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Bereits verlegte Stolpersteine



Charlotte Hofmann (geborene Brüll) * 1874

Hohe Reihe 25 (Wandsbek, Sasel)


HIER WOHNTE
CHARLOTTE HOFMANN
GEB. BRÜLL
JG. 1874
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Hohe Reihe 25:
Arnold Hofmann, Anna Hofmann, Ilonka Hofmann

Arnold Hofmann, geb. 9.11.1875 in Skalitz/Szakolcza, deportiert 11.7.1942 nach Auschwitz
Charlotte Hofmann, geb. Brüll, geb. 30.4.1874 in Sobotiste/Szobotist, deportiert 11.7.1942 nach Auschwitz
Anna Hofmann, geb. 4.11.1905 in Hamburg, deportiert 11.7.1942 nach Auschwitz
Ilonka Hofmann, geb. 11.10.1937 in Hamburg, deportiert 11.7.1942 nach Auschwitz

Hohe Reihe 25

Arnold Hofmann wurde 1875 in der Vielvölkermonarchie Österreich-Ungarn als Sohn des Tempeldieners Salomon Hof(f)mann und seiner Frau Jeanette, geb. Schlesinger, geboren. Sein Geburtsort Szakolcza (ungarisch) bzw. Skalitz (österreichisch) gehörte zu dieser Zeit zum Königreich Ungarn und lag nur ein bis zwei Kilometer von der Landesgrenze des Kaiserreichs Österreich entfernt. Eine Eisenbahnstrecke führte von dort über Pressburg nach Wien. Nach Pressburg (slowakisch Bratislava, ungarisch Poszony) zog er dann auch später. Arnold Hofmann war gelernter Maschinenschlosser.

Charlotte Brüll, manchmal auch mit dem ungarischen Vornamen "Sarolta" geschrieben, wurde im ca. 15 km südöstlich von Skalitz gelegenen Ort Sobotište (slowakisch) geboren, wo Arnold Hofmann und Charlotte "Lotti" Brüll 1902 heirateten.

In der vielsprachigen k.u.k.-Monarchie gehörten die Eheleute Hofmann zur deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe. Obwohl auf dem Gebiet des Königreichs Ungarn lebend, und hier wiederum in einem slowakischen Siedlungsgebiet, mussten die vom ungarischen Standesbeamten gestellten Fragen und Erklärungen bei der Vermählung 1902 in die deutsche Sprache übersetzt werden. Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurden die Geburtsorte der Eheleute Hofmann der neu gegründeten Tschechoslowakei zugeschlagen. Da die Eheleute Hofmann bereits vor der Gründung des neuen Staates dessen Territorium verlassen hatten, wurden sie aber nicht als tschechoslowakische Staatsbürger geführt. Sie galten fortan als "staatenlos", auch ihre Kinder wurden mit diesem Status geboren.

1905 zog das Ehepaar Hofmann mit drei kleinen Kindern in die Hauptstadt der k.u.k.-Monarchie und von dort noch im selben Jahr in die Hansestadt Hamburg. Im November 1905 kam hier die Tochter Anna zur Welt, zwei Jahre später der Sohn Eduard Gottlieb. Von 1910 bis 1913 wohnte die Familie in Hamburg-Eilbek in der Kiebitzstraße 34, Haus 1. Die Nachbarhäuser in der Kiebitzstraße Nummer 26, 28 und 32 waren im Besitz der Jüdischen Gemeinde Hamburg.

Von Oktober 1922 bis August 1929 wurde die Familie als Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und des orthodoxen Synagogenverbandes geführt. Arnold Hofmann war zu dieser Zeit als Schlosser tätig. Auch wenn Familie Hofmann 1929 aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde austrat, gab es im Haus auch weiterhin den silbernen Schabbesleuchter, den vergoldeten Chanukka-Leuchter und eine große silberne Pessach-Platte. Die Familie wohnte in Barmbek-Süd in der Stieglitzstraße 8a (1921–1927) und danach in der pa¬ral¬lel gelegenen Gluckstraße 38 (1927–1928). Ab ca. 1929 lebten sie dann in Sasel als Haus¬eigentümer in der Hohen Reihe 25.

Die älteste Tochter Olga (geb. 13.9.1904 in Wien) arbeitete als Verkäuferin und heiratete 1931 den Werkzeugdreher Heinrich Berlinghoff (1894–1949). 1932 wurde ihr gemeinsamer Sohn geboren. Da ihr Mann nichtjüdisch war, lebte sie nach den NS-Rassekriterien in einer "privilegierten Mischehe". Sie starb am 18. Januar 1944. Es gibt Anzeichen dafür, dass ihre Ehe zumindest während der NS-Zeit nicht glücklich war. In der Gedenkstätte Yad Vashem ist auf einem Gedenkblatt für sie in englischer Sprache vermerkt: "She was mistreated by her non-jewish husband, starved, felt ill and was likely given an overdose pills by her resenting husband, who was unhappy being married to a jewess." (Sie wurde von ihrem nichtjüdischen Ehemann misshandelt, litt Hunger, wurde krank und wahrscheinlich erhielt sie von ihrem übelmeinenden Ehemann, der bedauerte, mit einer Jüdin verheiratet zu sein, eine Überdosis Pillen.) Es handelt sich hier um eine Mutmaßung, ein Beleg für ein solches Handeln des Ehemannes war nicht auffindbar.

Anna, die zweitälteste Tochter (geb. 1905), hatte 1926 eine Gewerbeanmeldung als "Händlerin mit Weiß-, Woll-, Kurz- und holländ. Waren für Hamburg, Gluckstr. 38 ptr." erwirkt. Ab 1930 wurde sie im Adressbuch als Inhaberin eines Weißwarengeschäfts geführt. Das Geschäft hatte allerdings einen so geringen Umsatz, dass keine Einkommensteuer gezahlt werden musste. 1938 wurden die Repressionen zur wirtschaftlichen Ausschaltung von Firmen, die im Besitz von Juden waren, weiter verschärft. Anfang September 1938 beantragte Anna Hofmann bei der Handelskammer Hamburg eine "Genehmigung des Totalverkaufs wegen Aufgabe des Geschäfts". Ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt, suchte sie 1938, zusammen mit ihrer unehelichen Tochter Ilonka (geb. 11.10.1937), Unterschlupf bei ihren Eltern. Ab Juni 1939 fand sie eine gering bezahlte Arbeitsstelle, die ihr wöchentlich rund 20 RM einbrachte. Seit Dezember 1940 bezog der 65-jährige Arnold Hofmann Invalidenrente, die je¬doch nicht zum Leben reichte. Im Januar 1941 war die Familie auf Unterstützung durch die Wohlfahrt angewiesen.

Arnold Hoffmann wurde am 20. Mai 1942 von der Geheimen Staatspolizei Hamburg verhaftet und ins Polizeigefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel eingeliefert; die Gründe sind nicht bekannt. Am 12. Juni 1942 wurde er zum Stadthaus, dem Sitz der Gestapo in Hamburg, überstellt und am selben Tag entlassen. Drei Tage nach seiner Entlassung schrieb er aus Sasel an ein befreundetes Ehepaar:

"Lieber Herr und Frau Beyer!
Freitag Mittag den 12. Juni hatte ich das große Glück die Freiheit zu erhalten. Vierundzwanzig Tage und Nächte, Stunde um Stunde bis ein Tag um ist, und qualvolle schlaflose Nächte – ich habe viel, ja sehr viel erdulden müssen, einige Mal war ich von einem Gefühl erfaßt, das mir meine Nerven versagten, in der Angst nahe einer geistigen Umnachtung, (…) aber schnell habe ich mich noch an den rettenden Strohhalm geklammert das Leben, es ist ja kein Leben, ein Dasein. (…) mit eisernem Willen noch (….) darüber zu schreiben muß ich mir er¬lassen, das kann man nur mündlich, deshalb bitte ich Euch beide Lieben, das wäre für uns eine große Freude, wenn Ihr beiden uns besuchen würdet, ein von Herzen sehnsuchtsvolles Wiedersehen, also bitte erfüllt mir diesen Wunsch, die Fahrt per Schnellzug wird Euch voll erstattet, ja, nochmals wiederhole ich unsere große Bitte, macht es zur Möglichkeit als etwas sehr Dringendes (…)."

Anscheinend wusste Arnold Hofmann von seiner bevorstehenden Deportation, denn am 20. Juni 1942 verkaufte er das Haus in Sasel für 5000 RM. Der nationalsozialistische Staat bemächtigte sich sowohl der Kaufsumme des Hauses, als auch des Hausstandes, der versteigert wurde und 703 RM erbrachte.

Das Ehepaar Hofmann wurde in ein so genanntes Judenhaus in der Schlachterstraße 47 in der Hamburger Neustadt zwangsweise einquartiert. Anna Hofmann war bereits am 17. Januar 1940 in die ehemalige Israelitische Gemeindeschule Altona in der Grünestraße 5 eingewiesen und von dort am 6. Mai 1942 in ein weiteres "Judenhaus" in der Schlachterstraße 46, Haus 6 (Neustadt). Vielleicht auf Grund dieser erzwungenen Umzüge hatte sie ihre Tochter Ilonka zu einem nicht bekannten Zeitpunkt dem jüdischen Mädchenwaisenhaus des Paulinensitfts übergeben. Vier Wochen nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wurden Arnold Hofmann, seine Ehefrau Charlotte und deren jüngere Tochter Anna von Hamburg aus in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. In einer Urteilsbegründung aus dem Jahre 1953 wurde der Ablauf der Deportation in Hamburg wie folgt beschrieben: "Wie aus den noch vorhandenen Evakuierungsbefehlen ersichtlich, vollzog sich die von der Geheimen Staatspolizei durchgeführte Evakuierung der Juden in der Form, daß die Betroffenen einen Befehl erhielten, wonach ihr Abtransport umgehend durchgeführt würde und ihr und ihrer Angehörigen Vermögen als beschlagnahmt gelte. Die Betroffenen wurden angewiesen, nach Verlassen ihrer Wohnung diese zu schließen und die Wohnungsschlüssel beim zuständigen Polizeirevier abzugeben. Die Betroffenen wurden für den ordnungsgemäßen Zustand ihrer Wohnung und das Erscheinen ihrer Angehörigen bei der Meldestelle für verantwortlich erklärt. Es wurde ihnen mitgeteilt, daß Sachbeschädigung oder Flucht mit besonderen Maßnahmen geahndet würde."

Auch die Enkelin Ilonka wurde gemeinsam dreizehn weiteren Zöglingen des Waisenhauses und ihren Betreuerinnen und Betreuern diesem Transport übergeben. Die Todesdaten der Familie Hofmann und ihrer Leidensgefährten sind nicht bekannt. Es ist anzunehmen, dass alle kurz nach der Ankunft in Auschwitz-Birkenau mit Gas ermordet wurden.

Arnold, Charlotte und Anna Hofmann wurden später auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.
Der Sohn Siegfried Hofmann (geb. 1903 in Wien) emigrierte mit seinen beiden Söhnen nach Palästina, wo er 1946 starb. Der Sohn Eduard Hofmann (geb. 1907 in Hamburg) wanderte nach Kalifornien/USA aus.

© Björn Eggert, Ulrike Sparr

Quellen: 1; 4; 8; StaH 213-13 (Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Hamburg), Z 506 und Z 20703 ; StaH 314-15 (OFP), R 1938/2145 (Anna Hofmann); StaH 351-11 (AfW), Eg 091175 (Arnold Hofmann); StaH 351-11 (AfW), Eg 041105 (Anna Hofmann); StaH 332-5 4157 7/1944; AB 1910, 1913, 1918, 1921 (A. Hofmann); Honorarkonsulat Slowakei (Hamburg), Auskunft zu Staatsangehörigkeitsregelungen und Vorname, Januar 2010; Ortsamt Sobotiste/Slowakei, Familienbuch u. Heiratsurkunde 1902; Wamser, Weinke, Ehemals in Hamburg zu Haus: Jüdisches Leben am Grindel, Hamburg 1991, S. 63.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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