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Moric Solymos * 1882

Husumer Straße 14 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)

1941 Minsk
HIER WOHNTE
MORIC SOLYMOS
JG. 1882
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Husumer Straße 14:
Marie Henschel, Margarethe Reyersbach, Bertha Solymos

Moric (Maurice) Solymos, geb. 19.11.1882 in Komarom bei Temesvar/Ungarn, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Bertha Solymos, geb. Haagen, geb. 16.10.1886 in Lübeck, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert

Husumer Straße 14

Moric Solymos stammte aus einer Familie wohlhabender ungarischer Juden. Sein Vater war Ignatz Solymos. Seine Mutter Julie Solymos, geborene Zietz, war deutscher Herkunft.

Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann in Ungarn machte sich Moric als junger Mann nach Hamburg auf, um hier sein Glück zu suchen. Er fand einen Posten als Angestellter im Bankhaus Valk und lernte die protestantische Lübeckerin Bertha Haagen kennen.

Am 27. Februar 1908, Solymos war unterdessen deutscher Staatsbürger geworden, heirateten die beiden, zugleich trat Bertha zum jüdischen Glauben über.

Es wurden drei Kinder geboren: 1909 Heinz-Gustav, 1917 Fritz und 1922 Waltraud Marion.

Auch beruflich ging es gut voran. Um 1912 wurde Moric Solymos Leiter der Wechselstube der Firma Commerzienrat Jaeger im Hauptbahnhof (die auch die Bahnhofsgaststätten betrieb). Es deutet einiges darauf hin, dass er an der Firma beteiligt war. 1926 ging die Wechselstube in den Besitz der Deutschen Verkehrs-Kreditbank Frankfurt/Main über. Solymos behielt nicht nur den einträglichen Posten, sondern vereinbarte sogar eine "Sondergehaltsregelung", sodass er verschiedentlich auf ein Jahresgehalt von stattlichen 12000 RM kam. Der Lebensstil der Familie hob sich weiter.

Noch im selben Jahr 1926 zog sie mit den drei Kindern aus der zu eng gewordenen Wohnung in der Marienthaler Straße 157 (Hasselbrook) in die feinere und wesentlich geräumigere Husumer Straße 14, zweite Etage, sechseinhalb Zimmer. Es war nun ständig ein Dienstmädchen im Haus, zeitweilig zusätzlich ein Kindermädchen vor allem für die Jüngste. Man besuchte häufiger Konzerte, ging ins Theater und unternahm ausgedehnte Auslandsreisen, wiederholt nach Ungarn und speziell nach Budapest. Dort lebte ein Bruder von Moric, der Rechtsanwalt Sandor Solymos. Er verwaltete mehrere Häuser, die Moric dort erworben hatte.

Die Kinder bekamen Klavierunterricht, ein edler Konzertflügel und ein Klavier wurden angeschafft.

Durch Willy Haagen, den Bruder von Bertha Solymos, sind wir gut über die Ausstattung der Wohnung unterrichtet. Willy Haagen, 1892 geboren, war in Hamburg Justizinspektor und als Gerichtsvollzieher tätig. Somit hatte er einen professionellen Blick für Einrichtungsgegenstände und deren Wert. Er besuchte die Familie seiner Schwester oft, vor allem während der NS-Zeit, und er half auch, die Möbel und Dinge der Familie Solymos aufzulisten, wie es von den Verfolgten vor ihrer Deportation verlangt wurde. Er erinnerte sich an sehr kostbare Gegenstände, zum Beispiel an ein echtes Biedermeierzimmer aus dem Besitz des Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz, das Moric auf einer Auktion erworben hatte, an erlesene Orientteppiche (ein anderer Bruder von Moric, Karl Solymos, war Teppichhändler), an schweres Silbergerät, feinste Porzellane und an viele andere Zeugnisse des luxuriösen Lebensstils.

Als Willy Haagen in der Nacht vom 7. zum 8. November 1941, der letzten Nacht von Moric und Bertha vor ihrer Deportation, mit ihnen noch einmal durch die Wohnung ging und die Bestandslisten kontrollierte, war von dem einstigen Reichtum kaum noch etwas übrig geblieben.

Aufgrund der sogenannten Rassenbestimmungen war Moric Solymos von der Deutschen Verkehrs-Kreditbank bereits zum 1. Dezember 1933 entlassen worden. Die letzte Gehaltsabrechnung vom November wies ein bereits schmaler gewordenes Bruttoeinkommen von 623,39 RM aus. Hochgerechnet ergibt das ein Brutto-Jahreseinkommen von 7488 RM, was immerhin noch dem Einkommen eines Beamten im gehobenen Dienst entsprach. So sehr er sich bemühte, Solymos fand keine neue Anstellung. Das in Deutschland angelegte Vermögen war durch die "Sicherheitsverordnungen" der NS-Behörden gesperrt, das Vermögen in Un­garn nicht verfügbar. Die Familie war ohne Einkünfte. Solymos war jetzt 51 Jahre, Bertha 47. Die beiden jüngeren Kinder waren elf und 16 Jahre alt.

Lediglich der Älteste, Heinz, der sein Medizinstudium abgeschlossen und die Promotion abgelegt hatte, verfügte Ende 1933 als Famulus bei dem Arzt Korten über ein Einkommen. Seit 1936 steuerte auch Sohn Fritz bei. Er war als kaufmännischer Angestellter in der Firma Davidson untergekommen und verdiente zunächst monatlich 75 RM brutto, seit November 95 RM. Diese Summe war so bescheiden, dass er auf der Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde als nicht abgabepflichtig vermerkt war.

1936 wurde erstmalig auch für Moric Solymos eine solche Karte angelegt. Er ist darin als Arbeitsloser ohne Vermögen und Einkünfte registriert, Unterstützung durch die Gemeinde wird erwähnt. Möglicherweise trat Moric Solymos erst in der Not der Gemeinde bei. Und die Not nahm zu. Zunächst waren die Haushaltshilfen entlassen worden, dann rückte die Familie enger zusammen und vermietete erst ein, dann zwei Zimmer, möbliert, an andere Juden. Bertha besann sich auf ihre Fertigkeiten als Bridgespielerin und erteilte Unterricht. Es reichte nicht. Berthas Bruder Willy half, so oft er konnte, mit ein paar Scheinen. Es begann der Verkauf des Mobiliars, und das weit unter Wert. Denn viele dachten sich: Warum sollten wir, die "Arier", dem Juden das schöne Geld zahlen, wenn der verkaufen muss.

Aus den eidesstattlichen Aussagen von Willy Haagen geht hervor, dass zum Beispiel das Biedermeierzimmer, das zu jener Zeit gut 10000 RM wert war, lediglich 2000 RM brachte. Ähnlich war es mit dem Konzertflügel. Er hatte 12000 RM gekostet und musste für ebenfalls 2000 RM verschleudert werden. Ein Teil der Wohnungseinrichtung wurde ohne jegliche Bezahlung beschlagnahmt. So verschwanden ein Radio bester Qualität Marke Schaub, das 24-teilige Silberbesteck, es verschwanden die schweren Leuchter und was sonst noch aus Edelmetall war.

Im sogenannten Wiedergutmachungsverfahren (1953 bis 1957) sagte Willy Haagen unter Eid: "Den Wert der verschleuderten Gegenstände insgesamt schätze ich auf mindestens 150000 RM. Hinzu kommt der Wert der beschlagnahmten und der bei der Deportation zurückgelassenen Gegenstände." Der Erbengemeinschaft der drei Kinder wurden 1958 insgesamt 4000 DM an Entschädigung ausgezahlt.

Die Kinder Solymos hatten in den USA überlebt: Heinz, der seinen Namen in Henry Sommer änderte, wanderte 1938 nach Baltimore aus. Fritz, der seinen sehr deutschen Vornamen ungarisierte und sich Frigyes Ernö nannte, kam 1939 über Tientsin/China und San Domingo nach Newark/NY. Waltraud entkam als 18-Jährige 1940, ebenfalls nach Baltimore.

Nach der Flucht der Kinder war es sehr einsam um Moric und Bertha geworden. Außer zu Willy Haagen, der immer wieder zu Besuch kam und den beiden beizustehen versuchte, gab es keine Kontakte mehr nach draußen.

Im September 1941 erging der Befehl, von nun an den "Judenstern" zu tragen.
Später wurden Moric und Bertha Solymos per Post aufgefordert, sich auf das Verlassen der Wohnung und ihre Ausreise am 8. November vorzubereiten. Ein Ziel wurde nicht genannt. Genannt wurde der Sammelplatz: Logenhaus an der Moorweide.

968 Menschen wurden an diesem Tag von Hamburg nach Minsk verschleppt.
Moric und Bertha Solymos gelten als in Minsk verschollen. Vom Amtsgericht Hamburg wurde als Todesdatum der 8. Mai 1945 festgelegt.

Von Willy Haagen existiert eine Aussage vom 31. Dezember 1953. Sein Sohn Günther, geboren 1923, arbeitete 1945 als Sachbearbeiter bei der "Notgemeinschaft der durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen" in Hamburg. Eines Tages habe Günther zuhause erzählt: Ein junger Mann, 15 Jahre, sei in der Notgemeinschaft erschienen und habe berichtet, er habe im Judenlager Minsk mit seinem Vater und einem Ehepaar Solymos zusammen in einem Raum gelebt. Der Mann, Moric, sei an Entkräftung gestorben. Die Witwe, Bertha mit Namen, habe die weitere Arbeit verweigert und sei nach Auschwitz deportiert worden, zusammen mit seinem Vater.

Willy Haagen gab den Bericht unter Eid ab. Unglücklicherweise habe sein Sohn versäumt, nachzufragen und mit dem Informanten in Kontakt zu bleiben. Eine Jahreszahl für das Geschehen wurde nicht genannt.

© Johannes Grossmann

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaH 351-11 AfW, 6315; StaH 332-8 Meldewesen, A 51/1 (Moric Solymos und Bertha Solymos).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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