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Bertha Oppens (geborene Schreyer) * 1883

Am Ochsenzoll 62 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


HIER WOHNTE
BERTHA OPPENS
GEB. SCHREYER
JG. 1883
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Am Ochsenzoll 62:
Paul Oppens

Bertha Oppens, geb.Schreyer, geb. am 15.10.1883 in Lissa/Leszno, deportiert am 24.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 12.10.1944 nach Auschwitz und ermordet

Dr. Paul Oppens, geb. am 21.1.1883 in Hamburg, deportiert am 24.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 12.10.1944 nach Auschwitz und ermordet

Am Ochsenzoll 62

Paul Siegmund Ernst Oppenheim kam am 21. Januar 1883 als jüngster Sohn von Emilie, geb. Wolfers, und Julius Oppenheim in der Straße An der Koppel 94 im Stadtteil St. Georg nahe der Außenalster zur Welt. Er war ein Nachkömmling, seine Mutter war bereits vierzig, sein Vater vierundfünfzig Jahre alt.

Der Vater Joseph/später Julius Oppenheim, geb. am 27. September 1828, stammte aus Echte/Harz und war der Sohn von Ester, geb. Marcus, und Isaak Oppenheim. Er hatte wie sein älterer Bruder Martin die Jacobson-Schule in Seesen besucht, die erste amtliche interkonfessionelle Schule in Deutschland seit 1805. Mit 22 Jahren ging Joseph Oppenheim nach Hamburgört; seit November 1854 gehörte er der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburgs an und erwarb die Hamburger Staatsbürgerschaft. Er wohnte in der Altstadt, Schauenburgerstraße 13. Auch sein zehn Jahre älterer Bruder Martin, früher Meyer Oppenheim, hatte sich in Hamburg niedergelassen und drei Jahre nach ihm die Hamburger Staatsbürgerschaft erhalten. Martin Oppenheim war mit Rosalie, geb. Behrmann, aus Coblenz seit 1857 verheiratet und führte ein Commisionsgeschäft mit Ledertuch- und Gummiwaren. Julius Oppenheim hatte, nachdem er bei Jacob Friedländer und der Firma Saalfeld & Israel beschäftigt gewesen war, bei ihm gearbeitet und auch das Geschäft in der Bohnstraße 19 mit geführt.

Nach einigen Jahren trennten sich die Brüder, Martin Oppenheim betrieb nun das Ver-kaufslager für Ledertuch- und Gummiwaren, Panamahüten und Foulards (Seidentücher) am Alterwall 28 und Julius Oppenheim in der Nachbarschaft am Alterwall 43 ein Herrenartikel, Ledertuch- u. Gummiwaren-Lager. Im Januar 1862 nahm Julius Oppenheim den aus Friedberg stammenden Hamburger Staatsbürger und Kaufmann Joseph Rappolt als Teilhaber mit in sein Geschäft auf. Als "Oppenheim & Rappolt" entwickelte sich die Firma erfolgreich weiter.

Am 27. Mai 1863 hatten sich Emilie Wolfers und Julius Oppenheim in Minden trauen lassen. Emilie, geb. am 12. Mai 1842 in Minden, stammte aus einer angesehenen Kaufmannsfamilie. Ihr Vater Salomon Philipp Wolfers hatte ein Manufakturwarenhandelsgeschäft in der Honstraße 93 und gehörte der Stadtverordnetenversammlung in Minden an. Ihre Mutter Betty Wolfers, geb. Heine, stammte aus der Linie der Familie Heine aus Bückeburg, der auch Salomon Heine und der Dichter Heinrich Heine angehören.
Etliche Verwandte der Familie Wolfers waren nach Hamburg übergesiedelt: Der Cousin von Emilie, Eduard Wolfers, hatte im Jahre 1869 zusammen mit Moses Salomon Schönfeld die Handelsgesellschaft Schönfeldt & Wolfers für Leinen und Teppiche gegründet. Auch ihr Bruder Ernst Wolfers ließ sich nach seiner Heirat um 1890 mit einer Firma in der Hansestadt nieder.

Emilie und Julius Oppenheim bekamen vier Söhne: Paul Oppenheim wuchs mit seinen drei wesentlich älteren Brüdern in Hamburg auf, dem sechzehn Jahre älteren Richard, geb. am 17.3.1866, dem elf Jahre älteren Georg Wilhelm, geb. am 1.7.1871, und dem sechs Jahre älteren Franz Johann, geb. am 7.3.1876. Sie waren wie Paul in Hamburg-St. Georg zur Welt gekommen.

Die Oppenheim-Söhne lösten sich offiziell von der Deutsch-Israelitischen Gemeinde: Am 17. April 1891 erklärte der älteste Bruder Richard seinen Austritt aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde. Der achtjährige Paul und sein Bruder Franz wurden am 25. Oktober 1891 von Pastor Rode (vermutlich Friedrich Rode, Politiker und späterer Hauptpastor der St. Petri Kirche) in der Heiligen Dreieinigkeitskirche, St. Georg, evangelisch getauft. Taufzeuge war ihr Cousin Rudolph Oppenheim.

Anfang des Jahres 1892 schied Pauls Vater Julius Oppenheim aus der Firma Oppen-heim & Rappolt aus und das väterliche Geschäft ging auf den Teilhaber Joseph Rappolt über. Dessen älteste Söhne Paul und Arthur Rappolt, denen schon 1879 Prokura erteilt worden war, rückten als Mitinhaber nach. Die angesehene Firma wurde später in "Rappolt & Söhne" umbenannt.

Pauls Familie zog von der Koppel in das Einzelhaus Hamburgerstraße 97. Die Zeit, in der die Familie dort gemeinsam wohnte, währte nur etwa zwei Jahre. Paul war gerade zwölf Jahre alt, als er seinen Vater verlor. Der Rentner Julius Oppenheim verstarb mit 66 Jahren am 9. März 1895 an den Folgen einer Gehirngefäßerkrankung während eines Besuches bei seinem Neffen, dem Amtsrichter Rudolph Oppenheim, Sohn seines Bruders Martin Oppenheim.

Pauls ältester Bruder Richard, der wie sein Vater den Kaufmannsberuf gewählt hatte, wurde in dieser Zeit Mitinhaber der Firma "Oppenheim & Co, M. Rosenstirn Nachf.". Im November 1896 heiratete er die evangelisch-lutherische Ida Zimmermann. Richard Oppenheim bezeichnete sich inzwischen als "confessionslos". Im Jahre 1898 führte er als alleiniger Inhaber die Fa. "Richard Oppenheim", Agentur und Commission.

Pauls Bruder Georg hatte nach Ablegen der Reifeprüfung 1889 an der Gelehrtenschule des Johanneums im Wintersemester 1891/92 mit dem Studium zum cand. rer. techn. in Hannover begonnen. Ende 1892 wechselte er zum Studium nach München an die technische Universität und erwarb im September 1896 den Titel des Ingenieurs. Im folgenden Winter studierte er in Zürich Philosophie; 1898 verzog er nach Paris.

Pauls Bruder Franz hatte ebenfalls die Gelehrtenschule des Johanneums besucht und dort Anfang 1894 die Reifeprüfung bestanden. Er absolvierte das Studium der Rechts-wissenschaften in München, Leipzig und Kiel. Nach seinem Assessorexamen arbeitete er in der Hamburger Finanzverwaltung.

Paul Oppenheim war wie seine Brüder Georg und Franz Schüler an der Gelehrtenschule des Johanneums; im Herbst 1901 legte er dort erfolgreich die Reifeprüfung ab. Seiner Militärpflicht als Einjährig-Freiwilliger genügte er in München von Oktober 1902 bis zum Oktober 1903.

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften – vor dem Militärdienst an der Ludwig-Maximilians-Universität München, danach jeweils ein Jahr an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel – wurde er als geprüfter Rechts-kandidat am 1. Dezember 1905 zum Hamburger Staatsbürger vereidigt.

Seine Mutter erlebte dies nicht mehr: Emilie Oppenheim verstarb Anfang des Jahres, am 2. Januar 1905, an einer Nieren- und Hirnhautentzündung. Der Arzt Rudolf Borgzinner (Biografie siehe www.stolpersteine-hamburg.de) hatte sie seit Weihnachten 1904 behandelt. Sie war 62 Jahre alt.
Ihr Grabmal mit ihrem Bronzeporträt auf dem Ohlsdorfer Friedhof wurde von ihrem Sohn Georg Oppenheim "Artaval" gestaltet.

Pauls Bruder Georg Oppenheim arbeitete inzwischen als Bildhauer unter dem Künstlernamen "Artaval" (Zusammensetzung aus König Arthur und Parzival), den er 1902 während eines Rom-Aufenthaltes gewählt hatte. Georg hatte längere Zeit unter dem spirituellen Einfluss von Ludwig Derleth, Dichter aus München, gestanden, der in Rom Theologie studiert hatte und einen eigenen Tempelorden gründen wollte. Für zwei Jahre soll Georg von Derleth in ein Kloster nach Jerusalem geschickt worden sein. Spirituelle Erfahrungen hatte er auch auf einer Reise nach Tibet gesammelt, von der er als buddhistischer Lama zurückgekommen war. Danach hielt er sich in Paris in Künstlerkreisen auf, häufig im Café du Dôme, einem damals bekannten Treffpunkt. Zu seinen Freunden gehörten Künstler der Academie Matisse, wie auch der bekannte Hamburger Maler Friedrich Ahlers-Hestermann, "Mitglied des Hamburgischen Künstlerclubs von 1897" und Mitbegründer der "Hamburger Sezession".

Paul Oppenheim bestand seine 1. juristische Prüfung am 24. November 1905 in Kiel. Während seiner Referendarszeit in Hamburg ab 1. Dezember 1905 wohnte er bei seinem Bruder Franz Oppenheim in der Lübeckerstraße 49a, 1. Stock. Von März bis September 1907 arbeitete Paul Oppenheim als Referendar bei der Allgemeinen Armenanstalt. Er wurde am 17. März 1908 an der Universität Leipzig promoviert. Seine Dissertation hatte den Titel "Die Aussteuer nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich". Im Jahr darauf bestand er die 2. juristische Prüfung vor dem Oberlandesgericht Hamburg und wurde am 30. Juni 1909 zum Assessor ernannt.

Damit waren die Voraussetzungen für eine Existenzgründung gegeben. Der "Gerichtsassessor Doctor juris" Paul Oppenheim heiratete in Berlin-Schöneberg am 2. Oktober 1909 Emma Charlotte Helene, geb. Behrend, geb. am 26.11.1888 in Berlin. Die 21-jährige Braut Helene hatte keinen Beruf erlernt und war, wie er, evangelisch getauft und jüdischer Herkunft. Sie war die Tochter von Elise, geb. Schiff, und des Kaufmanns Ludwig Behrend. Paul Oppenheim bat die "Hochlöbliche Senatskommission für die Justizverwaltung Hamburg" um einen Monat Urlaub, um mit seiner Braut auf Hochzeitsreise ins Ausland gehen zu können, nicht jedoch ohne den Zusatz: "... Sollte sich während der Dauer meines Urlaubs Gelegenheit bieten, mich beim Amtsgericht, bei der Staatsanwaltschaft oder bei der Verwaltung zu beschäftigen, so wäre ich selbstverständlich bereit, meinen Urlaub sofort abzubuchen und mich zur Verfügung der Hochlöblichen Senatskommission für die Justizverwaltung zu stellen ..." Doch die Hochzeitsreise verlief ohne Unterbrechung. In Hamburg wohnte das junge Paar zunächst am Mundsburgerdamm 61.

Pauls ebenfalls promovierter Bruder Franz Oppenheim hatte im Jahre 1909 geheiratet. Seine Ehefrau Elisabeth, geb. Friedrichs, stammte aus Springe. Mit ihr bekam er zwei Kinder, Kurt, geb.1910, und Gisela, geb.1912, beide geboren in Hamburg.

Paul Oppenheim erhielt 1910 die Ernennung zum Notar. Eine Zeit lang arbeitete er in Vertretung für die Sozietät Asher & Becker, Börsenbrücke 2a, Sauernheimerhof, Hochparterre. Nach dem Ausscheiden von Heinrich Asher wurde er als Sozius in die Sozietät Kanzlei von J.O.A. Becker aufgenommen.

Die Familie Oppenheim entschloss sich, den auf die jüdische Herkunft verweisenden Familiennamen zu ändern und reichte die entsprechenden Anträge beim Senat ein.
Dieser gestattete durch Senatsbescheid vom 9. Mai 1911, fernerhin den Familiennamen Oppens zu führen. Auch seine Brüder und sein Cousin Rudolph nahmen nun den Namen Oppens an (sein Bruder Georg erst im Mai 1920).

Paul Oppens war inziwschen mit seiner Ehefrau Helene in den Woldsenweg 8, 2. Stock, verzogen. Wirtschaftlich ging es ihnen gut, im Sommer 1911 verbrachten sie einen Urlaub im Ausland.

Nach dem Ausscheiden des Sozius Becker trat im Februar 1914 Arnold Heineberg als Sozius in die Kanzlei von Paul Oppens ein. Kurz darauf erlitt Paul Oppens einen schweren Schicksalsschlag: Nach nur vier Ehejahren verstarb seine Ehefrau Helene am 5. April 1914 in der Wohnung ihrer Eltern, Bambergerstraße 18, Berlin-Schöneberg an den Folgen einer Eileiterschwangerschaft. Helene Oppens war 25 Jahre alt.

Einige Monate später meldete sich Paul Oppens zum Militär und nahm ab September 1914 am 1. Weltkrieg teil, zunächst als Leutnant der Landwehr, am Ende des Krieges als M.G.K. Kompanie Führer. Gemeinsam mit seinem Sozius Arnold Heineberg, Inhaber des Eisernen Kreuzes, wurde ihm im Juni 1916 das Hanseatenkreuz verliehen. Zwei Monate später erhielt er das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Nach dem Kriege gründete Paul Oppens mit mehreren Kameraden den "Verein ehemaliger Angehöriger des L.I.R.86 und 382 e.V." Als Vorstandsmitglied und Schriftführer gehörte er dem Verein bis zum Erlass der Nürnberger Gesetze an.

Fünf Jahre nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratete Paul Oppens am 3. Dezember 1919 in Breslau die gleichaltrige Bertha, geb. Schreyer, verwitwete Perl. Als Trauzeugen fungierten sein Bruder Franz aus Hamburg und der 45-jährige Kaufmann Leon Mendel aus Beuthen, Oberschlesien.
Bertha, geb. Schreyer, war am 15. Oktober 1883 in Lissa/Leszno in der Reisnerstraße 265 als Tochter von Marie, geb. Mankievicz, und dem Kaufmann Moritz Schreyer zur Welt gekommen. Ihr erster Ehemann Rechtsanwalt Leo Perl, geb. 2.9.1870 Beuthen, war als Leutnant der Landwehr im 1. Weltkrieg 1915 getötet worden. Sie wohnte in Breslau, Menzelstraße 82 (heute ul. Sztabowa). Ihr Vater Moritz Schreyer, Bankier und ehrenamtlicher Stadtrat, hatte bis zu seinem Tod 1918 als Flottenwart dem Flottenverein angehört. Ihre Mutter Marie Schreyer, geb. Mankievicz, lebte ebenfalls in Breslau. Bertha war wie Paul Oppens jüdischer Herkunft und evangelisch-lutherisch getauft. Stets war sie in der sozialen Hilfsarbeit tätig gewesen, während des ersten Weltkrieges im nationalen Frauendienst in Breslau. In Anerkennung ihres Einsatzes hatte sie Urkunden sowie das Ver-dienstkreuz erhalten.

Paul Oppens’ Bruder Georg Oppenheim, der während des ersten Weltkrieges in französische Zivilgefangenschaft geraten war, kehrte für einige Zeit nach Hamburg zurück. Der mit ihm befreundete Hamburger Maler Friedrich Ahlers-Hestermann schuf 1919 ein bekanntes Porträt von ihm, das Ölgemälde "Artaval".

1920 war Georg, der nun auch Oppens hieß, als Student der Medizin im Melderegister in der Wedelerchaussee 97 eingetragen. Er gehörte dem "Verein der ehemaligen Abiturien-ten" des Johanneums an. Ende des Jahres 1921 verzog er nach München. Im dortigen Polizeimeldebogen ist er als Katholik verzeichnet. An der Technischen Hochschule München erwarb er im April 1922 den Titel des Diplomingenieurs. Im selben Jahr erschien in den Marginalien der Galerie Flechtheim ein Brief vom Mai 1914 des mit ihm befreundeten Malers Rudolf Levy "Mein lieber Artaval". Darin beschreibt er das Pariser Künstlerleben mit Georg Oppenheim "Artaval", und es ist zu erfahren, dass er für ihn mit Frack und Blumenstrauß oder weißem Farmeranzug vor einer Palme Modell gestanden hatte. In anderen Ausgaben verewigten namhafte Künstler, wie Fritz Westendorp, Jules Pascin und Rudolf Großmann "Artaval" in ihren Zeichnungen.

Bertha und Paul Oppens lebten zu dieser Zeit in Hamburg-Harvestehude, Jungfrauenthal 26, 3. Stock. Wie aus der Beschreibung in den Passprotokollen aus dem Jahre 1922 zu erfahren ist, waren beide mittelgroß, hatten dunkle Haare und braune Augen.

Wie Paul Oppens verlor auch sein Bruder Franz seine erste Ehefrau früh auf tragische Weise. Elisabeth Oppens, geb. Friedrich, wurde an ihrem 32-sten Geburtstag am 17. März 1922 nachmittags um 4:00 Uhr im Heuhafen Altona tot geborgen. Es wurde vermutet, sie habe sich das Leben genommen. Ihre Kinder Kurt und Gisela waren zwölf und zehn Jahre alt. In der folgenden schweren Zeit wohnte sein Bruder, der Bauingenieur Georg Oppens, eine Zeit bei ihm in der Elbchaussee 48a in Nienstedten.

Bertha und Paul Oppens bestiegen am 20. Februar 1925 im Hamburger Hafen das Dampfschiff "Antonio Delfino" der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft für eine Urlaubsreise nach Santa Cruz de Tenerife. Mit an Bord befanden sich der Rechtsanwalt Albert Wulff und Ehefrau Clara, geb. Arnstedt, sowie etliche Kaufleute aus Hamburg und Bremen.

Im folgenden Jahr verstarb Pauls Bruder Georg Oppens kurz vor seinem 55-sten Geburtstag am 19. Juni 1926 in München. Drei Tage später wurde seine Urne auf den nahe gelegenen Friedhof Dornach überführt und beigesetzt. Noch drei Jahre zuvor waren 1923 im Pflüger Verlag München die Novellen von Wcewolod Garschin "Von Tieren Blumen und Engeln" herausgeben worden; Georg Oppens hatte sie aus dem Russischen übertragen.

Bertha und Paul Oppens entschlossen sich ein Kind zu adoptieren. Die Vermittlung fand über das Rote Kreuz in Berlin statt. Sie entschieden sich für Heinz Arthur Karl Sander, geb. am 13. Februar 1919 in Allenstein. Da er von seinen leiblichen Eltern in Ostpreußen vernachlässigt worden war, hatte Pfarrer Klapp aus Mewe (heute Gniew/Polen), Westpreußen, zunächst eine Pflegschaft für Heinz veranlasst und ihn dann für eine Adoption an das Rote Kreuz in Berlin vermittelt. Es kam zu einem ersten Treffen in Marienwerder. Kurz nach seinem achten Geburtstag im Februar 1927 zog Heinz dann zu Bertha und Paul Oppens nach Hamburg. Nach einer Probezeit nahmen sie Heinz am 2. Juli 1928 an Kindes statt an. Die Adoption wurde am 12. März 1929 vom Amtsgericht Hamburg bestätigt. Wie aus den Gerichtsakten zu ersehen ist, hatten Bertha und Paul Oppens ihren Sohn schnell liebgewonnen, und Heinz lebte sich gut in die veränderten Verhältnisse ein. Nach wenigen Monaten schon redete Heinz seine Eltern aus freien Stücken mit "Mutter" und "Vater" an. Bertha und Paul Oppens förderte ihre Sohn sehr: Sie ließen ihm Einzelunterricht erteilen, sodass er Ostern 1930 die Aufnahmeprüfung für die Sexta der Oberrealschule Eppendorf bestand. Der Referendar Max Klüver gab ihm Nachhilfeunterricht. Er war Landesführer des Landesverbandes Nordmark, dem der streng nationale Verband "Jungsturm" unterstand. Seit 1931 war Heinz Angehöriger dieses Verbandes und auch weiterhin, als der "Jungsturm" 1933 in die "Hitlerjugend" einging. Heinz verbrachte die Ferienwochen zusammen mit anderen Jungen mit Spiel und Sport auf der Hallig Süderoog und später auf Sylt im Lager Puan Klent.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste Paul Oppens im Juni 1933 den "Fragebogen zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933" ausfüllen. Daraus ist zu ersehen, dass er einige Jahre, von 1920 bis 1923, der (linksliberalen) Deutschen Demokratischen Partei angehört hatte.

Paul Oppens’ Bruder Richard musste die zunehmenden Demütigungen der nationalsozialistischen Machthaber nicht länger ertragen. Er verstarb am 5. April 1934 im Alter von 68 Jahren im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg an Herzschwäche und Araugislativus ileus (Darmverschluss). In den folgenden Jahren unterstützten Franz und Paul Oppens seine Witwe Ida, geb. Zimmermann, finanziell.

Mit der Verabschiedung des "Reichsbürgergesetzes vom 1. Oktober 1935" verschärfte sich die soziale Ausgrenzung der Juden in Deutschland und die Verfolgung nahm in starkem Maße zu. Dies hatte tragische Auswirkungen auf die Familie Oppens.

Pauls Bruder Franz Oppens, der noch im Januar 1933 zum Reichsfinanzrat in München ernannt worden war, wurde zwangsweise Ende 1935 in den Ruhestand versetzt. Durch seine nichtjüdische Ehefrau, die Witwe Elsa, geb. Scharnberg, die er 1931 geheiratet hatte, war er zunächst noch bedingt vor den Verfolgungen der nationalsozialistischen Machthaber geschützt.

Paul Oppens und sein Partner Arnold Heineberg mussten ihr Notarsamt zum 14. November 1935 niederlegen. Das Schreiben, unterzeichnet von Justizsenator Rothenberger, erreichte Paul Oppens in seiner Wohnung Lehnartzstraße 9. Vergeblich versuchten er und sein Sozius in Briefen die Notwendigkeit ihrer Arbeit zu betonen, um ihre Zulassung zurück zu erlangen. Obwohl Paul Oppens seit 1891 der evangelisch-lutherischen Kirche angehörte, galt er weiterhin bei den nationalsozialistischen Machthabern wegen seiner "rassischen Abstammung" als Jude. Als er im folgenden Jahr sein Notariat an der Börsenbrücke aufgeben musste, konnte er in der Klosterallee 5 bei Frau Blanke, für die er als Testamentsvollstrecker tätig war, einen Raum als "Kontor" nutzen. Bertha und Paul Oppens verzogen in dieser Zeit in die Hudtwalckertwiete 2 am Winterhuder Marktplatz.

Mit dem Ehepaar Hedwig und Alfred Islar waren sie befreundet. Amtsgerichtsdirektor Alfred Islar war ebenfalls wegen seiner jüdischer Herkunft entlassen worden. Auch ihm bot die Ehe mit seiner nichtjüdischen Ehefrau Hedwig, geb. Rahn, einen gewissen Schutz vor den Verfolgungen. Die beiden Juristen kannten sich schon seit Ende des Ersten Weltkrieges und hatten oftmals von Eppendorf aus den Weg in die Stadt zur Kanzlei bzw. zum Amtsgericht gemeinsam zu Fuß zurückgelegt.

Die Familie Islar war von der Eppendorferlandstraße 54 nach Hamburg-Langenhorn, Am Foßberg 107 (1941 Baltikumstraße, heute Fibigerstraße), verzogen. Ihr Haus hatten sie 1933 durch Vermittlung des Architekten Felix Ascher erwerben können. Häufig besuchten Bertha und Paul Oppens ihre Freunde in Langenhorn. Dort draußen in der Natur gefiel es ihnen so gut, dass sie sich entschlossen ein Haus ganz in der Nähe zu bauen. An der nördlichen Grenze von Hamburg am Ochsenzoll 62, wo auf der gegenüberliegenden Straßenseite Schleswig Holstein beginnt, suchten Bertha und Paul Oppens sicher auch die Möglichkeit unbehelligt vor den Verfolgungen der nationalsozialistischen Machthaber leben zu können.

Am 23. Juli 1936 reichte Paul Oppens eine Bauanzeige für ein Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Siemers-Stiftung in Hamburg-Langenhorn ein. (Sein Cousin Karl Wolfers wohnte seit 1925 mit seiner Familie ebenfalls in Langenhorn auf einem Grundstück der Siemersstiftung, in einem Eigenheim am Dobenplatz 8.) Noch vor Weihnachten 1937 bezogen Bertha und Paul Oppens mit ihrem Sohn Heinz das Dachgeschoss ihres Neu-baus. Eigentlich war das Haus noch nicht bezugsfertig, und so richteten sie sich vorerst provisorisch ein.

Der Sohn des befreundeten Ehepaares Islar, Hans-Peter Islar, erinnerte sich als Zeitzeuge an eine gesellige Zeit mit Bridge-Abenden zusammen mit "Beechen", wie Bertha liebevoll genannt wurde, und Paul Oppens. Sie fühlten sich wohl draußen im Grünen. Gerne beschäftigte sich Paul Oppens im Garten. Die Familien trafen sich sonntags und waren auch durch ihre Zugehörigkeit zum "Paulus-Bund. Vereinigung nichtarischer Christen" verbunden. Der Hamburger Bezirksgruppe gehörten unter anderem auch Alwin Gerson, Distriktarzt in Wohldorf, und Rechsanwalt Richard Robinow an. Diese Vereinigung war 1933 als "Reichsverband christlich-deutscher Staatsbürger nichtarischer oder nicht rein arischer Abstammung" gegründet worden. Der Paulus-Bund musste mehrfach seinen Namen wechseln, der Gestapo seine Mitgliederlisten einreichen und die "volljüdischen" Mitglieder ausschließen, sodass ihm, als er 1939 unter dem Namen "Vereinigung von 1937" verboten wurde, nur noch "Mischlinge" angehörten. Paul Oppens hatte für die Jugendlichen, zu denen auch sein Sohn Heinz sowie Hans-Peter Islar gehörten, seinen Arbeitsraum zur Verfügung gestellt.

Heinz Oppens hatte Ostern 1936 die Oberrealschule Eppendorf mit dem Zeugnis der Reife für die Obersekunda abgeschlossen und eine Lehre als Exportkaufmann bei der Firma H.A. Sierau & Co begonnen. In seiner Freizeit widmete er sich dem Segelsport auf der Alster und Elbe, unternahm Hochseefahrten und legte die Prüfung als Sportseefischer ab. Bertha und Paul Oppens ermöglichten ihm den Eintritt in den Norddeutschen Regatta Verein.

Zunehmend flohen als Juden verfolgte Menschen aus dem Umfeld des Ehepaares Oppens ins Ausland, wenn die Möglichkeit einer Aufnahme gegeben war.
Auch Franz Oppens’ Kinder konnten sich retten: Tochter Gisela, verheiratete Hess, entkam im August 1938 nach England und später 1943 über Lissabon nach New York. Sohn Kurt Oppens gelang es zusammen mit seiner Ehefrau Edith, geb. Hirsch, im Dezember 1938 über Österreich, Prag und Rumänien mit einer Schiffspassage von Triest nach New York in die USA zu emigrieren.

Paul Oppens’ Cousin, der Amtsgerichtsdirektor a.D. Rudolph Oppens, geb. 12.6.1860 Hamburg, nahm sich am 14. November 1938 das Leben, belastet durch die Pogromer-lebnisse, wie aus späteren Aussagen seiner Tochter Edith hervorgeht. In der Todesan-zeige hingegen wurde die Todesursache mit "Arterienverkalkung, Apoplexie" angegeben. Auch er war evangelisch getauft und verheiratet mit der Nichtjüdin Hermine, geb. Wehrhahn. Die zwei Töchter, Irene, geb. 1901, und Edith, geb.1903, emigrierten ins Ausland.

Für Bertha und Paul Oppens spitzte sich die Situation zu. Sie mussten wie alle Juden, deren Vornamen laut einer Liste der Nationalsozialisten nicht als erkennbar jüdisch galten, seit August 1938 die Zusatzvornamen "Sara" und "Israel" annehmen. Am 12. Dezember 1938 erließ die Zollfahndungsstelle über das Vermögen von Paul Oppens eine vorläufige Sicherungsanordnung. Ihr Wohnhaus "Am Ochsenzoll 62" konnten Bertha und Paul Oppens noch per Schenkungsvertrag vom 25. Januar 1939 auf ihren nun 20-jährigen Adoptivsohn Heinz übertragen. Die Genehmigung dazu war vom Reichsstatthalter erteilt worden, da der Sohn als "arisch" galt und nicht unter die antijüdischen Gesetze fiel. Zuvor hatte Heinz, weil er noch nicht 21 Jahre alt war, als volljährig erklärt werden müssen; dazu war eine Stellungnahme des Landesjugendamtes erforderlich. Das hatte fatale Folgen.

Im Februar 1939 wurde von der Sozialverwaltung, Landesjugendamt Hamburg, im Namen des Reichsstatthalters die Aufhebung der Adoption aufgrund § 14 des Reichsgesetzes über die Änderung familienrechtlicher Vorschriften vom 12. April 1938 beantragt. Paul Oppens kannte dieses neu geschaffene Gesetz der Nationalsozialisten nicht. Er und seine Ehefrau Bertha protestierten gegen die Aufhebung der Adoption und betonten, sich von ihren jüdischen Wurzeln entfernt und Heinz als deutsch und national erzogen zu haben. Auch Heinz erklärte: "Ich kann wohl behaupten, dass meine Eltern mich in rein deutschem Sinne erzogen haben und dass von irgend einer Beeinflussung in jüdischem Geiste nicht die Rede sein kann ..." Sie alle erklärten sich jedoch auch bereit, sich mit der Aufhebung der Adoption abzufinden, wenn es nicht anders ginge.

Der Einspruch des Landesjugendamtes wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Ham-burg vom 23. August 1939 abgelehnt, die Adoption hatte weiterhin Bestand. Die schriftliche Begründung war jedoch geprägt von den pseudowissenschaftlichen menschenverachtenden Rassevorstellungen der Nationalsozialisten, die demütigend und erniedrigend für das Ehepaar Oppens waren. Es heißt darin: "Eine weitere Schädigung in diesem Sinne ist jedoch bei einem erwachsenen Adoptivkind in der Regel nicht mehr möglich. Die unglückselige Umweltbeeinflussung seiner jüdischen Adoptiveltern hat sich bei ihm unauslöschlich ausgewirkt. Der Erziehungsvorgang ist abgeschlossen. Das erwachsene Adoptivkind im Zwiespalt der Welten ist dem Leben seines Volkes entfremdet. Dieses Unglück lässt sich durch den formellen Rechtsakt der Aufhebung des Annahmeverhältnisses nicht wieder gut machen ... Das Gericht hat in längerer Erörterung mit ihm die Überzeugung gewonnen, dass bei seiner geistigen und seelischen Entwicklungsstufe eine weitergreifende unerwünschte Milieubeeinflussung durch seine jüdischen Adoptiveltern nicht mehr möglich ist ... Die Kluft die Heinz heute zu seinem Volk gramerfüllt verspürt, würde er voraussichtlich vertieft mit Verbitterung empfinden, wenn das Annahmeverhältnis gelöst werden würde."

Nach Ableistung des zweijährigen freiwilligen Dienstes bei der Kriegsmarine war Heinz Oppens seit dem 1. April 1939 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen worden.

Paul Oppens wurde als Nachlassverwalter für seinen ehemaligen Sozius bestellt: Arnold Heineberg war am 27. April 1939 auf dem Gehweg Dammtorstraße zusammengebrochen. Ein Krankenwagen hatte ihn in das Hafenkrankenhaus gebracht. Noch auf dem Weg dorthin war er verstorben. Der Polizeirevieroberwachtmeister Peper des 30. Polizeireviers vermerkte nach einer Anfrage bei der Krankentransportkolonne und im Hafenkrankenhaus: "Notar a.D. Heineberg Herzschlag erlitten. Auf dem Transport ins Hafenkrankenhaus verstorben. Die Leiche verblieb im Hafenkrankenhaus." Der Arzt Knauer diagnostizierte eine halbe Stunde später: "Tod aus innerer Ursache". Arnold Heineberg, der erst ein Jahr zuvor sein Haus in Hamburg-Volksdorf, Gussau 8, hatte verkaufen müssen, hinterließ seine 79 Jahre alte alleinstehende Mutter Julie Heineberg, geb. Rinteln, die 16 Tage später verstarb.
Ihr zweiter Sohn Otto Heineberg, Kaufmann und Generalvertreter für die etablierten Parfümprodukte Guerlain aus Paris, mit dem Paul Oppens in vertraulicher Verbindung stand, war bereits im Februar 1939 mit seiner Frau und Tochter nach England ausgewandert.

Ebenfalls 1939 emigrierten Paul Oppens’ Cousin Karl Wolfers, dessen Ehefrau und die beiden Söhne Ernst Klaus und Hans Peter zu Verwandten nach Guatemala. Vorher hatten sie ihr Haus am Dobenplatz in Langenhorn unter Wert verkaufen müssen.

Auch Paul und Bertha Oppens trugen sich seit einiger Zeit mit Auswanderungsabsichten, obwohl Paul Oppens die Genehmigung des Landesgerichtspräsidenten erhielt, ab August 1939 als "juristischer Hilfsarbeiter" bei dem "Konsulenten" Zadik, Rathausstraße 16, der ausschließlich für jüdische Klienten zugelassen war, arbeiten zu können.
Zur Finanzierug des Vorhabens wollte er seine wertvolle Briefmarkensammlung mit einem Schätzwert von 78.000 Reichsmark verkaufen. Er hatte am 1. April 1939 begonnen, die Marken an Otto Heineberg, den Bruder seines langjährigen Partners Arnold Heineberg, nach England zu versenden, der sie Interessenten anbieten sollte. Dies wurde Paul Oppens zum Verhängnis. Siebzehn seiner Briefe, die er unter fiktivem Absender nach England versandt hatte, wurden von der Zollfahndungsstelle abgefangen. Nach aufwändigen Ermittlungen wurde Paul Oppens als Absender identifiziert, am 10. August 1939 festgenommen und ins Untersuchungsgefängnis Hamburg eingeliefert.

Es folgten tägliche Verhöre von der Zollfahndung Ericus am Speersort, wo Paul Oppens massiv bedrängt wurde, sich des Devisenvergehens schuldig zu bekennen. In seitenlangen detaillierten Protokollen ist die Prozedur festgehalten. Paul Oppens musste genauestens über seine Vermögensverhältnisse Auskunft geben. Dabei wurde dem Umstand große Bedeutung beigemessen, zu welchem Zeitpunkt er eine bestimmte Golduhr seinem Sohn übereignet hatte – ob vor dem Erlass der Reichsstelle vom Februar 1939, der die Juden zur Abgabe ihrer Gold- und Edelmetalle verpflichtete, oder danach. Er wurde so lange unter Druck gesetzt, bis die Zollfandungsbeamten die Antworten erhielten, die sie hören wollten. Schließlich gab Paul Oppens zu, dass er die Uhr nach dem Februar 1939 seinem Sohn geschenkt habe. Die goldene Glashütter Lange & Söhne Uhr war ein Geschenk seiner verstorbenen ersten Ehefrau Helene gewesen.

Auch Bertha Oppens wurde intensiv verhört und am 10. August 1939 wegen "Verdunkelungsgefahr" in Untersuchungshaft genommen. Nach eingehender Befragung sollte sie zugeben, dass sie von der Versendung der Umschläge mit den Briefmarken nach England gewusst habe. Bis zum Schluss verneinte sie dies. Am Nachmittag des folgenden Tages wurde sie entlassen, aber ihre Bewegungen weiterhin streng überwacht. Auch ihre Freundin Hedwig Islar bekam von der Zollfahndungsstelle eine Vorladung und wurde vernommen. Es war herausgekommen, dass Bertha Oppens ein Sparbuch zur Sicherheit bei ihr hinterlegt hatte; das beschlagnahmt wurde. Auch frühere Geschäftspartner wurden verhört und Paul Oppens’ Tätigkeiten als Testamentsvollstrecker für Arnold Heineberg überprüft. Selbst den Aufwand einer Fahrt nach Kupfermühle/Tremsbüttel nahm die Zollfahndung auf sich, um die ehemalige Verlobte Heinebergs, Annemarie Möller, zu vernehmen.

Schließlich sah es das Amtsgericht Hamburg als erwiesen an, dass Paul Oppens sich mit der Versendung von Briefen mit Sammelbriefmarken nach England des Devisenvergehens schuldig gemacht habe und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 25.000 RM sowie zu einem Jahr und zehn Monaten Gefängnis. Nach über sieben Monaten im Untersuchungsgefängnis wurde er am 22. Februar 1940 in das Männergefängnis der Strafanstalten Hamburg-Fuhlsbüttel überstellt und musste dort den Rest seiner Haftstrafe verbüßen. In seiner Gefängniskartei wird er als "Jude" mit dem Beruf "Juristischer Hilfsarbeiter" geführt. Es ist darin festgehalten, dass er 1,68 m groß war, braune Augen und graumeliertes Haar hatte.

Sein Sohn Heinz, inzwischen Maat bei der Kriegsmarine, stellte per Feldpost ein Gnadengesuch. In seinem Schreiben fand er für seinen Vater nur gute und dankbare Worte: "... Ich fühle mich verpflichtet, meinem Adoptivvater meine tiefste Dankbarkeit für das, was ich allein durch ihn geworden bin, durch Einreichung dieses Gnadengesuchs zu erweisen." Das Gnadengesuch wurde am 13. Dezember 1940 vom Verwaltungsoberinspektor des Gefängnisses Fuhlsbüttel abgelehnt: "Die im Gesuch dargelegten Gründe sind menschlich verständlich, können aber den Verurteilten bzgl. seines Vergehens nicht ent-lasten. Da die Auswanderung noch nicht geklärt werden konnte und daher nicht feststeht, fällt auch dieser eventuelle Entlassungsgrund fort. Nach allem liegt kein besonderer Grund vor, eine vorzeitige Entlassung zu befürworten."

Aufgrund der "Sicherungsanordnung" des Oberfinanzpräsidenten vom 2. Oktober 1940 wurde das Vermögen von Paul Oppens weitgehend beschlagnahmt. Für den Lebensunterhalt standen dem Eheparr lediglich monatlich 180 RM zur Verfügung. In dieser Zeit musste Bertha Oppens unter sehr beschränkten Bedingungen leben. Jede Extraausgabe, wie ein Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk für Ihren Sohn oder den Kauf von Kohlen, musste sie bei der Oberfinanzbehörde beantragen.

Am 13. Juni 1941 wurde Paul Oppens aus dem Gefängnis Fuhlsbüttel entlassen. Das Ehepaar Oppens lebte weiterhin am Ochsenzoll 62 unter schwierigsten Verhältnissen mit den zahlreichen Verboten und Auflagen, denen sie als Juden unterworfen waren. Ab September mussten sie den Judenstern auf ihrer Kleidung zu tragen.

Wie der Adoptionsakte zu entnehmen ist, beantragte nun Heinz Oppens über die "Inspektion des Bildungswesens der Marine" am 9. März 1942 bei dem Amtsgericht Hamburg die Aufhebung seiner Adoption. Die Vermutung, dass er dadurch in seiner Karriereleiter aufsteigen konnte, er war Reserveoffiziersanwärter Ob. Btsm. d. R. bei der Marine, liegt nahe. Dieser zweite Antrag auf Aufhebung der Adoption wurde ebenfalls abgelehnt, da der erste Antrag vom Landesjugendamt bereits am 23. August 1939 rechtskräftig abgelehnt worden war. Überliefert ist die Aussage von Paul Oppens’ Freund und Nachlassverwalter Paul Schmidt-Oesfeld, dass die Adoptiveltern Heinz’ Antrag zum Glück nicht mehr miterlebt hätten. Doch ungeachtet dieses Antrages blieb Heinz seinen Eltern sehr verbunden.

Paul Oppens’ Bruder Franz hatte seinen Vornamen, der nach den offiziellen Namenslisten als nichtjüdisch eingeordnet war, ablegen und stattdessen den Vornamen "Dan" annehmen müssen, wollte er vermeiden, ein "Israel" in seinen Papieren stehen zu haben. Ab April 1942 musste er getrennt von seiner nichtjüdischen Ehefrau im "Judenhaus" in der Rappstraße 15 wohnen.

Bertha Oppens’ Mutter, die Stadtratswitwe Marie Schreyer, lebte inzwischen in Dresden. Am 25. August 1942 wurde sie im Alter von 81 Jahren nach Theresienstadt deportiert. Wenige Monate später, am 11. November 1942, starb sie dort.

Bertha und Paul Oppens wurden beide am 23. März 1943 zusammen mit 48 weiteren Betroffenen in das Getto Theresienstadt deportiert, Transport VI/5, Nr. 38 und Nr. 39. Das Vermögen des Ehepaares wurde durch Verfügung des Reichsstatthalters in Hamburg am 1. Dezember 1943 zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen.

Paul Schmidt-Oesfeld, der älteste Freund von Paul Oppens aus Kindertagen, schickte dem Ehepaar regelmäßig Nachrichten und Päckchen in das Getto Theresienstadt, Seestraße 015/4.

Ihr Sohn Heinz, dem Bertha und Paul Oppens ein geborgenes Zuhause und eine gute gesicherte Zukunft hatten ermöglichen wollen, wurde am 1. März 1944 im Kriegseinsatz getötet, als Oberleutnant zur See auf der 7. U.-Flottille "U 358". Britische Kriegsschiffe hatten sein U-Boot im Nordatlantik nördlich der Azoren vesenkt. Eine tragische Verquickung – die Kriegsmacht, die gleichsam auch für die Befreiung von Bertha und Paul Oppens kämpfte, hatte ihren geliebten Sohn getötet. Bertha und Paul Oppens erhielten diese traurige Nachricht vom Tod ihres Sohnes offensichtlich im Getto. Einige wenige Sätze auf einer letzten handgeschriebenen Karte von Paul Oppens aus dem Getto, XI b Theresienstadt, Seestraße 015/4, vom 12. September 1944 an Paul Schmidt-Oesfeld lassen diesen Schluss zu. Er bestätigt darin Postsendungen seines Freundes und bittet, dass der und auch Karen, die Verlobte seines Sohnes Heinz, weiter für ihn und seine Frau (aus seinem eigenen Vermögen) sorgen müsse.

Am 12. Oktober 1944 wurden Bertha und Paul Oppens mit einem der letzten Deportationszüge "EQ" zusammen mit weiteren 1498 Jüdinnen und Juden vom Getto Theresienstadt in das Konzentrationslager Auschwitz weiterverschleppt und ermordet, drei Tage vor dem 59-sten Geburtstag von Bertha Oppens. Auch Paul Oppens war 59 Jahre alt.

Pauls Bruder Franz Oppens war am 28. Juli 1944 von Hamburg nach Auschwitz deportiert und ermordet worden. Stolpersteine erinnern an ihn in der Lohmühlenstraße 1 und vor dem Haus der Gerichte am Lübeckertordamm, Hamburg-St. Georg.

Stolpersteine am Hofweg 31 in Uhlenhorst erinnern an den Sohn des Cousins von Paul Oppens’ Mutter und an dessen Ehefrau. Hugo Wolfers und Olga, geb. Oppenheimer, sie waren am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert und ermordet worden.

Paul Oppens’ Cousin Karl Wolfers hatte nach der Emigration auf einer Farm in Guatemala hart arbeiten müssen, um seine Familie ernähren zu können. Im Jahre 1948 wurde er dort ermordet. Seine Ehefrau und die zwei Söhne emigrierten in die USA. In Denver/Colorado lebt Paul Oppens’ Großcousin Claude (früher Ernst Klaus) Wolfers. Im September 2017 wurde er 93 Jahre alt.

Die Kinder von Paul Oppens’ Bruder Franz lebten nach dem Krieg weiterhin in den USA. Pauls Neffe Kurt Oppens, der kurze Zeit als Jurist tätig gewesen, dann zum Studium der Musikwissenschaften gewechselt war und als Musikschriftsteller gearbeitet hatte, übernahm regelmäßig die Arbeit eines Klaviertechnikers bei dem Aspen Music Festival in Colorado. Seine Ehefrau Edith erteilte Klavierunterricht am New York City’s Mannes College of Music. Ihre 1944 geborene Tochter Ursula Oppens, die Großnichte von Paul Oppens, ist heute eine bekannte Klaviervirtuosin.

Edith Oppens, die Tochter von Paul Oppens’ Cousin Rudolph Oppens, die nach Chile und später in die Schweiz emigriert war, kehrte nach dem Krieg nach Hamburg zurück und wurde unter anderem mit den Büchern "Hamburg zu Kaisers Zeiten" und "Der Mandrill" eine bekannte Schriftstellerin. In diesen Büchern entwirft sie ein Bild vom bürgerlichen Leben in der Hansestadt, in dem die gesamte Oppensfamilie einmal fest etabliert war.

Das Haus "Am Ochsenzoll 62" von Bertha und Paul Oppens, das sie auf ihren Sohn Heinz übertragen hatten, sollte nach dessen letztem Willen (Testament, verfasst "Im Westen" am 10. Oktober 1943) in erster Linie zusammen mit dem gesamten Vermögen seinen Eltern Paul und Bertha Oppens zufallen, wenn sie aus Theresienstadt zurückkämen. In zweiter Linie, im Falle des Ablebens seiner Eltern, sollte das Haus an seine Verlobte Karen Bendtzen aus Aalborg, Gut Lykkeseye Dänemark, übergehen, nebst Inventar und 20.000 RM. Überliefert ist, dass Karen Bendtzen, als sie nach dem Krieg das Erbe antrat, für sich den Schmuck von Bertha Oppens auswählte, den Heinz Oppens noch im Garten hatte vergraben können.

Das Haus am Ochsenzoll wollte sie als Dänin nicht annehmen. Die dann laut Testament in der Reihenfolge begünstigte Erbin des Hauses wurde die Tochter von Paul Schmidt-Oesfeld.

Elf silberne Kuchengabeln mit der Gravur "O" von Bertha und Paul Oppens, erworben bei Brahmfeld & Gutruf, dem ältesten seit 1743 existierenden Juwelierhaus Deutschlands, wurden nach dem Krieg bei der Finanzbehörde unter dem "Silberschatz Schellenberg" aufgefunden.

274 Teile Tafelsilber von Bertha und Paul Oppens waren aufgelistet und zugunsten des Oberfinanzpräsidenten eingezogen worden, darunter auch eine große Anzahl von silbernen Eislöffeln. Sie lassen das Bild einer Familie aufleben, die im Sommer sonntags gerne mit Freunden zusammen saß, um gemeinsam ein Eis zu genießen.


Stand: August 2018
© Margot Löhr

Quellen: 1; 4; 5; 7; 8; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht Hamburg, 4596-41 P.Oppens; StaH 213-13 Landgericht Hamburg, Z 3013; StaH 231-3 Handelsregister, A 6 Bd 24 Nr. F 6027, A 6 Bd 61 Nr. F 14968, A 7 Bd 42 Nr. P 10437, A 7 Bd 42 Nr. P 10438; StaH 233-2, Notare, 76, 78; StaH 241-2 Justizverwaltung-Personalakten, A 2849, P 1179; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 13, Gefängniskartei Männer, Gefängnisverwaltung II, Abl. 16, Untersuchungshaftkartei Män-ner; StaH 311-3 I, Abl. 1989 Finanzbehörde I, 305 -2 -1 / 175 Nr. 4413, Nr. 4570 (Kartei Silberge-schirr);StaH 314-15 Oberfinanzpräsident, R 1938 – 3493 Oppens, Paul, R 1940 - 440 Oppens, Paul, R 1939-2514 Oppens Hermine, R 1941-138 Oppens Franz, Abl. 1998-1 J11-35, Oppens, Heinz, Abl. 1998-1 J11-36, Oppens, Heinz; StaH 314-15 OFP, Str. 620; StaH 331-5 Po-lizeibehörde-Unnatürliche Sterbefälle, 3 Akte 1939-888; StaH 332-3 Zivilstandsaufsicht, A 5 Nr. 449, A 113 Nr. 4036; StaH 332-4, IV D 10, Austritt aus einer staatlich anerkannten Religionsge-meinschaft; StaH 332-5 Standesämter, 1869 u. 957 / 1876, 2039 u. 407 / 1883, 6812 u. 407 / 1895, 6407 u. 672 / 1896, 6860 u. 5 / 1905, 5346 u. 555/ 1922, 1020 u. 576 / 1934, 9896 u. 763/1938; StaH 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, AIf Bd.105 Nr.1388, AIf Bd. 216 Nr. RI 981, BIa 1854 Nr. 1388 Julius Oppenheim, BIa 1857 Nr.169 Martin Oppenheim; StaH 332-8 Meldewe-sen A24 Bd. 200 Nr. 19886, A24 Bd. 268 Nr. 11016, A24 Bd. 287 Nr. 15108, A24 Bd. 319 Nr. 1364, A24 Bd. 319 Nr. 1363; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, Abl. 2008-1 EG 070376 Oppens Franz, Abl. 2008-1 160512 Hess, Gisela, 5549 Heineberg, Arnold, 7259 Heineberg, Otto, 27975 Oppens, Edith, 44784 Heymann, Maria; Amt für Wiedergutmachung, 070410 Kurt Oppens, 170388 Bruno Loeser; StaH 352-5 Gesundheitsbehörde-Todesbescheinigungen, 1895, Sta 21, Nr. 407, 1905 Sta 21 Nr. 5, 1934 Sta 1a Nr. 576, 1938 Sta 3a Nr. 763; StaH 362-2/1, F 4, F 14; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 702a-702e, Nr. 47, 1857, Nr. 25, 1863, 382 Austrittserkärungen; StaH 741-2, 1 Oppenheim; StaH 741-4 Fotoarchiv, K 2510, K 7461, K 6691; Hamburger Adressbücher 1862–1943; Landesarchiv Berlin, P Rep.160, 465; LAB, P Rep. 161, 9; LAB, P Rep. 161, 275; LAB, P Rep 809; Archiv Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde, Taufbücher der Heiligen Dreieinigkeitskirche, St. Georg, Nr. 968/1891 Franz Johann Oppenheim, Nr. 969/1891 Paul Sig-mund Oppenheim; Adressbuch Minden 1857 http://wiki-de.genealogy.net/w/index.php?title=Datei:Minden-AB-1857.djvu&page=26, eingesehen 11.1.2014; Auskünfte: Marion Berg und Viola Schulz, Landesarchiv Berlin; Auskünfte Dr. Dagmar Bickelmann, Landesarchiv Schleswig-Holstein; Auskünfte Margret Dick, Deutsche Nationalbibliothek, Deutsches Exilarchiv 1933–1945; Auskünfte Petra Hesse, Universitätsarchiv Leipzig; Auskünfte Carmen Kobbert, Standesamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin; Auskünfte Karin Krug, Stadtarchiv Dresden; Auskünfte Frau Lehnert, Deutschen Dienststelle WASt; Auskünfte Gudrun Pahl, Lange Uhren GmbH, Glashütte; Auskünfte Karin Paulat, Standesamt I Berlin; Auskünfte Dr. Andreas Heusler, Brigitte Schmidt, Stadtarchiv München; Auskünfte Dr. Claudius Stein, Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität München; Auskünfte Sandra Weiland, Landeshaupt-stadt München, Referat für Gesundheit und Umwelt, Städt. Friedhöfe München; Auskünfte Nicolai M. Zimmermann, Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde; http://www.illustrierte-presse.de/en/the-magazines/werkansicht/cache.off?id=7171&tx_dlf%5Bid%5D=71897&tx_dlf%5Bpage%5D=120, eingesehen 11.1.2014.Der Querschnitt, Bd. 2. 1922 Jahresband, S. 75 Rudolf Levy, Mein lieber Artaval, S. 97–98; Fritz Westendorp, Zeichnung "Bildnis Artaval" S. 99, Querschnitt, Bd. 2. 1922 Weihnachtsheft, Jules Pascin "Artaval", Rudolf Großmann, Zeichnung "Artaval kehrte in den Dôme zurück", Bd. 4, 1924,H. 1 S. 81; Stolpersteine in Hamburg-Isestraße, Christa Fladhammer, S. 87/88 Bruno Loeser; Stolpersteine in Hamburg-Winterhude, Björn Eggert, S.189 Hugo Wolfers und Olga, geb Oppenheimer; Ausstellung Museum für Kunst und Gewerbe Juni 2012, Haspa, Köpfe der Zwanziger Jahre, Friedrich Ahlers-Hestermann, Ölgemälde 1919 "Artaval"; Christine Behrens, Ohlsdorf – Zeitschrift für Trauerkultur, Ohlsdorfer Porträts, Mai 2010, Nr. 109, II. Jutta Braden, Juden im hamburgischen Notariat 1782–1967, 2010; Heiko Morisse, Ausgrenzung und Verfolgung der Hamburger jüdischen Juristen im Nationalsozialismus, Band II Beamtete Juristen, Göttingen 2013; Vielen Dank dem Zeitzeugen Hans-Peter Islar für Telefongespräche im Juli 2010; Vielen Dank der Zeitzeugin Dr. Helga Oehlrich für Gespräche und Photos im März 2015.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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