Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Dr. Julius Lewinnek * 1874

Kreuzweg 12 (Hamburg-Mitte, St. Georg)

1943 Sobibor
deportiert aus den Niederlanden

Weitere Stolpersteine in Kreuzweg 12:
Paula Lewinnek

Dr. Julius Lewinnek, geb. 23.3.1874 in Neustadt b. Danzig
Paula Lewinnek, geb. Kahn, geb. 28.2.1885 in Eschwege/Werra
Jüdisches Ehepaar, deportiert aus dem KZ Westerbork, Niederlande, am 25.5.1943 ins Vernichtungslager Sobibor, dort ermordet am 28.5.1943

letzte Wohnadresse: Kreuzweg 12 (früher: 26)

Das Ehepaar Julius und Paula Lewinnek lebte mit seinen Töchtern Ilse und Edith seit 1900 im Kreuzweg 26 in St. Georg. Julius Lewinnek hatte an den Universitäten Würzburg und Berlin Medizin studiert und eröffnete 1903/04 eine Arztpraxis am Pulverteich 2, nicht weit von seiner Wohnung. Bei Julius Lewinnek wird es sich um einen weithin bekannten und geachteten Bürger des Stadtteils gehandelt haben, war er doch seit mindestens 1923 Mitglied des Bürgervereins zu St. Georg. Im Ersten Weltkrieg diente er als Oberstabsarzt und in der Zeit der Weimarer Republik hatte er eine gutgehende Arztpraxis. Seine wirtschaftliche und soziale Situation verschlechterte sich aber – wie bei allen jüdischen Ärzten – nach 1933 durch die Auswirkungen der diskriminierenden beruflichen Einschränkungen des NS-Regimes. Mit Wirkung vom 1. Januar 1938 wurde ihm die Kassenzulassung entzogen und am 30. September 1938 folgte die Rücknahme der Bestallung als Arzt.

Aufgrund dieser bedrückenden Lage entschloss sich das Ehepaar Lewinnek Anfang 1939 zur Emigration in die Niederlande. Seine Tochter Ilse (geb. 1908), die den Arzt Julius Rosenberg geheiratet hatte, und deren Kind Irene waren bereits 1937 in die Niederlande geflohen (s. dazu die Stadtteilbroschüre Hamm) und die zweite Tochter Edith (geb. 1911), die Medizin studiert hatte, war 1938 in die USA ausgewandert, wo sie später ebenfalls als Ärztin tätig wurde. Für die Auswanderung musste die Familie einen enorm hohen Preis an den NS-Staat zahlen: Den Eltern wurde eine "Reichsfluchtsteuer" von 8240 RM und eine "Judenvermögensabgabe" von 13000 RM auferlegt, außerdem wurden sie gezwungen, ein Sperrguthaben von 25800 RM an die Deutsche Golddiskontbank zu verkaufen, wovon allein 94 Prozent als "Transferabschlag" an das Reichswirtschaftsministerium ging, wobei die Lewinneks nicht einmal von dem restlichen Erlös etwas erhalten haben sollen.

Selbst auf das für die Tochter Edith zurückgelegte Geldvermögen und die angeschafften medizinischen Instrumente wurde eine "Reichsfluchtsteuer" von 6211 RM erhoben und eine Abgabe für die Mitnahme von Umzugsgut in Höhe von 1072 RM gefordert. In den Niederlanden war das Ehepaar unter dem deutschen Besatzungsregime im KZ Westerbork inhaftiert und wurde von dort am 25. Mai 1943 in das Vernichtungslager Sobibor in Polen deportiert, wo es offenbar kurz nach seiner Ankunft den Tod fand. Ein ähnliches Schicksal erlitt auch die Tochter Ilse, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter ebenfalls in Westerbork interniert und später nach Osten deportiert wurde.

© Benedikt Behrens

Quellen: 1; 4; AfW, Entschädigungsakte; AB 1939; Verzeichnis der jüdischen Ärzte, Zahnärzte, Dentisten, Bandagisten, Optiker in Hamburg, Altona, Wandsbek, o.O., o.J.; Villiez, Anna von, Die Verdrängung der jüdischen Ärzte Hamburgs aus dem Berufsleben 1933-1945, M.A. Examensarbeit, Universität Hamburg, 2002, S. 181; Joho, Michael (Hg.), St. Georg lebt! 125 Jahre Bürgerverein St. Georg – ein Lese-Bilder-Buch, Hamburg 2005, S. 54–56.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang