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Bereits verlegte Stolpersteine



David Linden * 1886

Kroosweg 10 (Harburg, Harburg)

1939 KZ Sachsenhausen
ermordet 12.04.1940

David Linden, geb. 22.10.1886 in Kolomea, gestorben am 12.4.1940 im
KZ Sachsenhausen

Stadtteil Harburg-Altstadt, Kroosweg 10

David und Klara Linden (geb. 31.3.1891), geb. Stapelfeld, stammten aus zwei jüdischen Familien, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre damals österreich-ungarische (heute: ukrainische) Heimat verlassen und in Harburg neue Wurzeln geschlagen hatten. Noch vor dem Ersten Weltkrieg hatte Klara Lindens Vater an der Ecke Karlstraße/Lindenstraße (heute: Kroosweg/Julius-Ludowieg-Straße) das "Möbel- und Manufakturwarenhaus Josef Stapelfeld" eröffnet, das sich bald zu einem erfolgreichsten Geschäft der Stadt entwickelte. Als Josef Stapelfeld am 30. Oktober 1915 im Alter von 50 Jahren starb, übernahmen seine vier Kinder Klara, Rosa (siehe Rosa Abosch), Salka (siehe Salka Beer) und Siegmund das Erbe.

Nach dem Ersten Weltkrieg schieden Rosa und Siegmund Stapelfeld in den Jahren 1921 bzw. 1926 aus der Geschäftsführung aus, die jetzt ihre beiden Schwager David Linden und Robert Beer übernahmen. Gemeinsam mit ihren geschäftstüchtigen Ehefrauen bauten sie das angesehene Möbel- und Manufakturwarenhaus in den 1920er Jahren weiter aus. Neben einem Buchhalter gehörten bald drei weitere Mitarbeiter zum festen Personalbestand des Familienunternehmens. Das umfangreiche Warenangebot bestand aus Möbeln, Herren- und Damenkonfektion aller Art sowie Schuhwaren. In den fünf großen Schaufensterauslagen waren in regelmäßigen Abständen die modernsten Möbel und neuesten Kollektionen zu sehen. Dahinter lagen die Verkaufsräume, in denen stets zwei Verkäuferinnen und häufig auch David und Klara Linden sowie Robert und Salka Beer die Kunden bedienten. Zwei große Warenlager befanden sich auf dem Dachboden des Eckhauses Karlstraße 10/Lindenstraße und auf einem Nebengrundstück.

David und Klara Linden wohnten mit ihren drei Kindern Anna (geb. 19.7.1913), Max (geb. 9.1.1916) und Julius (geb. 15.6.1922) in einer großbürgerlich eingerichteten 5-Zimmer-Wohnung im ersten Stock des Geschäftshauses. Zur Einrichtung gehörten sowohl ein Flügel als auch mehrere lederne Klubsessel und zwei echte Perserteppiche.

Gleich nach dem Regierungsantritt Hitlers wurde Deutschland von einer ersten großen antisemitischen Hetzkampagne überrollt, an der sich auch die örtliche NSDAP-Führung tatkräftig beteiligte. Dass sich "der Wind gedreht" hatte, dürften David und Klara Linden spätestens am 1. April 1933, dem Tag des reichsweiten "Abwehrboykotts", erkannt haben, als vor ihrem Geschäft SA-Posten mit großen Plakaten aufmarschierten, die die Passantinnen und Passanten zum Kauf deutscher Waren aufforderten.

Trotz dieses Boykotts und der anschließenden Stigmatisierung des "Warenhauses Geschwister Stapelfeld" fanden auch in den folgenden Jahren noch viele Harburgerinnen und Harburger den Weg in die Karlstraße 10. Im Vergleich zu den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise verzeichneten die Besitzer zunächst noch keinen nennenswerten Umsatzeinbruch.

Auch das Familienleben blieb anfangs von stärkeren Beeinträchtigungen verschont. Am 3. November 1935 feierte Anna Linden ihre Hochzeit mit Chaim Max Schwarz, der in Hamburg-Rothenburgsort (siehe Stolpersteine in Hamburg-Rothenburgsort, S. 96f.) ein Textilwarengeschäft besaß.

Drei Jahre später zerbrach der Schonraum der Familie. Am 28. Oktober 1938 wurden Anna Schwarz und ihr Mann von der Polizei abgeholt und noch am gleichen Tage nach Polen abgeschoben. Sie sahen ihre Familie nie wieder. Kaum zwei Wochen später warfen Harburger Braunhemden in der Pogromnacht die Schaufenster des Geschäfts in der Karlstraße ein und richteten in den Räumen ein totales Chaos an. Voller Angst und Entsetzen verfolgte Klara Linden hinter den verdunkelten Fenstern ihrer Wohnung im ersten Stock des Hauses, wie sich der Mob in ihrem Geschäft und auf der Straße austobte. An der anschließend von Hermann Göring verordneten "Sühneleistung" deutscher Juden für die Wiederherstellung des Straßenbildes nach der Pogromnacht musste sie sich mit einem Betrag ("Judenvermögensabgabe") von 1547,91 RM (5% ihres Vermögens) beteiligen, der in fünf Raten zu zahlen war.

Offiziell wurde die finanzielle Existenzvernichtung der Familie Linden durch die zwei Tage später verkündete "Erste Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" eingeleitet, die Juden den Betrieb von Einzel- und Versandgeschäften sowie Handwerksbetrieben nach dem 1. Januar 1939 untersagte. Diese Unternehmen sollten entweder liquidiert oder in "arischen" Besitz überführt werden. Im Dezember 1938 übernahm ein staatlich eingesetzter Treuhänder die Abwicklung des Geschäfts, das neun Monate später aus dem Handelsregister gelöscht wurde. Der Erlös aus den Außenständen und dem Verkauf der Geschäfts- und Wohnräume inklusive der zweier Grundstücke floss später in die Staatskasse.

Als die ökonomische und soziale Existenz der Familie zusammenbrach, konnten die beiden Söhne Max und Julius im letzten Augenblick nach Palästina und England entkommen, während ihre Eltern sich vergeblich um eine Ausreise nach Palästina bemühten. Klara Linden musste die Auswanderungserlaubnis mehrmals verlängern lassen, weil ihr Mann wie viele andere Juden polnischer Herkunft bei Kriegsbeginn verhaftet worden und seine Entlassung nicht absehbar war. Er wurde zunächst in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel eingewiesen und am 24. Februar 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Dort wurde ihm die Nummer 020396 im Häftlingsblock 43 zugeteilt. Sieben Wochen später wurde er als "Abgang" in das Sterbebuch des Konzen­trationslagers eingetragen. Er starb am 12. April 1940 im Alter von 53 Jahren, angeblich an einer Zellgewebsentzündung an der linken Hand. Die Urne mit seiner Asche wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt.

Auch seine Tochter Anna und ihr Mann sowie seine Schwägerinnen Rosa Abosch mit ihren Kindern Ruth und David und Salka Beer mit ihrem Mann Robert und deren Tochter Hella überlebten die Shoa nicht.
Klara Linden starb, zutiefst deprimiert, am 22. August 1941 im Alter von 50 Jahren im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee.

© Klaus Möller

Quellen: 1; 2 (F 105, R 1939/2869, R 1939/3071; V 206); 4; 5; 8; StaH, 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 221086, Linden, David, 190713 Schwarz, Anni, 060700 Schwarz, Meyer-Chaim, 101196 Beer, Salka, 241294 Beer, Robert, 160622 Beer, Julius, 160923 Beer, Hella; StaH, 430-5 Dienststelle Harburg, Ausschal­tung jüdischer Geschäfte und Konsumvereine, 1810-08, Bl. 89ff.; Heyl (Hrsg.), Harburger Opfer; Heyl, Synagoge; Bajohr, "Arisierung", 2. Auflage, S. 372.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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