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Bereits verlegte Stolpersteine



Jacob Lübeck, Photo aus Kennkarte 1941
© Privatbesitz

Jacob Lübeck * 1881

Talstraße 47 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


HIER WOHNTE
JACOB LÜBECK
JG. 1881
VERHAFTET 1937
MEHRERE KZ
ZULETZT 1941 DACHAU
"VERLEGT" 17.2.1942
HARTHEIM
ERMORDET 17.2.1942

Jacob Lübeck, geb. 13.2.1881 in Hamburg, inhaftiert von 1938 bis 1940 im Zuchthaus Hamburg, 1941 im KZ Neuengamme, verbracht ins KZ Dachau, ermordet am 17.2.1942 in der Tötungsanstalt Schloss Hartheim bei Linz

Talstraße 47

Der jüdische Klempner und Mechaniker Jacob Lübeck wurde am 13. Februar 1881 als Sohn des Kürschners Bernhard Lübeck und seiner Frau Julia, geb. Delmonte, in Hamburg geboren. Er wuchs mit drei Schwestern und einem älteren Bruder auf und besuchte die Anton-Ree-Realschule, die als Israelitische Freischule gegründet worden war, aber seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch christliche Schüler aufnahm. Nach Angaben des Bruders Louis Lübeck hatten die Eltern "stets mit der Armut zu kämpfen".

Mit 14 Jahren begann Jacob Lübeck eine Lehre als Klempner, Mechaniker und Dachdecker, wie er in seinem Lebenslauf ausführte: "Ostern 1899 wurde ich als Geselle gesprochen und war dann weitere 6 Jahre als Geselle bei verschiedenen Firmen tätig, um mein Wissen zu vervollständigen. Nachdem ich nun 1905 mich mehreren behördlichen Prüfungen unterzogen hatte und mit gut bestanden, gründete ich im Dezember 1905 ein eigenes Geschäft. Ich leitete dieses bis Ende 1938 und beschäftigte durchschnittlich 5–6 Leute incl. Lehrlinge."

Um 1903 heiratete Jacob Lübeck die junge Witwe Paula Unkelhäuser, die Christin war und eine kleine Tochter namens Johanna mit in die Ehe brachte. Es folgten noch drei gemeinsame Kinder: Julia (1904), Bernhard (1907) und Paula (1910), die auf der Steuerkarte als "ev." vermerkt wurden. Die älteste Tochter von Julia verbrachte viel Zeit im Haus ihrer Großeltern und hat noch viele Erinnerungen an den Großvater, der von der Familie häufig "James" gerufen wurde. Manches Mal begleitete "Frl. Margot", wie der Klempner seine Enkelin liebevoll nannte, zu seinen Arbeitseinsätzen: "Er hat viel auf der Reeperbahn zu tun gehabt, hat für viele Lokale dort gearbeitet, unter anderem dort auch Kohlensäure hingeliefert für die Bierzapfanlagen. Und er hat sich um die Gasbeleuchtung auf dem Hamburger Dom gekümmert, als es da noch keinen Strom gab." Nach Angaben der Enkelin wurden im Haus von Jacob Lübeck sowohl jüdische, aber vor allem auch christliche Feste gefeiert, "er hat alles mitgemacht, sagenhafte Weihnachtsfeiern mit riesigem Tannenbaum, hat Schweinefleisch gegessen und ist nur selten oder gar nicht in die Synagoge gegangen".

Bis Mitte der 1930er Jahre muss der Handwerksbetrieb von Jacob Lübeck, der um 1916 aus der Schmuckstraße in die Talstraße 47 verlegt worden war, den gezahlten Steuerbeiträgen zufolge gut gelaufen sein. Aber spätestens seit 1937 bekam auch er persönlich die Ausgrenzungs- und Verfolgungsmaßnahmen gegenüber der jüdischen Bevölkerung deutlich zu spüren. So teilte ihm der "Club Kolophonium", der in seiner Satzung die Pflege und Förderung der "Freundschaft, Treue und Kollegialität im ehrsamen Klempnerhandwerk" hervorhob, im Oktober 1937 in einem kurzen Schreiben mit, dass er "aus gegebener Veranlassung … aus der Mitgliederliste gestrichen wurde". Zu diesem Zeitpunkt saß Jacob Lübeck bereits im Untersuchungsgefängnis und wartete auf seine Verurteilung, die ihm aufgrund des anhängigen Verfahrens wegen "Rassenschande" bevorstand. Welches Vergehen ihm konkret vorgeworfen wurde, lässt sich nicht benennen, da keine Strafakte mehr existiert. Das Hamburger Landgericht verurteilte ihn am 21. Januar 1938 "wegen Rassenschande zu drei Jahren sechs Monaten Zuchthaus". Nach Anrechnung der Untersuchungshaft wurde er am 23. Februar 1941 aus dem Zuchthaus Bremen-Oslebshausen entlassen, wohin er am 5. April 1940 verlegt worden war.

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis verfolgte Jacob Lübeck intensiv seine Auswanderungspläne. "Der Not der Zeit entsprechend möchte ich jetzt in einem anderen Lande einen neuen Wirkungskreis ergreifen", wie er es in seinem Lebenslauf formulierte. Er verfasste darüber hinaus auch seinen "Letzten Willen", in dem er die Verteilung seines kleinen Vermögens an seine Frau, Kinder und Enkelkinder festlegte.

Die beiden Grundstücke in der Schmuckstraße 9 und Stuhlmannstraße 7 hatte er schon während seiner Haftzeit seiner Ehefrau Paula überschrieben. Am 16. April 1941 stellte ihm die Hamburger Polizeibehörde ein Führungszeugnis "gültig für Auswanderungszwecke" aus.

Warum der jüdische Klempner letztendlich doch nicht emigrierte, lässt sich wohl nicht mehr klären. Am 3. Mai 1941 wurde er zunächst ins KZ Fuhlsbüttel und wenig später ins KZ Neuengamme gebracht, von wo er im Juni einen Brief an seine Familie schrieb. Darin wird deutlich, dass er weiterhin auf die Möglichkeit zur Auswanderung hoffte und "auf ein baldiges Wiedersehen … und sich alles zum guten wenden wird". Seine Hoffnungen sollten sich nicht erfüllen, denn am 14. September 1941 wurde Jacob Lübeck ins KZ Dachau verlegt. Auch aus diesem Lager ist ein Brief an seine Familie erhalten, den er aufgrund der abweichenden Handschrift augenscheinlich nur formuliert, aber nicht selbst geschrieben hat. So heißt es am 13. November 1941:

"Liebe Frau! Hiermit Euch allen die besten Grüsse, hoffe, das Ihr alle gesund seid und der Zeit entsprechend gut geht. Auch ich bin gesund und müssen unser Schicksal mit Geduld ertragen, auch du liebe Frau hast schwer zu tragen, aber man soll den Kopf hochhalten … Hoffe liebe Frau, das unsere Schwiegersöhne heil und gesund von der Front zurückkehren mögen. Das ist mein und unser aller Weihnachtswunsch …" In diesem Brief wandte er sich auch noch an alle seine Kinder und Enkelkinder mit Weihnachtsgrüßen und dem Wunsch nach Post und Nachrichten von seiner Familie.

Dieses Schreiben blieb das letzte Lebenszeichen von Jacob Lübeck. Am 17. Februar 1942 wurde er mit einem sogenannten Invalidentransport aus dem KZ Dachau in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim bei Linz in Österreich gebracht und vergast. In der ehemaligen Anstalt für Geisteskranke wurden seit Frühjahr 1940 über 18000 Insassen aus Kranken- und Pflegeanstalten sowie aus Altenheimen ermordet. Ab Januar 1942 erlitten Tausende von Häftlingen vor allem aus den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen das gleiche Schicksal.

Die Familie von Jacob Lübeck erhielt eine Sterbeurkunde, die auf den 15. Mai 1942 datiert ist, sowie eine Urne, wobei sie bezweifelte, ob es sich dabei tatsächlich um seine Asche handelte. Dennoch waren die Angehörigen nach Angaben der Enkelin dankbar, dass sie diese Urne als Erinnerungsstück an ihren "James" entgegennehmen konnten. Jacob Lübecks Bruder Louis, der als Kaufmann in Eimsbüttel lebte und zu dem er keinen engen Kontakt hatte, starb am 11. Mai 1943 in Auschwitz. Seine zwei Jahre jüngere Schwester Luise wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und lebte dort bis zu ihrem Tod im Januar 1943.

© Gunhild Ohl-Hinz

Quellen: 1; 4; 8; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 13 Gefangenenkartei für Männer; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 18, Aktenzeichen 923/39 Louis Lübeck; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 16, Untersuchungshaftkartei für Männer; StaH 314-15 OFP, R 1939/2216; StaH 331-1 II Polizeibehörde II, Abl. vom 18.09.84, Band 1; Interview mit der Enkelin von Jacob Lübeck, Margot Düwel, im November 2007; Informationen aus der Datenbank der Gedenkstätte Neuengamme.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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