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Bereits verlegte Stolpersteine



Adolf Ludwig Schrage * 1903

Rehmkoppel 19 (Wandsbek, Wellingsbüttel)


KZ Fuhlsbüttel
ermordet 12.10.1944

Adolf Schrage, geb. 9.9.1903 in Kassel, am 12.10.1944 im Konzentrationslager Fuhlsbüttel erhängt aufgefunden

Rehmkoppel 19

Ehefrau Emma, geb. Arend, geboren. Er war der jüngere Bruder von Karl Schrage (geb. 30.9.1893, vgl. "Stolpersteine in Hamburg-Barmbek und Hamburg-Uhlenhorst"). Die Familie wohnte in Kassel. Die Brüder hatten noch sechs Schwestern: Wilhelmine Erna, geb. 7.12.1887, Emma Wilhelmine Magdalene, geb. 13.1.1892, Philippine Wilhelmine Elise, geb. 13.5.1895, Emilie, geb. 11.1.1897, Minna Luise, geb. 19.7.1898, Anna Maria, geb. 23.8.1900.

Mitte September 1931 meldete sich Adolf Schrage von Kassel nach Hamburg ab, wo seit 1929 sein älterer Bruder Karl lebte. Hier arbeitete er als technischer Angestellter bei der Firma Klöckner Flugmotorenbau GmbH in Rothenburgsort, Andreas-Meyer-Straße 47. Ebenfalls in Rothenburgsort, in der Marckmannstraße 125, betrieb Karl Schrage eine Tankstelle.

Am 9. September 1944 wurden beide Brüder unter dem Vorwurf der "Treibstoff-Sabotage" verhaftet und ins KZ Fuhlsbüttel eingeliefert. Am 12. September fand man Karl Schrage dort erhängt auf. Genau einen Monat später, am 12. Oktober 1944, wurde sein Bruder Adolf unter den gleichen Umständen entdeckt. In beiden Fällen konstatierte der Lagerarzt als Todesursache: "Strangulation, Selbstmord".

Im abschließenden Bericht der Gestapo hieß es zu Adolf Schrage: "Der techn. Angestellte Adolf Schrage, [...] wurde am 9.9.44 wegen Treibstoffsabotage und Wehrmittelbeschädigung festgenommen. In der Vernehmung am 10.9.44 gab Schrage zu, bei der Firma Klöck­ner Flugmotorenbau G.m.b.H., Hamburg 27, wiederholt größere Mengen Benzin und andere Gegenstände wie: Motoren, Bohrmaschinen usw. aus dem Betrieb herausgezogen zu haben, um sie durch die Vermittlung seines Bruders Karl Schrage gegen bezugsbeschränkte Waren (Lebensmittel) einzutauschen. Ausserdem hat er kurz nach den Terrorangriffen auf Hamburg in Rothenburgsort, Markmannstr. 82, aus dem Keller ein Motorrad gestohlen. Schrage hat sich in der Nacht zum 12.10.44 im Pol.Gefängnis Fuhlsbüttel in seiner Zelle erhängt."

Es bleibt unklar, wieweit diese Vorwürfe zutrafen. Benzin und technische Geräte waren streng rationiert. Und die räumliche Nähe der Tankstelle des Bruders zur Firma Klöckner mag logistisch interessant gewesen sein, um bei Klöckner entwendete Waren zu verkaufen. Korruption und persönliche Bereicherung waren unter Parteifunktionären verbreitet, da mag es auch für "normale Bürger" verlockend gewesen sein, sich auf illegale Weise Vorteile zu verschaffen, zumal bei knappen Waren.

Die Witwe von Karl Schrage stellte nach dem Krieg allerdings einen Antrag auf Wiedergutmachung, den sie mit der Gegnerschaft ihres Mannes zum NS-Staat begründete. Vielleicht kann ein politischer Hintergrund der hier behandelten Delikte nicht völlig ausgeschlossen wer­den, er könnte von der Gestapo unerkannt geblieben sein. Allerdings unterließ es die Witwe, im Antragsverfahren auf ihren Schwager Adolf hinzuweisen, obwohl das Schicksal beider Brüder ja eng miteinander verknüpft war. Fürchtete sie, dass bei einer genaueren Untersuchung des Vorgangs ein krimineller Hintergrund der Verhaftung ihres Mannes deutlich würde? Aus den erhaltenen Unterlagen lässt sich entnehmen, dass das Amt für Wiedergutmachung starke Zweifel an den angegebenen politischen Verfolgungsgründen hatte. Eine Wiedergutmachung wurde nicht gezahlt.

Sicher ist jedoch, dass Adolf und Karl Schrage nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen behandelt wurden. Was wirklich mit ihnen geschah, ist nicht mehr sicher aufzuklären. Emil Schacht, der spätere Ehemann der Witwe von Karl Schrage, berichtete von einem Zeugen, der 1950 in der Wohnung des Ehepaars auftauchte: "Der Zeuge gab sich als Aufsichtsbeamter des Konzentrationslagers Fuhlsbüttel aus und erklärte, daß dort in seinem Bereich auch die Zelle mit dem inhaftierten Herrn Schrage vorhanden war. [...] Der Zeuge teilte mit, daß er eines Tages den Häftling Herrn Schrage an einem Türpfosten an einer Schnur erhängt vorfand. Der Tod muß kurz vorher eingetreten sein. Auf meine Frage, ob die Häftlinge mißhandelt worden sind, versicherte der Zeuge, daß Mißhandlungen vorgekommen sind, er daran aber nicht aktiv beteiligt gewesen sei. Vielmehr hätten andere [...] die Gefangenen im Keller zusammengetrieben und schwer mit Knüppeln mißhandelt. Unter den Mißhandelten sei auch Herr Schrage gewesen. [...] Die Todesursache konnte der Zeuge auf mein Befragen nicht erklären. Auf meine Frage nach der Herkunft der Schnur, an der der Tote hing, blieb der Zeuge die Antwort schuldig. Es fiel auf, daß Gefangene nicht selbst im Besitz einer Schnur sein konnten."

Es bleibt rätselhaft, was es mit diesem "Zeugenbericht" auf sich hat bzw. ob der "Zeuge" wirklich auf die beschriebene Weise mit Karl Schrage in Kontakt kam. Vielleicht wurden Adolf und Karl Schrage durch die Erfahrung extremer Misshandlung und Folter in den Tod getrieben. Genauso ist aber möglich, dass sie von den dort Wächterdienste versehenden Schlä­gern ermordet wurden.

© Ulrike Sparr

Quellen: StaH 331-5 3 1944 1420; StaH 351-11 19217; StaH 741-4 Fotoarchiv, K 4897; Auskunft Stadtarchiv Kassel, Mail 25.08.2010; Herbert Diercks, Gedenkbuch "KOLA-FU", S. 37; Frank Bajohr, Parvenüs und Profiteure, Frankfurt/M. 2001; Klaus Weinhauer, Handelskrise und Rüstungsboom, in: Hamburg im Dritten Reich, hrsg. von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, Göttingen 2005; Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel, Erinnerungen, Dokumente, Totenliste, hrsg. Ursel Hochmuth und Erna Mayer, Hamburg 1997.

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