der Verführung, daß der Volljährige irgendwie auf den Willen des Minderjährigen einwirkt, um diesen zu der Unzucht, die er an sich nicht will, geneigt zu machen und dabei geschlechtliche Unerfahrenheit oder geringere Widerstandsfähigkeit des Minderjährigen ausnutzt. Von Verführung kann daher nicht die Rede sein, wenn der Minderjährige ohne Einfluß zu der Unzucht bereit gewesen ist und sich dazu bereit erklärt hat."
Dagegen wirkten sich Rheins Vorstrafen negativ auf die Bemessung des Strafmaßes aus: "Da es sich in allen 3 Fällen um Jungen von 15 bis 17 Jahren handelt, so erschien eine exemplarische Strafe erforderlich, und das umsomehr, als der Angeklagte jetzt noch einmal Gelegenheit haben soll, sich das Verwerfliche seines Tuns vor Augen zu führen, um von diesem Wege abzugehen. Andernfalls wird er in Zukunft mit Zuchthausstrafen oder gar Sicherheitsverwahrung rechnen müssen."

Jacob Rhein verbüßte die Haft im Strafgefängnis Wolfenbüttel. Nach seiner Entlassung am 20. Juni 1939 kehrte er nach Hamburg zurück. Nachdem er drei jugendlichen Strichjungen eine Übernachtungsgelegenheit in seiner Wohnung gewährt und mit einem von ihnen sexuell verkehrt hatte, wurde er vermutlich erpresst und von einem Rudi W. bei der Polizei denunziert. Nach seiner Festnahme war er vom 22. bis 28. Juli 1939 als polizeilicher "Schutzhäftling" im KZ Fuhlsbüttel, anschließend kam er in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt. Im November 1939 erstellte Dr. Gerhard Quast ein amtsärztliches Gutachten über ihn; darin heißt es: "Eine Bestrafung ist nicht ein ausreichendes Mittel, um die Umwelt von solch einem Menschen zu schützen. Hier muß die Sicherheitsverwahrung eintreten. Eine freiwillige Entmannung kann dem Rh. nahegelegt werden. Ein endgültiges Urteil über den Erfolg eines solchen Eingriffs muß ein auf eine längere Beobachtung des Rh. sich stützendes Gutachten ergeben."

Im März 1940 verurteilte das Landgericht Hamburg ihn als "gefährlichen Gewohnheitsverbrecher" zu 18 Monaten Zuchthaus mit anschließender Sicherungsverwahrung nach §§ 175, 20 a und 42 e RStGB. Ab April 1940 verbüßte Jacob Rhein die Strafe im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen und vom 28. März bis zum 25. April 1941 in der Sicherungsanstalt Rendsburg. 1941 stellte Rhein einen Antrag auf "freiwillige Entmannung", in der Hoffnung, dadurch wieder in Freiheit zu gelangen. Im Mai 1941 zog er den von Gesundheitssenator Dr. Friedrich Ofterdinger genehmigten Kastrationsantrag zurück.

Am 17. Dezember 1942 wurde Jacob Rhein als Zugang von Rendsburg unter der Häftlingsnummer 13008 im KZ Neuengamme ("Erziehungslager Neuengamme") registriert, wo er am 2. Januar 1943 ermordet wurde.


© Bernhard Rosenkranz/Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1 d; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 9189/36 und 1517/40; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 16.

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