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Bereits verlegte Stolpersteine



Hella Müller mit Ehemann Georg und Sohn Siegmund ca. 1910
© Privatbesitz

Hella Müller (geborene Jacobson) * 1866

Neumünstersche Straße 32 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)

1942 Theresienstadt
1942 Treblinka ermordet

Weitere Stolpersteine in Neumünstersche Straße 32:
Otto Hammerschlag, Nanny Hammerschlag

Hella Müller, geb. Jacobson, geb. 1.10.1866 in Ribnitz, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 21.9.1942 nach Treblinka weiterdeportiert

Neumünstersche Straße 32

Hella Müllers Eltern, der Kaufmann Julius Jacobson und seine Ehefrau Mathilde, geb. Jacobson, stammten beide aus Crivitz in Mecklenburg.

Julius Jacobson war der Sohn des Kaufmanns Levi Jacobson und seiner Ehefrau Henriette, geb. Liebreich. Er starb am 28. Mai 1909 im Alter von 76 Jahren in Ribnitz.

Wahrscheinlich war er 1862 als "Kaufmann aus Crivitz" Schutzbürger und 1868 Bürger in Ribnitz geworden. Unter diesen Daten ist im Bürgerbuch ein Jacob Jacobson verzeichnet. Da es nur einen Jacobson in Ribnitz gab, ist anzunehmen, dass es sich um Julius handelte.

Hellas Mutter Mathilde Jacobson war die Tochter des Kaufmanns Abraham Jacobson und seiner Frau Elise, geb. Liebreich. Es scheint so, als ob Hellas Großväter Brüder waren und die Schwestern Liebreich – Hellas spätere Großmütter – heirateten.

Mathilde Jacobson starb am 21. Mai 1909, sieben Tage vor ihrem Mann. Sie war 69 Jahre alt.

Hella Müller hatte eine zwei Jahre jüngere Schwester, Erna, die am 24. September 1864 ebenfalls in Ribnitz geboren wurde. Sie heiratete 1886 den Kaufmann Max Marcus aus Schwan und soll irgendwann nach Berlin gezogen sein. Über ihr weiteres Leben ist uns nichts bekannt. Paul Kühl schrieb in der "Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz" 1933: "Die Firma Julius Jacobson … hat auch lange Zeit in der Langen Straße 37 … als Manufakturwarengeschäft bestanden. Jacobson … war nebenbei Vertreter der Mecklenburgischen Bank, Schwerin, und hat manchem in Not befindlichen Ribnitzer mit Rat und Tat geholfen. Er gehörte viele Jahre dem Vorstand der Kleinkinderschule an." Die Kleinkinderschule war der 1874 gegründete erste Kindergarten der Stadt. Hier engagierten sich auch andere jüdische Familien. Zur Zeit von Hellas Geburt gab es in Ribnitz ca. 20 jüdische Familien. Die Anzahl der Personen schwankte in den Jahren 1860 bis 1900 zwischen ca. 50 und 90 mit sinkender Tendenz, so die Auskunft des Stadtarchivs.

Hella Jacobson heiratete am 11. Februar 1891 in erster Ehe den Kaufmann Albert Meyer, geb. 7. Juli 1860 in Grünberg, aus Berlin. Vermutlich zog sie mit ihm nach Berlin. Bereits nach einem Jahr wurde die Ehe vom Landgericht I Berlin wieder geschieden. Hella kehrte daraufhin nach Ribnitz zurück.

Am 28. Juli 1896 heiratete sie den ebenfalls geschiedenen Georg Müller aus Hamburg, geb. 1. Juli 1855 in Hamburg. Er war der Sohn des Kaufmanns Selig Gerson Müller und seiner Frau Fanny, geb. Burchard. Georg Müller hatte einen Sohn aus erster Ehe – Hans –, der später mit seiner Familie in die USA emigrierte.

Im November 1897 bekamen Hella und Georg einen Sohn, den sie Siegmund Jacob nannten. Die Halbbrüder Hans und Siegmund hatten eine sehr enge Beziehung, und auch ihre Kinder später – Hans‘ Tochter Ruth, ca. 1919 geboren, und Siegmunds Sohn Wolfgang (2 Jahre jünger) – mochten sich sehr. Wolfgang Müller erin­nerte sich an gemeinsame Besuche mit Ruth bei seiner Großmutter. Allerdings sei er selten bei ihr gewesen. Hella Müller lebte damals (wahrscheinlich Anfang bis Mitte der 1930er Jahre) sehr zurückgezogen und kam dem Kind langweilig und farblos vor. Gegenüber den Christen in der Familie sei sie distanziert gewesen, praktizierte ihren Glauben aber nicht streng. Der Groß­vater Georg Müller soll witzig und spritzig gewesen sein, starb aber wahrscheinlich schon vor Wolfgangs Geburt. Er handelte mit Tabakwaren und betrieb einen Tabakladen in der Nähe der Neumünsterschen Straße.

Hans und Siegmund waren beide von Beruf Exportkaufmann.

Siegmund hatte durch seine berufliche Tätigkeit als Überseereisender Kontakte in verschiedene Länder. Ende 1938 entging er dem Pogrom, indem er von einer Geschäftsreise nicht nach Hause zurückkehrte, sondern stattdessen in die Schweiz fuhr. Dank der Hilfe seiner dortigen Arbeitgeber konnte er mit seiner Familie 1939 nach Kolumbien auswandern. Sein Sohn Wolfgang arbeitete mit ihm im Büro. Als Siegmund 1943 durch einen Blitzschlag ums Leben kam, führte dieser die Geschäfte weiter. In den 1970er Jahren kehrte er nach Hamburg zurück, um hier seine zweite Lebenshälfte zu verbringen.

Auf Hella Müllers Kultussteuerkartei, die 1913 angelegt wurde, sind für sie folgende Adressen eingetragen: Eilbek, Friedenstraße, dann entsprechend dem Hamburger Adressbuch von 1933 Neumünstersche Straße 32. Dies wird ihr letzter frei gewählter Wohnsitz gewesen sein, danach wohnte sie wahrscheinlich aus finanzieller Not zur Untermiete bei Rosenstein in der Bogenstraße 63, 2. Stock. Nach nur sechs Wochen zog sie im August 1936 in die Innocentiastraße 21, im Oktober 1938 in den Harvestehuder Weg Nr. 105. Ab Mai 1942 fand sie Unterkunft im Jüdischen Altersheim in der Schäferkampsallee 27. Von dort musste die 76-Jährige die Fahrt ins Getto Theresienstadt antreten.

© Sabine Brunotte

Quellen: 1; 7; 8; StaH 351-11 AfW, 020697 Helene Müller; StaH 351-11 AfW, 19335; Auskunft Stadtarchiv Ribnitz-Damgarten, E-Mails vom 28. und 29.6.2010; Auskunft Wolfgang Müller, aufgezeichnet von Sabine Heydn am 9.7.2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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